XV / 007 - Aktuelle Stunde zur Abgabe einer Regierungserklärung


  • Verehrte Kolleginnen und Kollegen,


    die Bundesregierung hat um die Einberufung einer Aktuellen Stunde gebeten, um eine Regierungserklärung abzugeben.

    Die Aktuelle Stunde dauert 3 Tage.


    Ich erteile das Wort dem Bundeskanzler Friedrich Augstein

    | Präsident des Deutschen Bundestages a.D. (11. + 15. LP) |

    | Stellvertreter der Bundeskanzlerin a.D. |

    | Bundesminister für Wirtschaft und Energie / Arbeit und Soziales / des Auswärtigen a.D. |

    | Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen a.D.|

    | Landtagspräsident Nordrhein-Westfalen a.D. (12.LP)|

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Abgeordnete,

    meine Damen und Herren,


    vor acht Tagen wurde ich von der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Ich bin stolz, der Bundeskanzler eines großartigen Landes zu sein. Deutschland ist ein demokratisches, rechtsstaatliches und wirtschaftlich erfolgreiches Land. Eine solche Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die Minderheit zur Mehrheit werden kann. Ich bin zur Bundestagswahl mit dem klaren Ziel angetreten, die rot-rot-grüne Bundesregierung abzulösen, und dieses Ziel haben wir erreicht. Ich danke Bundeskanzler a.D. Friedländer für die professionelle Amtsübergabe und darüber hinaus auch für eine beständige deutsche Außenpolitik in stürmischen Zeiten.


    In zwei Wochen jährt sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zum ersten Mal. Der russische Präsident Wladimir Putin entschied sich am 24. Februar 2022, mit den Grundsätzen des zivilisierten Miteinanders zu brechen und ordnete eine großflächige Invasion in die nach Freiheit und Demokratie strebende Ukraine an. Die Bilder von auf Wohnhäuser feuernde russische Kampfjets und mutigen, Molotowcocktails bauende ukrainische Staatsbürger werde ich nie vergessen. Der russische Präsident ist für das Leid von mehr als vierzig Millionen Menschen, für Vergewaltigung und Mord verantwortlich. Eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland kann und wird es unter einem Präsidenten Putin nicht geben. Wladimir Putin hat in seiner ideologischen Verbohrtheit zwei Dinge unterschätzt: Die Widerstandskraft der Ukrainer und den Zusammenhalt im westlichen Bündnis. Seit einem Jahr verteidigen die Ukrainer heldenhaft und erfolgreich ihr Land. Der Westen hält zusammen und hat weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt, die der russischen Wirtschaft Schaden zugefügt haben. Darüber hinaus hat insbesondere Deutschland mit einem jahrzehntelangen Tabu gebrochen und Waffen an die Ukraine geliefert. Dieser richtige Kurswechsel hat mit dazu beigetragen, dass der russische Vormarsch gestoppt werden konnte. Wir werden diesen Kurs fortsetzen und der Ukraine Waffen liefern. Der Bundesverteidigungsminister arbeitet derzeit an einem umfangreichen Unterstützungspaket. Das ukrainische Volk kann sich auf uns verlassen. Wer für einen Stopp unserer Unterstützung eintritt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, eine russische Schreckensherrschaft im Osten der Ukraine, mithin Mord und Vergewaltigungen, billigend in Kauf zu nehmen. Das ist nicht unsere Haltung.


    Der russische Angriffskrieg zeigt auch, dass Demokratie und Freiheit nicht gottgegeben sind. Sie müssen nach innen, aber auch nach außen verteidigt werden. Es war deshalb ein Fehler, die Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges zu vernachlässigen und ja, geradezu kaputtzusparen. Die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes ist keine Banalität, sondern ein Verfassungsgebot. Die Bundeswehr muss kriegsfähig sein und dafür werden wir sorgen. Es bedarf dazu großer Investitionen. Deutschland hat sich verpflichtet, das 2-Prozent-Ziel der NATO zu erreichen und an diese Verpflichtung werden wir uns halten. Doch auch das wird nicht reichen. Es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung, um unsere Truppe voll auszustatten. Die Koalition hat sich deshalb darauf verständigt, ein Sondervermögen Bundeswehr im Grundgesetz zu verankern, um dringende Anschaffungen zu finanzieren. Dafür sind wir auf eine breite Mehrheit im Parlament angewiesen und ich appelliere an die Oppositionsparteien, sich dieser wichtigen Investition in die Sicherheit Deutschlands und der NATO nicht zu verschließen.


    Meine Damen und Herren,

    Deutschland hat mehr als eine Million ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Auf diese humanitäre Leistung können wir stolz sein. Wir stehen zu unserer humanitären Verpflichtung. Nichtsdestotrotz können wir nicht ignorieren, dass unsere Kommunen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gestoßen sind. Wir sollten die lokalen Hilferufe ernst nehmen und dafür Sorge tragen, dass die Zuwanderung nach Deutschland begrenzt wird. Dafür bedarf es einerseits eine starke Sicherung der europäischen Außengrenze und andererseits eine konsequente Durchsetzung geltenden Rechts. Ausreisepflichtige Menschen müssen Deutschland verlassen. Es macht mich deshalb fassungslos, dass einzelne Bundesländer versucht haben, sich über das geltende Recht hinwegzusetzen und ausreisepflichtige Migranten eine Perspektive in Deutschland vorzugaukeln, die sie nicht haben. Das ist auch menschlich zutiefst unanständig. Auch wenn die alte Bundesregierung derartige Rechtsbrüche toleriert hatte, sage ich unmissverständlich: Wir werden dies nicht tun und mit geeigneten Mitteln sicherstellen, dass geltendes Recht auch durchgesetzt wird. Darüber hinaus darf sich Deutschland nicht länger von den Herkunftsländern vieler Menschen ohne Bleibeperspektive hinhalten lassen. Dass diese Länder ihre eigenen Staatsbürger nicht zurücknehmen wollen, ist inakzeptabel. Wer für seine eigenen Staatsbürger keine Verantwortung übernehmen will, kann sich nicht länger auf deutsches Geld verlassen. Unser Land darf seine Möglichkeiten nicht unnötig limitieren. Aus meiner Sicht müssen auch Rückführungen straffällig gewordener Menschen und Gefährdern in Länder wie Afghanistan ermöglicht werden. Die Sicherheit unserer Landsmänner muss Priorität haben.


    Der Staat muss die Sicherheit der Bevölkerung garantieren. Dazu zählt gemäß Art. 20 Abs. 1 GG auch die soziale Sicherheit. Dazu bekennt sich diese Bundesregierung. Gleichwohl war in den vergangenen Jahren eine Politik zu beobachten, die Menschen immer weiter in staatliche Abhängigkeit gebracht hat und das selbstverantwortliche Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts zu einer Nebensächlichkeit erklärt hat. Solch eine Politik negiert nicht nur das dem Menschen eigene Streben nach Individualität und Selbstständigkeit, sie führt auch zu immer stärkeren finanziellen Belastungen für die öffentlichen Haushalte. Die politischen Verantwortungsträger sollten nie vergessen, dass unser Wohlstand nicht selbstverständlich, sondern hart erarbeitet ist. Um unseren Lebensstandard zu halten, braucht es den Einsatz jedes Bürgers und nicht noch mehr staatliche Alimentation. Diese Bundesregierung wird daher einen Fokus auf Investitionen in Bildung richten. Wir möchten jeden Bürger befähigen, durch eigene Leistung ein angenehmes Leben führen zu können. Daneben muss, um dieses Ziel erreichen zu können, der Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv bleiben. Mit immer höheren Steuern erreicht man aber genau das Gegenteil. Wir werden deshalb die Unternehmen in Deutschland entlasten und durch den Abbau von Bürokratie Maßnahmen ergreifen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch eine starke Wasserstoffindustrie und ein großes Energieangebot, das wir durch die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke ermöglichen werden, sind ein Beitrag hierzu.


    Meine Damen und Herren,

    lassen Sie mich zum Schluss noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das uns alle dieser Tage beschäftigt. Die schreckliche Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien hat bislang mehr als 22.000 Menschen das Leben gekostet. Ich bin mit meinen Gedanken nach wie vor bei den Angehörigen der Opfer und noch vermissten Menschen. Die Bundesregierung hat umgehend nach Bekanntwerden der Katastrophe umfassende Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Der Bundesinnenminister hat das Technische Hilfswerk und Hilfsmittel in die Türkei entsandt. Unsere Männer und Frauen helfen vor Ort, noch verschüttete Menschen zu lokalisieren und zu retten. Darüber hinaus stellen wir mehrere Millionen Euro zur Verfügung, die auch den auf der syrischen Seite der Unglücksregion tätigen Hilfsorganisationen zugutekommen wird. Die Welt steht der Türkei und der syrischen Zivilbevölkerung bei.


    Liebe Landsleute,

    diese Bundesregierung wird sich fortwährend für Ihre Interessen stark machen und hart arbeiten, damit wir auch zukünftig in Frieden, Sicherheit und Wohlstand leben werden. Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Wir packen sie an - mit Pragmatismus, Verantwortungsbewusstsein und Patriotismus.


    Ich habe schon mein gesamtes Berufsleben über unserem Land gedient. Dass ich dem deutschen Volk nun als Bundeskanzler dienen darf, erfüllt mich mit Stolz und Demut. Die Bürger unseres Landes können sich sicher sein: Ich werde meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren und Schaden von ihm wenden. Diesen Eid habe ich vor dem Parlament geschworen und er wird stets die Leitlinie meines Handelns sein.


    Herzlichen Dank!

    24. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

    Bundeskanzler a.D.

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    zunächst möchte ich es dem Bundeskanzler gleicht tun und den vielen tausend Opfern nach dem schrecklichen Erdbeben in der Türkei und in Syrien gedenken. Meine Gedanken sind bei den Menschen, die geliebte Familienmitglieder, Freunde oder Angehörige verloren haben. Ein solch verheerendes Erdbeben haben wir in Europa schon lange nicht mehr erlebt. Es macht mich sprachlos, wenn ich die vielen Bilder in den Medien sehen, auf denen ehemals große Stadtviertel zu sehen sind, die jetzt nur noch Schutt und Asche sind. Es ist wichtig, dass wir in dieser Stunde der Not an der Seite der vielen Opfer stehen und die örtlichen Helferinnen und Helfer mit unseren Bergungsspezialisten unterstützen.


    Nicht nur in der Türkei oder Syrien ist das Leid groß, sondern auch in der Ukraine. In gut zwei Wochen jährt sich zum ersten Mal der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Am Anfang hätten es die Wenigsten für möglich gehalten, dass die Ukraine bis zum heutigen Tage existiert. Man ging davon aus, dass die Ukraine in der ersten Kriegswoche falle und dann für immer von der Landkarte verschwinden würde. Doch wir haben uns geirrt. Die Ukraine existiert bis heute und das ist ein Sieg Westalliierten, der durch ununterbrochene Waffenlieferungen errungen werden konnte. Wir haben Wladimir Putin gezeigt,dass wir nicht für russisches Gas käuflich sind. Wir haben ihm gezeigt, dass wir in Europa imperialistisches Großmachtstreben nicht tolerieren. Wir haben ihm gezeigt, dass wir für unsere Werte und unsere Demokratie eintreten und bei einem Angriff auf unsere Werte solidarisch zusammenstehen. Ich begrüße deshalb den Kurs der neuen Bundesregierung. Die Waffenlieferungen in die Ukraine müssen weiter gehen, denn nur so können wir unsere Freiheit, unsere Demokratie und unsere Überzeugungen in der Ukraine zeigen.


    Nicht nur gegen Russland müssen wir unsere Werte verteidigen, sondern auch gegen den Terror aus dem Iran und gegen die Kriegslüsternheit Chinas. Wir haben gesehen, wie schmerzhaft es ist, wenn man von einem Handelspartner so dermaßen abhängig ist, wie der Drogenjunkie von seinen Drogen. Es ist also unsere Aufgabe, die Abhängigkeit von China zu reduzieren und die Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten im Südpazifik zu vertiefen. Das Handelsvolumen mit China muss reduziert werden. Das Handelsvolumen mit Indien, Japan, Taiwan und Südkorea muss erhöht werden. Die Produktionsketten in China sollten in die eben genannten Länder ausgelagert werden. So kann die wichtige Chip und Halbleiter Industrie nach Taiwan oder Südkorea verlegt werden. Zu lange haben wir mit China moralisch fragwürdige Geschäfte gemacht und unsere Seele nach China verkauft. Jetzt müssen wir unsere Infrastruktur vor chinesischer Sabotage beschützen. Es darf nicht länger der Fall sein, dass der lange Arm Chinas in Form von Staatsunternehmen hier in Deutschland schalten und walten kann, wie es Xi in Peking will. Deutsche Infrastruktur darf nicht länger von chinesischen Staatskonzern gebaut oder betrieben werden dürfen. Wir wissen nicht, ob Xi eine Hintertür einbauen hat lassen, um im Fall des Falles unsere Infrastruktur lahm legen zu können. Diese Gefahr darf nicht übersehen werden, deshalb fordere ich die Bundesregierung auf Maßnahmen gegen die chinesische Gefahr zu ergreifen.


    Fürwahr die Zahlen der zu uns nach Deutschland kommenden Flüchtlinge ist im letzten Jahr auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Der Bundeskanzler hat recht, wenn er sagt, dass die Länder und Kommunen zunehmend mit der Unterbringung der Flüchtlinge überfordert sind. Wegen dieser Überforderung nimmt leider Gottes auch die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland wieder zu. Aber der Ansatz der Bundesregierung ist doch höchst fragwürdig. Nur weil man einen höheren Zaun um Europa herum baut, werden die Flüchtlinge auch nicht weniger. Ich bezweifle, dass irgendein Flüchtling, der die gefährliche Fahrt auf einem Seelenverkäufer über das Mittelmeer auf sich nimmt, von einem europäischen Zaun eingeschüchtert wird. Mich verwundert dieser Ansatz überhaupt nicht, denn es ist typisch für die Konservativen, Probleme einfach auszusitzen oder irgendwoandershin zu verlagern und dann so zu tun, als ob man das Problem gelöst hätte. Die Bundesregierung handelt wie ein Kleinkind, dass sich die Augen zuhält und meint, man könne es nicht sehen. Die Bundesregierung nimmt zu dem unmenschliche Zustände an der EU – Außengrenze in Kauf, wo dann die vielen Flüchtlinge in irgendwelchen Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen ihr Dasein fristen werden. Bilder, wie die aus dem überfüllten Lager in Moria haben uns einen ersten Hinweis darauf gegeben, wie es dann hinter der großen europäischen Festungsmauer aussehen wird. Was wir jetzt stattdessen brauchen ist ein Plan, wie wir am besten mit dieser Flüchtlingswelle fertig werden.


    Wir müssen uns überlegen, wie wir schnellstmöglich den Kommunen und den Ländern bei der Unterbringung der Flüchtlinge helfen. Außerdem müssen wir uns auf lange Sicht überlegen, wie es uns gelingen kann, eine dauerhafte Infrastruktur für die Unterbringung von Flüchtlingen zu konzipieren, die auch den aktuellen Flüchtlingszahlen gewachsen ist. Ich spreche hier von der Vorhaltung von bestimmten Räumlichkeiten, die im Fall des Falles sofort für die Aufnahme von Flüchtlingen verwendet werden können, ohne dass irgendwelche Sporthallen oder andere Einrichtungen, die eigentlich für die Bürgerinnen und Bürger gedacht sind, zweckentfremdet werden müssen.


    Aber warum kommen so viele Menschen nach Deutschland und nach Europa? Die Sache ist einfach, denn entweder herrscht Krieg, Hungersnot oder Perspektivlosigkeit in den Ländern, aus denen die Geflüchteten zu uns kommen. Wer über das Mittelmeer zu uns kommt und alle damit verbundenen Gefahren auf sich nimmt, der kommt nicht zu uns, um unser großartiges Sozialsystem auszunutzen, sondern kommt zu uns, weil er der Hölle in seinem Herkunftsland entfliehen will.


    Wir brauchen also keine Zäune, sondern größere Perspektiven für die Menschen, die in den Ländern leben, aus denen die meisten Menschen nach Europa flüchten. Es braucht zuallererst Frieden in Syrien, im Sudan, in Mali und in vielen anderen Ländern in Afrika. Es ist also die Aufgabe der Bundesregierung Initiativen anzustoßen, um Friedensverhandlung zu ermöglichen. Wer selbst diesen Schritt nicht wagt, der darf sich nicht wundern, dass Deutschland zunehmend unter der Last der Flüchtlinge zusammenbricht. Als zweiten Schritt müssen wir durch entsprechende Entwicklungshilfe sicherstellen, dass sich die betroffen Länder weiterentwickeln können, um eine eigene diversifizierte Wirtschaft, die Jobs und Perspektiven gibt, entwickeln zu können. Es ist hierbei wichtig, dass die entsprechenden Länder nicht mit Waren aus Europa überflutet werden. Bei dieser Gelegenheit es ist es wichtig, dass wir Demokratieexport betreiben, damit durch einen Rechtsstaat und durch die Demokratie niemand übergangen werden kann und Rechtssicherheit besteht.


    So bekämpft man langfristig die hohen Flüchtlingszahlen und nicht mit Zäunen, Stacheldraht oder mit dem Gewehr. Die konservative Koalition ist also nicht an einer sinnvollen Lösung des Problems interessiert, sondern ist lediglich damit beschäftigt irgendwelchen rechten Träumereien gerecht zu werden, um bei ihrer Wählerschaft fleißig mit billigem Populismus punkten zu können.


    Eine gewisse Doppelmoral ist hier also bereits zu erkennen. Aber ich werde noch einen anderen Fall von Doppelmoral herausarbeiten. Da nutzt der Bundeskanzler große Worte wie Demokratie und Freiheit und dann spielt der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt Außenminister und besucht die ungarische Fidesz. Er besucht also, um was auch immer zu verhandeln, die Regierungspartei eines europäischen Landes, die nach Russland und der Türkei am wenigsten für die Einhaltung von demokratischen Prinzipien und die Gewährung von bürgerlichen Freiheiten bekannt ist. Ich bin begierig, zu erfahren, nach welcher Logik das zusammenpasst. Ohnehin erwartet die Opposition eine Regierungserklärung des entsprechenden Ministers über den Sinn seiner Reise. Wenn es zu weiteren Reisen des Bundesernährungsministers mit unklarem Ziel kommen sollte, wird die Opposition einen entsprechenden Untersuchungsausschuss gründen.


    Ich werde beim Freiheit bleiben, mich aber dem Markt zuwenden. Die Bundesregierung will also durch geringer Steuern und durch die Kürzung von Sozialleistungen Deutschland zu größerem Wohlstand führen. Ein interessantes Konzept. Sie wollen also mit in einer Krise Sozialleistungen kürzen und den reichen Kapitalisten noch größere Geschenke überreichen. Klingt für mich ungerecht. Das ist aber so, wenn man den Trickledowneffekt glaubt. Es ist naive zu glauben, dass Unternehmer, nur weil ihnen nach Abzug der Steuern vom Gewinn ein bisschen mehr bleibt, anfangen, große Investitionen zu tätigen.


    Es ist außerdem naive zu glauben, dass durch geringere Sozialleistungen mehr Menschen arbeiten. Nur 3 % der Hartz IV Empfänger kamen jemals mit Sanktionen in Berührung. Selbst wenn man glaubt, dass das funktionieren könnten, ist das Potential nur sehr begrenzt. Es gibt viele verschiedene höchst dramatische Wege in die Arbeitslosigkeit bzw. in die sozialen Sicherungssysteme. Es liegt selten daran, dass Menschen nicht arbeiten wollen, sie können es nur oft nicht. Menschen mit einer schlechten Ausbildung oder keinen Ausbildung werden nicht viel verdienen. Wenn sie dann einen Job bekommen, ist es oft ein Job, in dem das Gehalt dem Mindestlohn entspricht. Diese Jobs sind aber oft körperlich sehr anstrengend. Ich möchte sehen, wie der Bundeskanzler eine fünfzigjährige Frau mit Rückenschmerzen als Postbotin, als Putzfrau oder als Geschirrwäscherin vermitteln will. Der Staat muss allen seinen Bürgern ein menschenwürdiges Auskommen gewährleisten und selbst die aktuell schon niedrigen Sozialleistungen sind nicht ausreichend. Haben Sie mal versucht von nur knapp 500 Euro im Monat zu leben? In einer großen und teuren Stadt wie München oder Frankfurt geht das nicht. Oft besuchen mich Menschen im Bürgerbüro in München und fragen mich, wie sie mit einem Gehalt, dass knapp über dem Mindestlohn liegt vernünftig leben sollen. Wie soll man dann erst mit 500 Euro davon leben?


    Fragen über Fragen, die mir zeigen, warum ich für einen starken Staat und starke Sicherungssysteme bin, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Denn nur wenn wir entsprechende Ressource für Arbeitsagenturen, soziale Eingliederung und gute Bildung bereitstellen, können wir auch den Menschen eine Perspektive und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen.


    Steuergeschenke an die Reichen erhöhen nur die soziale Ungleichheit und treiben die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander und sorgen dafür, dass Sozialleistungen gekürzt werden müssen. Zusätzliche werden die Schuldenimmissionen erhöht werden müssen, was dafür sorgt, dass die Wirtschaft einbricht, weil die Zinsen für Kredite zu hoch werden, wie wir es vor kurzem eindrucksvoll in Großbritannien gesehen haben. Nachdem auch die Kredite für den Otto Normalverbraucher steigen, holt die Konservative Regierung zu einem großen Schlag gegen die hart arbeitende Bevölkerung aus, für die sie angibt Politik zu machen.


    Wir werden den Kampf der Bundesregierung gegen die Feinde von Demokratie und Menschenrechte unterstützen. Aber ansonsten hat sich gezeigt, dass die konservative Koalition die Probleme in unserem Land nicht lösen will und stattdessen gegen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes arbeiten wird, indem die Bedürftigen sich selbst überlassen werden und indem die hart arbeitenden Menschen, die dieses Land am Laufen halten, den Reichen einen Bonus auszahlen müssen. Harte Arbeit lohnt sich nicht mehr, weil es für den kleinen Mann völlig egal ist, wie viel er arbeitet, da er den Reichen einen immer größer werdenden Teil seines Einkommens abgegeben muss. Die konservative Koalition errichtet eine verkehrte Welt, die wir ablehnen, denn wir stehen nicht auf der Seite der Millionäre oder Billionäre, sondern auf der Seite der Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder versorgen sollen und die nicht wissen, wie sie jemals ein besseres Leben führen können. Wir werden keinen Aufwand und keine Mühe scheuen, wenn es darum geht, die verkehrte Welt der konservativen Koalition zu verhindern.

  • Herr Präsident,


    der Herr Oppositionsführer zeigt erschreckende Wissenslücken auf, insbesondere, wenn es um den Kapitalismus geht. Diesen scheint Kollege Zottelfürst nicht verstanden zu haben - Verzeihung, das konnte ich mir nicht verkneifen. Kein einziger Ökonom geht davon aus, dass Wohlstand irgendwie auf magisch-dubiose Weise von "den Reichen" heruntersickert. Diese Umschreibung für Trickle-Down scheint sich die politische Linke ausgedacht zu haben, um wirtschaftsliberale Positionen schlechtzureden - wie es etwa der linke Ökonom Paul Krugman tat. Wovon aber zahlreiche Ökonomen, darunter der geschätzte Thomas Sowell, ausgehen, ist, dass Steuersenkungen - auch für Vermögende - eine Verhaltensänderung hervorrufen, die zu mehr Investitionen, damit mehr Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätzen, führt. Glauben Sie nicht, Herr Fürst? Dann scheinen Sie die Faktenlage nicht zu kennen. Denn im Zeitraum zwischen 1975 und 2006 verzeichneten diejenigen OECD-Staaten, für die die Abgabenquote - ein Wert zur Herstellung der internationalen Vergleichbarkeit der Belastung von Volkswirtschaften mit Steuern und Sozialabgaben - ausgewiesen und verhältnismäßig gering war, ein stärkeres pro-Kopf-Wirtschaftswachstum als diejenigen OECD-Staaten, deren Abgabenquote höher war. Nichts anderes, Überraschung, gilt auch für den Zeitraum von 2000 bis 2021. Für den Zeitraum von 1975 bis 2006 betrug das pro-Kopf-Wirtschaftswachstum derjenigen Hälfte der Staaten mit geringeren Steuern und Abgaben durchschnittlich 143 % von derjenigen Hälfte der OECD-Staaten, deren Steuern und Abgaben höher war. Für den Zeitraum von 2000 bis 2021 reden wir von durchschnittlich 136 %. Das wird doch kein magischer Zufall sein? Nein, ist es nicht. Wir als Verfechter der Marktwirtschaft werden unser Augenmerk insbesondere auf die Verbesserung der Lebensumstände und das Wirtschaftswachstum richten, während wir Abstand von dem kollektivistischen Gespenst, das Deutschland die letzten Jahre regiert und auf Biegen und Brechen Gleichheit herstellen wollte, selbst, wenn am Ende alle schlechter dastehen - so funktioniert Sozialismus nun einmal, nehmen. Übrigens, je höher die "böse" Ungleichheit, desto besser die Lebensumstände aller, nur mal am Rande angemerkt. Wir stehen für individuelle Anstrengungen wie Erfolg, lehnen es jedoch ab, wenn unsere Bürger wie ein Hündchen an der Leine, nein, an der Kette des Staates hängen. Und Sie können gewiss sein, Herr Fürst, dass wir die Staatsschulden minimieren und den Haushalt konsolidieren werden. Am Ende gilt: ein schlanker Staat ist kein schwacher Staat!


    Zur Flüchtlingsproblematik: niemand redet davon, das Asylrecht vollends zu streichen. Doch: wir müssen uns zunächst um uns selbst kümmern. Das ist Realität - der Staat ist in allererster Linie seinen Staatsbürgern und niemandem anders (!) verpflichtet. Die Gesellschaft ist überlastet und kann nur zu einem gewissen Grad Migration bewältigen, ohne in größere Probleme zu geraten. Schon Helmut Schmidt wusste, dass Immigration aus verwandten Kulturen wenig, Immigration aus fernen Ländern wie Syrien, Afghanistan oder Eritrea erhebliche Probleme mit sich bringt, was die Eingliederung angeht. Oftmals kommen nämlich junge, arabischstämmige Männer zu uns, überqueren unbemerkt die Grenze, begehen am besten noch Identitätsbetrug und wandern in unsere Sozialsysteme ein. Diese Bevölkerungsgruppe bestätigt von sich aus, dass Identitätsbetrug begangen wird und macht sich darüber lustig, dass "alle Ausländer" am 01. Januar Geburtstag hätten. Wer sich so verhält, der will offenbar nicht unseren Schutz, sondern kommt, um uns und den Staat zu verarschen. Denn wer sich ehrlich um Schutz bemüht, kann, ohne Konsequenzen zu fürchten, den offiziellen Weg beschreiten. Wir müssen als schauen, dass wir wissen, wer unser Land betritt, um so die Immigration bestmöglich handzuhaben, illegale Immigration zu unterbinden und diejenigen, die hier nichts verloren haben, die entweder keinen Asylanspruch oder ein Verbrechen begangen haben, abzuschieben. Nur so kann die Flüchtlingsproblematik bestmöglich behoben und die Bildung von Parallelgesellschaften verhindert werden.


    Besten Dank







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    XVIII. Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

    Parteivorsitzende der Liberal-Konservativen Allianz


    XII. und XIV. Bundesministerin der Finanzen a. D.

  • *geht ans Rednerpult, ordnet seine Notizen und nimmt dann einen Schluck Wasser*


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,

    Herr Bundeskanzler,


    diese Regierungserklärung lässt einen kleinen Vorgeschmack darauf erahnen, was uns in den nächsten Monaten erwarten könnte.

    „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael“ sang schon Nina Hagen. Auch ich vermisse in der Rede des Bundeskanzlers die farblichen Nuancen. Hier wird eine Weltsicht in Schwarz und Weiß propagiert, die keinesfalls der Komplexität der modernen Probleme unserer Zeit gerecht wird.


    Herr Augstein redet beispielsweise davon, dass über eine Millionen ukrainische Geflüchtete in unserem Land Zuflucht gefunden haben und von unserer humanitären Verpflichtung, nur um keine zwei Sätze später über die Stärkung der EU-Außengrenzen und eine Begrenzung der Zuwanderung zu sprechen. Ein absolutes Paradoxon, aber es hört sich halt so gut an...


    Auch in Länder wie Afghanistan soll künftig abgeschoben werden, so so.

    Plant die Bundesregierung also weitreichende Intensivierungen der diplomatischen Beziehungen mit den Taliban?

    Wenn dem Bundeskanzler in der Migrationsdebatte die „Wahrung von geltendem Recht“ so wichtig ist, dann hoffe ich, dass auch die Rechte der Migrierten einen mindestens genauso hohen Stellenwert erhalten und sie nicht beispielsweise in Lagern konzentriert werden sollen, wie dies in Bayern kürzlich geschehen sollte.

    Wie will die Bundesregierung es überhaupt erreichen, dass all die Staatenlosen plötzlich mit gültigen Herkunftspapieren ausgestattet werden, um an einer sogenannten Rückführung teilzunehmen?

    Eine komplexe Fragestellung, die am Anfang jeder Rückführung steht und die natürlich wesentlich schwieriger zu beantworten ist, als die stumpfe Kategorisierung von Menschen in legal (nicht ausreisepflichtig) und illegal (ausreisepflichtig).


    Die neue Bundesregierung ist seit wenigen Tagen im Amt und ich verstehe, dass der Bundeskanzler die Bühne der Regierungserklärung dafür nutzen möchte für seine Politik zu werben, auch wenn er nicht wirklich genau wird in seiner Thematik...

    Gleichzeitig finde ich es absolut verwunderlich, wie sämtliche Vorwürfe von Seiten der Bundesregierung unkommentiert bleiben.

    Teile der Regierung könnten jetzt schon, wenige Tage nach Amtsübernahme, in einen der größte Korruptionsskandale der Nachkriegsgeschichte unseres Landes verwickelt sein.

    Statt sich den Vorwürfen zu stellen, wertet Bundesfinanzministerin Koslowka lieber akribisch die bildlichen Publikationen der Proteste aus, um dann Hetze in den sozialen Netzwerken gegen die Protestierenden zu betreiben.


    Als eines der ersten Regierungsvorhaben soll nun das Tempolimit fallen.

    Eine wirklich starke und aussagekräftige Priorisierung der Bundesregierung in Zeiten des Krieges, der Inflation und des vom Menschen gemachten Klimawandels...


    Grüne und Linke werden Ihnen in dieser Legislatur genau auf die Hände schauen, werte Bundesregierung.
    Das Forum möchte ich abschließend noch eine Sache fragen:

    Was nützt einem ein Anti-Extremismus-Beschluss, wenn man am Ende doch mit von Wildungen zusammen regiert?


    Vielen Dank

  • Verehrte Kolleginnen und Kollegen,


    da es keine Wortmeldungen mehr zu geben scheint, ist die aktuelle Stunde hiermit beendet.

    | Präsident des Deutschen Bundestages a.D. (11. + 15. LP) |

    | Stellvertreter der Bundeskanzlerin a.D. |

    | Bundesminister für Wirtschaft und Energie / Arbeit und Soziales / des Auswärtigen a.D. |

    | Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen a.D.|

    | Landtagspräsident Nordrhein-Westfalen a.D. (12.LP)|