AKTUELLE STUNDE VI/010 | Abgabe einer Regierungserklärung

  • Jan Friedländer

    Hat den Titel des Themas von „AKTUELLE STUNDE | Abgabe einer Regierungserklärung“ zu „AKTUELLE STUNDE VI/010 | Abgabe einer Regierungserklärung“ geändert.
  • tritt ans Rednerpult, blickt auf die Besuchertribüne, auf der der Bundespräsident platzgenommen hat, nippt dann kurz am Wasser und beginnt



    Sehr geehrter Herr Präsident,

    verehrter Herr Bundespräsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    nun ist es also doch soweit. Die Mitglieder des Bundestages nehmen an der Regierungserklärung der gewählten Bundeskanzlerin teil. Das geschah zuletzt vor genau vier Monaten. In den letzten beiden Legislaturen ist viel passiert. Während wir eigentlich genug mit der Eindämmung und Bekämpfung der Corona-Pandemie zu kämpfen haben, gab es diverse Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung und eine von der ehemaligen Bundespräsidentin ausgelöste Verfassungskrise. Umso mehr freut es mich, dass SDP und Grüne es nun geschafft haben, in einem Rekordtempo einen Koalitionsvertrag und eine handlungsfähige Regierung auf die Beine zu stellen – und das auch noch reibungslos.


    Die Tatsache, dass es in der letzten Legislatur eben keine handlungsfähige Regierung gab, stellt uns nun vor schwierige Herausforderungen. Es gibt keinen aktuellen Pandemieplan. Keine aktuelle Impfstoffkoordination. Keine den Umständen angepassten Maßnahmen. Keine fließenden Wirtschaftshilfen. Der gesamte Punkt „Pandemiebekämpfung“ steht einfach still. Und das ist nicht alles, vor Beginn der Pandemie stellten uns schon die Klimakrise oder auch der Pflegenotstand vor große Herausforderungen. Doch die Zeit steht nicht still, die Klimakrise nimmt keine Rücksicht auf neue Probleme. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, alle Herausforderungen, alle Krisen zu bekämpfen, denn sie laufen weiter. Es besteht Handlungsbedarf. Verlieren wir den Fokus, wird die Rechnung teuer.


    Während der Koalitionsverhandlungen ist es uns nun gelungen, eine gemeinsame, gute Grundlage zu schaffen, um den resultierenden Problemen den Kampf anzusagen. Das Augenmerk liegt dabei vorrangig erst einmal auf der Bekämpfung und Abfederung der Corona-Pandemie. Insbesondere, weil dieser Bereich in den letzten 12 Wochen mehr oder weniger einfach nur brach lag, hat dieser eine besondere Priorität.

    So einigten wir uns in der Koalition beispielsweise auf umfangreiche Wirtschaftshilfen für die Gastronomie und die eminent wichtige Kulturbranche. Ich glaube, wir sind uns hier einig, wenn ich sage, dass dieser nicht nur wichtige Wirtschaftszweig auch absolut unverzichtbar für die Gesellschaft ist. Dennoch sind insbesondere kulturschaffende Kleinkünstler von den Auswirkungen der Pandemie gefährdet. Um diesen Schaden abzufedern, einigten wir uns auf den Ausgleich der Verdienstausfälle in Höhe von 70%. Selbiges gilt für den Einzelhandel, Solo-Selbstständige und gefährdete Unternehmen.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch an unseren Studentinnen und Studenten oder Auszubildenden geht die Pandemie nicht folgenlos vorbei. Der Minijob im Restaurant, welcher zur Finanzierung des Studiums beiträgt, bricht beispielsweise in Gänze weg. Insbesondere sozial benachteiligte Studentinnen und Studenten oder Azubis trifft diese Pandemie ins Rückenmark. Das erkannten auch wir, so einigten wir uns in diesem Bereich für die Dauer der Pandemie auf die Erhöhung des BAföG-Satzes und der Berufsauszubildendenbeihilfe um 50%.


    Lassen Sie mich noch ein Wort zur Krankenhausfinanzierung sagen, dem womöglich größten Projekt dieser Koalition – meinem Herzensprojekt. Wir erleben einen Druck in den Kliniken, den Druck nach Profit. Das ist nicht erst seit den Fallpauschalen so, das war auch bei den Tagessätzen schon so. Die Nebenwirkungen dieser Profitorientierung sorgen für verfälschte Behandlungspläne, eine schlechtere Behandlungsqualität und ein gestörtes Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Dazu kommen absurde Personalentlassungen bei sowieso schon eng gestrickten Dienstplänen und Kosteneinsparungen bei der Ausstattung, was uns nun, während der Pandemie ebenfalls auf die Füße fällt. Diesem Problem möchten sich die Koalitionäre ebenso widmen. Wir haben uns darauf geeinigt, im Gespräch mit den Krankenkassen über eine monistische Krankenhausfinanzierung zu diskutieren. Nach Möglichkeit wollen wir die Entkommerzialisierung des Gesundheitswesens in dieser Legislatur beginnen, um den Ärzten endlich diesen Druck zu nehmen.


    Zwei weitere wichtige Mittel beim Thema Pandemiebekämpfung sind, wer hätte es gedacht, Impfen und Testen.

    In den nächsten Tagen möchten wir beispielsweise durch einen verbreiteteren Einsatz von Antigen-Schnelltests dafür sorgen, dass Hotspots frühzeitig erkannt und die weitere Ausbreitung verhindert werden kann. Bei einer konsequenten Umsetzung ergeben sich dadurch Öffnungsperspektiven für die kommenden Sommermonate.

    Auch bei der Impfpriorisierung wollen wir nachbessern. Dabei wollen wir insbesondere systemrelevante Berufe, wie den Einzelhandel im Lebensmittelsektor, in eine höhere Priorisierungsstufe einordnen. Auch die Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher sollen dabei bevorteilt berücksichtigt werden, um den Präsenzunterricht sorgenfreier zu gestalten.


    Zudem arbeiten das BMG und das BMI gerade an der Evaluierung und Überarbeitung bestehender Maßnahmen. Zeitgleich finden in der Ministerpräsidentenkonferenz Gespräche über eine mögliche Vereinheitlichung der Regelungen für eine bessere Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen statt. Lassen Sie mich dabei noch einmal unterstreichen, dass ich, als Parlamentarierin mit Leib und Seele, großen Wert auf parlamentarische Partizipation lege. Das letzte Wort haben die jeweiligen Landesparlamente und eben der Deutsche Bundestag. Daran wird sich in Zukunft nichts ändern. Insbesondere im Sinne der Transparenz freue ich mich auf die konstruktiven Diskussionen mit der Opposition über die Wege zur Bewältigung der Krise. Ich unterstelle uns jetzt allen einfach mal, dass uns dieses Ziel eint.


    Doch wie ich bereits ausführte, wird uns nicht nur die Pandemiebekämpfung beschäftigen. Wir haben im Koalitionsvertrag zudem ein ambitioniertes Programm zum Umwelt- und Klimaschutz. Ich denke dabei an die Novellierung des Klimaschutzgesetzes, oder die Förderung des Fahrrads. Doch der meiner Meinung nach wichtigste Punkt im Vertrag ist das in der Vergangenheit viel zu vernachlässigte Thema Wald und Wasser. Wir sind die erste Bundesregierung, die effektiven Gewässerschutz anstrebt. Hierzu wollen wir die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie massiv vorantreiben. Seit Jahren sind gerade einmal nur 7% der deutschen Fließgewässer in einem guten Zustand. In einem sehr guten Zustand sind sage und schreibe exakt 0,1% der Fließgewässer. Diesem Negativtrend wollen wir endlich entgegenwirken. Der erste Schritt soll die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sein, zu der sich Deutschland zwar verpflichtet hat, die Ziele des Gewässerschutzes verfehlen wir aber gerade zum zweiten Mal komplett.

    Ähnlich sieht es beim Wald aus: Wir wollen die Ökosystemleistung des Waldes näher in den Mittelpunkt stellen und die natürlichen Ökosysteme zum Beispiel durch Renaturierung, natürliche Verjüngung, und an ökologische Kriterien geknüpfte finanzielle Hilfen wiederherstellen. Damit lösen wir den Aspekt „Nutzfaktor“ des Waldes ein wenig im Diskurs und erweitern ihn um den wichtigen ökologischen Aspekt.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    auch Kinderarmut ist in Deutschland weiterhin ein Problem. Jedes 5. Kind in Deutschland wächst in Armut auf. 2,8 Millionen Kinder wachsen in einkommensarmen oder sozialleistungsempfangenden Familien auf. Und auch dieses Thema wurde in den Verhandlungen intensiv beraten und diskutiert. Unsere Antwort auf diesen Missstand: die Kindergrundsicherung. Unser Ziel ist es damit, insbesondere finanziell benachteiligte Familien besser und gerechter zu unterstützen. Die Kindergrundsicherung ersetzt dabei die bereits vorhandenen Leistungen und im Gesamten wird der Vorgang entbürokratisiert.


    Zudem haben wir das zu lange ignorierte Thema zur Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes im Koalitionsvertrag festgehalten. Das diskriminierende Transsexuellengesetz soll dabei endlich abgeschafft werden. Seit langem warten wir nun vergeblich auf die Abschaffung des diskriminierenden TSGs. In dieser Legislatur ist es nun endlich soweit. Dadurch gelingt uns ein großer Schritt für eine vielfältige Gesellschaft.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    es liegt viel Arbeit vor uns. Wir haben viel zu tun – insbesondere, um die vergangene Inaktivität bei der Krisenbewältigung nachzuholen, und ich bin dankbar über die kompetente Unterstützung im Kabinett. Das selbstgesetzte Ziel ist klar: der Koalitionsvertrag soll am Ende der Legislatur keine offenen Punkte enthalten. Nach Möglichkeit soll die Bilanz dann mehr Punkte enthalten, als wir im Vertrag vereinbart haben. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt. Dabei freue ich mich auf den konstruktiven Austausch hier im Bundestag oder in den Ausschüssen.



    Herzlichen Dank.

  • Schüttelt zum Teil angewidert sein Haupt.

    Dr. Christian Theodor Felix Reichsgraf Schenk von Wildungen

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages,

    Präsident des bayrischen Landtages a.D.

    Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt a.D.

    Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat des Freistaates Bayern a.D.

    Ministerpräsident des Freistaates Bayern a.D.


    "Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."

    Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

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  • Herr Präsident,


    ich beantrage die Debatte zu verlängern. Ich möchte mich gerne noch zu Wort melden.


    Vielen Dank.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    Liebe Frau Bundeskanzlerin,


    es tut mir sehr leid, aber ich muss meinen Redebeitrag leider abmelden. Ich freue mich bei den konkreten Fachdiskussionen dann dabei sein zu können und auch sonst, werde ich mich gerne mit Ihrer Regierungserklärung auseinandersetzen. Ich bitte um Verständnis!


    Vielen Dank!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)