VII/08 - Regierungserklärung + Aktuelle Stunde

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    Die Landesregierung hat in Person von Ministerpräsident Baum eine Regierungserklärung mit anschließender Aussprache (AKS) beantragt.


    Das Wort hat der Herr Ministerpräsident

  • Geschätzter Herr Präsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,



    die letzte Legislaturperiode liegt hinter uns, das Land Nordrhein-Westfalen hat eine neue Regierung. Zum Glück, sagen die einen, leider sagen die anderen. Ich sage, dass dies eine Chance ist, NRW weiter voranzubringen und neu zu gestalten. Wie schon Anfang April und während der Legislaturperioden davor, stecken wir Menschen, steckt das ganze Land und ja, auch immer noch die ganze Welt in einer gefährlichen Pandemie. Doch die Situation hat sich verbessert, wir sehen ein Licht am Ende des Tunnels. Über die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen ist mindestens einmal geimpft, ganze 32 Prozent sind sogar bereits vollständig immunisiert. Damit stehen wir deutschlandweit sehr gut da. Und trotzdem bleiben die Bekämpfung dieser Pandemie, die Überwindung der schweren Probleme, die gerade vor uns liegen und die in Zukunft noch vor uns liegen werden, eine schwere Kraftanstrengung, die wir nur mit übergreifender Solidarität und Achtsamkeit stemmen können. Doch aus der anfänglichen Hoffnung der Menschen in diesem Land ist eine handfeste Aussicht auf die schrittweise Rückkehr zur Normalität geworden, und darauf können wir sehr stolz sein. Alle Volksvertreter und Volksvertreterinnen in diesem Haus.


    Und auch bei der Regierungsbildung, liebe Kolleginnen und Kollegen, war es diese Legislaturperiode erneut turbulent. So war sie beispielsweise, zum Glück nur vereinzelt, auch mit nicht sehr rühmlichen, unsachlichen Diskussionen verknüpft. Doch auch am Ende dieser Gespräche und Verhandlungen steht eine handlungsfähige Regierung, die bereit ist, für die Bürgerinnen und Bürger einzustehen und für sie alles zu geben. Diese Regierung aus SDP, vPiraten und TZB steht für eine gesellschaftlich liberale, zukunftsorientierte und grundsoziale Einstellung, die die Arbeiterinnen und Arbeiter entlastet, eine grundlegende Verbesserung der Bildung im Land erreicht und auch die Digitalisierung vorantreibt.


    Die Inhalte, ganz besonders die umgesetzten Inhalte sind wichtig. Sie entscheiden, ob eine Regierung nur da ist und verwaltet, oder ob sie mutig vorangeht und gestaltet. Wir werden gestalten. Durch eine Bundesratsinitiative werden wir daran arbeiten, die inhumane, ja erschreckend entsetzliche Massentierhaltung in Deutschland einzuschränken und in diesem Prozess die willkürliche und prophylaktische Verabreichung riesiger Mengen Antibiotika zu beenden, welche zum Beispiel gefährliche resistente Keime zur Folge hat. Eine Erde, die in 100 Jahren noch bewohnbar ist, zu schaffen, und alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen, darf keine radikale Forderung mehr sein. Dafür wollen wir auch den Personen- und Frachtverkehr auf der Schiene fördern. Des Weiteren werden wir die von der Vorgängerkoalition beschlossene Erhöhung der verkaufsoffenen Sonntage, die nicht nur wirkungslos, sondern auch höchst unsozial ist, rückgängig machen und die Anzahl wieder auf acht senken. Ein Prozess, welcher bereits in Gange ist. Außerdem werden Präventionsmaßnahmen gegen jeglichen Extremismus gestartet, welcher auch in Nordrhein-Westfalen leider immer noch existent ist. Seine Bekämpfung ist das Signal, dass unsere Demokratie wehrhaft ist, und dass wir alle als Vertreter und Vertreterinnen der demokratischen Parteien jeden Tag für unsere freiheitliche Demokratie einstehen. Auch Probleme, die sonst viel zu wenig Beachtung finden, müssen angegangen werden: Statistisch gesehen sind 20 Prozent aller Opfer häuslicher Gewalt männlich. In Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Land Deutschlands, einem Land mit beeindruckender Wirtschaft und Kultur, gibt es zwei Zufluchtsorte für männliche Opfer häuslicher Gewalt. Mit insgesamt nur acht Plätzen. Diese Zahl ist traurig, und wir müssen sie dringend erhöhen, indem wir diese Einrichtungen fördern und ausbauen.


    Diese Legislaturperiode wird ein herausragendes Beispiel für produktive Arbeit werden.


    Vielen Dank


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    Träger des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

  • erhebt sich aus den Reihen der Grünen-Fraktion und schreitet mit Maske zum Pult, welches noch desinfiziert wird


    Herr Präsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,

    werter Herr Ministerpräsident,


    Sie haben hier ganz ambitioniert über Ihre Ideen und Projekte für Nordrhein-Westfalen geredet und ich glaube Ihnen auch, dass Sie wirklich gerne jetzt auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten sitzen und die Probleme unseres Landes angehen wollen. Dennoch treiben mich einige Gedanken um, die mich etwas trübe stimmen. Ich will Ihnen auch sagen, warum.


    Sie haben hier ganz interessante und zum Teil auch durchaus untersützenswerte Projekte und Gesetze vorgeschlagen. Das ist an sich natürlich super, nichtsdestotrotz bleibt hinter all Ihren Projekten das große Fragezeichen der Finanzierung. In keinem Punkt haben Sie im Koalitionsvertrag noch jetzt in Ihrer Regierungserklärung in irgend einer Weise dargelgt, wie Sie all Ihre Ideen finanzieren wollen. Unser Land ist das mit großem Abstand am meisten verschuldete aller Bundesländer! Wir siutzen auf einem Berg von fast 180 Milliarden Euro Schulden. Wir hatten zwar im letzten noch aufgestellten Haushalt aus dem Jahr 2019 einen ausgeglichen Stand, aber das ist sicherlich kein Grund beim Thema Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben so blank zu sein! Da erwarte ich vom Finanzminister klare Aussagen demnächst, wie er plant, seinen Haushalt auszugleichen und unseren Schuldenabbau voranzutreiben.


    Weiterhin kamen Sie ja auf das Thema schlichtweg der letzten Legislatur zu sprechen. Die Sonntagsöffnungen der Einkaufshäuser. Ich finde es schade, dass Sie in Ihre Reigerungszeit starten und bereits zweimal die Möglichkeit haben, die Opposition mit ins Boot zu holen um breite Mehrheiten zu eröffnen, für Ihre Gesetzesentwürfe. Leider beharren Sie ja auf dem einfachen Prinzip des Rückgängigmachens bei den Sonntagsöffnungen und der Neueinbringung Ihrer Bildungsreform ohne auch nur erwogen zu haben, eventuell doch mal die Oppoitionsfraktionen zu kontaktieren um einen Konsens zu finden, mit dem wir vor allem den Schülerinnen und Schülern sowie auch den Besitzern kleiner Läden zu helfen. Das ist kein guter Stil und das hilft hier niemandem im Haus weiter, wenn Sie bereits jetzt zeigen, dass Sie die Opposition wohl nicht in Ihre Pläne einbeziehen wollen.


    Ich habe mir mehr erhofft von Ihrer ersten Rede hier als Ministerpräsident und hoffe, dass Sie zumindest meine Worte zur Kenntnis nehmen und dann nachdenken, ob dieser Kurs der Beste für unser Nordrhein-Westfalen ist.


    Herzlichen Dank!

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    meine Damen und Herren,

    geschätzte Frau Siegmann,


    zuerst möchte ich Sie als Abgeordnete in diesem Hohen Haus willkommen heißen!


    Mit der Frage zur Finanzierung der umzusetzenden Maßnahmen treffen Sie einen wunden Punkt. Ein Punkt, der zumindest auf den ersten Blick als wund erscheint. Denn bedenken Sie bitte, wir befinden uns noch immer in einer Pandemie mit all ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Folgen. Sie ist eine Herausforderung für den Bund, die Länder und Kommunen, aber auch für die Menschen und Unternehmen. In dieser Situation einen Sparkurs a la Brüning zu fahren, mit dem Ziel die öffentlichen Haushalte weiterhin eine "Schwarze Null" schreiben zu lassen, wäre aus wirtschaftlicher aber auch aus sozialer Sicht der falsche Weg. Höhere Steuern um mehr Einnahmen zu erzielen oder Maßnahmen zu streichen um weniger Ausgaben zu haben, führten zu einer Verschärfung jener Folgen, die die Pandemie mit sich bringt.


    Hier und heute ist der Staat gefragt, die Folgen der Pandemie so weit wie möglich einzudämmen, die Folgen so begrenzt wie möglich zu halten. Das nennt man Krisenmanagement. Wir, die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, nehmen diese Aufgabe an und betreiben Krisenmanagement. Wer sollte es auch sonst tun? Die Unternehmen? Oder die Bürgerinnen und Bürger? Alle sind bereits mit den ganz persönlichen Folgen durch Corona befasst. Unternehmen, die nicht öffnen dürfen bzw. durften. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit waren oder noch immer sind. Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben.


    Der Staat ist gefordert. Wir nehmen die Herausforderung an. Wir werden ein weiteres Unterstützungsprogramm für Unternehmen in NRW auflegen, um finanziell den Unternehmen zu helfen. Anders als die Brüningsche Sparpolitik wollen wir so der Wirtschaft helfen, besser durch die Pandemie zu kommen und in Anschluss daran mit möglichst wenig krisenbedingten Ballast wieder durchstarten zu können. Dabei zielen wir insbesondere auf Kleinst-, Klein- und mittelgroße Unternehmen; also jenen Unternehmen, deren Existenz am häufigsten gefährdet ist.


    Vielen Dank!

  • Herr Präsident,

    Herr Landesminister,


    schön, dass Sie die Zeit finden, hier an der Debatte mitzuwirken.


    Grundsätzluch ist klar, dass wir keinen Sparkurs fahren können und sollten. Das war auch gar nicht mein Anliegen. Mir ging es eher darum, dass Ihre Regierung, so hat es zumindest mal den Anschein, absolut keinen Plan hat, wie mit den Finanzen umzugehen ist. Die Pandemie stellt uns vor eine Herausforderung, unumwegt.

    Das schützt doch aber nicht davor als Landesregierung keine einzige Idee zum Finanzplan zu haben geschweige denn überhaupt einen erstellt zu haben! Herr Minister, das können Sie doch nicht ernst meinen oder? Sie wissen als Minister sehr wohl, dass es unerlässlich ist, die Legislatur zu planen, sowohl inhatlich als auch finanziell.


    Dass Sie hier die Pandemie aber vollkommen ausnutzen, um zu verstecken, dass Sie finanzpolitisch anscheinend blank sind, das geht nicht. Auch in einer Pandemie ist eine gesunde Finanzplanung und -ordnung wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als in einer normalen Haushalts- und Wirtschaftslage.

  • Herr Präsident,

    Frau Kollegin Siegmann,


    bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich mich zum Finanzplan nicht geäußert habe. Bitte nehmen Sie weiterhin zur Kenntnis, dass alle Vorgängerregierungen seit dem 01.01.2021 - auch die mit grüner Regierungsbeteiligung, ebenso wenig einen Haushaltsplan aufgestellt haben. Weiterhin möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es unmöglich ist, einen Haushaltsplan innerhalb von 9 Tagen aufzustellen. Ich befinde mich erst seit 9 Tagen im Amt.

  • Herr Präsident,

    Herr Landesminister,


    ich will auch garkeinen Haushalt von Ihnen haben, sondern eine klare Aussage, wie Sie mit unseren Schulden umgehen und wie Sie die ganzen neuen Ausgaben a) abfangen und b) auf lange Sicht wieder ausgleichen wollen. Das ist mein einziges Anliegen an Sie, und das wir das erst nach dem Amtsantritt der Regierung klären ist auch mindestens irritierend.

  • Herr Präsident,

    Frau Kollegin Siegmann,


    ich antworte Ihnen wie folgt:

    a) Die die Einnahmen übersteigenden Ausgaben werden über Kreditmittel finanziert.

    b) Sobald wir seriös feststellen können, in welchem Umfang Kreditmittel für die aktuelle Situation benötigt werden, können wir über die Modalitäten zur Schuldentilgung sprechen. Noch befinden wir uns direkt in der Krise. Welche Auswirkungen - in finanzieller Hinsicht - die Delta-Variante auf uns haben wird, kann heute noch niemand abschließend beurteilen. Deswegen müssen wir weiterhin krisenbedingt auf Sicht fahren. Wie sich die Einnahmen entwickeln werden, also ob Steuererhöhungen oder -senkungen mit den damit einhergehenden Mehr- oder Mindereinnahmen eintreffen werden, kann ich nicht vorhersagen, da - wie Sie sicherlich wissen - die Steuergesetze vom Bund und nicht den Ländern gemacht werden. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen auch noch keine konkrete Aussage dazu machen, woher wir das Geld für die Schuldentilgung nehmen werden.


    Ich hoffe, ich konnte Ihre Anliegen hinreichend beantworten.

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    gemäß § 26 Abs. 1 der Geschäftsordnung hat diese aktuelle Stunde ihre maximale Dauer bereits in der Nacht von Montag auf Dienstag erreicht.
    Sollte gemäß § 26 Abs. 2 GO-NRW kein Antrag auf Verlängerung der aktuellen Stunde ergehen, ist diese als geschlossen zu betrachten.

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    gemäß § 26 Abs. 1 der Geschäftsordnung hat diese aktuelle Stunde ihre maximale Dauer bereits in der Nacht von Montag auf Dienstag erreicht.
    Sollte gemäß § 26 Abs. 2 GO-NRW kein Antrag auf Verlängerung der aktuellen Stunde ergehen, ist diese als geschlossen zu betrachten.

    Ich beantrage die Verlängerung, da offensichtlich noch Gesprächsbedarf besteht.