XVII/028 Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung Algeriens, Georgiens, der Republik Moldau, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten

  • Hiermit eröffne ich die Debatte zu folgendem Antrag:


    Sie dauert 72 Stunden.

    Bundesminister Dr. Georg Gorski hat das Wort.

  • Toni Kamm

    Hat den Titel des Themas von „XVII/028“ zu „XVII/028 Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung Algeriens, Georgiens, der Republik Moldau, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten“ geändert.

  • Herr Präsident,

    werte Mitglieder des Bundestages,

    liebe Mitmenschen,


    dieser Gesetzesentwurf ist ein Armutszeugnis der aktuellen Regierung.


    Wir haben Kriege, Inflation, Klimawandel, Armut, Fachkräftemangel, Rezession, Extremismus, Diktatoren, wirtschaftliche Abhängigkeiten, Diskriminierung und so weiter. Diese Liste ließe sich scheinbar unendlich weit fortsetzen.


    Und was machen unser Innenminister und unsere Bundeskanzlerin? Gehen sie die Probleme an?


    Nein, stattdessen stufen sie weitere Länder als sichere Herkunftsländer ein.


    Darunter Länder, die Minderheiten (z.B. Homosexuelle), Oppositionelle und Journalisten verfolgen und foltern, wo Meinungsfreiheit und Demokratie nicht gewährleistet sind.

    Diese Menschenrechtsverletzungen werden bestätigt von zahlreichen Organisationen, wie Human Rights Watch, Amnesty International, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder dem Auswärtigen Amt.


    Es sollen also Länder, in denen Menschenrechte missachtet werden, als sichere Herkunftsländer betitelt werden?


    Das ist nicht nur Verharmlosung von diesen Methoden, sondern eine direkte Unterstützung dieser.


    Welches Zeichen sendet Deutschland damit in die Welt? Sind Menschenrechtsverletzungen weniger schlimm, nur weil sie in bestimmten Ländern passieren? Müssen bestimmte Länder sich nicht mehr an Menschenrechte halten? Akzeptieren wir Menschenrechte überhaupt noch als gemeinsame Grundlage oder sind sie uns gar vollends egal?


    Verehrte Mitmenschen, ich möchte an nichts geringeres appellieren als ihre Menschlichkeit. Ja, an jene Menschlichkeit, auf der unser gesamter Rechtsstaat, unsere Demokratie und unser Wertesystem errichet sind.

    Ich bitte Sie bei allem Respekt, rütteln Sie nicht an diesem gemeinsamen Fundament. Wenn wir anfangen, Menschenrechte nicht mehr als Rechte anzusehen oder unsere Augen bewusst zu verschließen, ist das ein Schritt in eine dunkle Vergangenheit.

    Diese Menschen brauchen unsere Hilfe und verdienen sie.


    Ich bitte Sie in Namen der Schwachen und Hilflosen, der Verfolgten und Verletzlichen, stimmen Sie gegen diesen Gesetzesentwurf. Und das ist ein Aufruf direkt an Ihr Gewissen. Egal, ob Sie gerade in einer Oppositions- oder Regierungsfraktion sitzen, egal ob links oder rechts: Lassen Sie ihr Herz sprechen und geben Sie allen Menschen die gleichen, fairen Chancen auf Asyl.


    Denn was wir uns immer wieder klar machen müssen: Jeder Mensch verdient, unabhängig von Herkunftsland, ein faires Asylverfahren, ohne im Vorraus schon als "offensichtlich unbegründet" abgestempelt zu werden. Denn Asyl ist und bleibt ein Menschenrecht, gerade für Menschen aus Ländern, in denen erwiesenermaßen Menschenrechte missachtet werden.


    Ich bedanke mich dafür, dass Sie mir zugehört haben. Und ich hoffe, dass Deutschland ebenso gut jedem einzelnen Flüchtling zuhören wird.

  • Ruft dazwischen:


    Herr Hacke, "nur" Menschenrechtsverletzungen sind kein Asylgrund! Lesen Sie mal die Genfer Konvention!

    Ruft zurück

    Herr Lefèvre, lesen Sie mal meine Rede durch! Verfolgung ist ein Asylgrund und dies habe ich ganz konkret genannt.

  • Ruft zurück

    Herr Lefèvre, lesen Sie mal meine Rede durch! Verfolgung ist ein Asylgrund und dies habe ich ganz konkret genannt.

    Falsch. Nicht Verfolgung per se. Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung beispielsweise nicht. Auch ein bloßes Nichtvorhandensein von Demokratie nicht. Asylgründe sind ganz klar definiert als ethnische, religiöse und politische Verfolgung, sowie eine solche aufgrund des Geschlechtes. Wohlgemerkt nicht aufgrund sogenannter "Geschlechtsidentität" was das auch immer sein soll.

    Und warum zitierten Sie in Ihrer Rede eigentlich mit Amnesty International eine zutiefst antisemitische Organisation?

    Ich identifiziere mich als Milliardär, Pronomen gimme/money

  • Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung beispielsweise nicht.

    Um den Europäischen Gerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2013 zu zitieren "Homosexuelle Asylbewerber können eine bestimmte soziale Gruppe bilden, die der Verfolgung wegen ihrer sexuellen Ausrichtung ausgesetzt ist". Dies fällt dann auch wieder unter die Genfer Flüchtlingskonvention, die nämlich Verfolgung auch als Asylgrund beschreibt, wenn sie wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe geschieht.


    und politische Verfolgung

    Über diese habe ich übrigens auch geredet, nur dass Sie bescheid wissen.

  • Um den Europäischen Gerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2013 zu zitieren "Homosexuelle Asylbewerber können eine bestimmte soziale Gruppe bilden, die der Verfolgung wegen ihrer sexuellen Ausrichtung ausgesetzt ist". Dies fällt dann auch wieder unter die Genfer Flüchtlingskonvention, die nämlich Verfolgung auch als Asylgrund beschreibt, wenn sie wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe geschieht.

    Da ist dem Gerichtshof - wie so oft - ein krasses Fehlurteil unterlaufen. Homosexualität oder welche Sexualität auch immer ist doch keine soziale Gruppe, sondern ein zutiefst individuelles Verhalten. Mit der Definition kann man ja jedes Verhalten eines Menschen zu einer "sozialen Gruppe" erklären. Sie essen gerne Salat? Soziale Gruppe. Sie lesen gerne Krimis? Soziale Gruppe. Sie spielen Gitarre? Soziale Gruppe. Was für ein hanebüchener Unsinn.

    Außerdem spricht das besagte Urteil lediglich von mit Haftstrafe bewehrter Homosexualität als Grund, und auch nur dann, wenn diese [Strafen] verhängt werden. Weder von Verfolgung aufgrund der Sexualität allgemein, noch der von Homosexualität im Speziellen ist die Rede.

    Ich identifiziere mich als Milliardär, Pronomen gimme/money

  • Da ist dem Gerichtshof

    Wo wir schon bei Gerichtsurteilen sind: Das Bundesverfassungsgericht hat 1996 entschieden, dass Länder nur als sicher eingestuft werden dürfen, wenn dort "Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen besteht". Da dies nicht der Fall ist, wirft es natürlich die Frage auf, ob eine entsprechende Einstufung überhaupt zulässig ist.

  • Herr Präsident,


    ich danke dem Bundesinnenminister für die Einbringung des nun vorliegenden Antrags in den Gesetzgebungsprozess. Wir brauchen in der Migrationspolitik dringend mehr Ordnung, mehr Steuerung, klare Regeln und schnellere Verfahren. Dieser Antrag kann einen Beitrag dazu leisten. Es ist nicht das erste Mal, dass der Deutsche Bundestag sich mit dieser Thematik beschäftigt. Bereits 2016 erklärte das Parlament auf Initiative der damaligen Großen Koalition Zustimmung zur Einstufung Algeriens, Marokkos und Tunesiens als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten. 2019 stimmte ebenfalls eine Mehrheit der Parlamentarier der Einstufung von Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten zu. Eine weitere Initiative der Großen Koalition. Schließlich wurden die drei Maghreb-Staaten 2022 zum dritten Mal durch den Deutschen Bundestag als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Der damalige Allianz-Abgeordnete Dennis Willenburg brachte den Antrag ein. Erstmals vereinte ein Antrag aus den Reihen der Opposition die Mehrheit zu dieser Thematik hinter sich. Zuvor gab es zudem viele weitere gescheiterte Initiativen, beispielsweise seitens der ehemaligen FDP oder seitens des BUW. Doch im Herbst 2022 erklärten auch Vertreter der damaligen Bundesregierung ihre Zustimmung, darunter der sozialdemokratische Kanzler Jan Friedländer und die grüne Vizekanzlerin Dr. Irina Christ. Der einzige Unterschied zum heutigen Antrag ist, dass nun auch Georgien und die Republik Moldau als sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollen.


    Die beiden Länder verfügen über eine Perspektive für einen Beitritt zur Europäischen Union. Es ist daher richtig und sinnvoll, auch diese Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Die Einstufung der gelisteten Staaten als sichere Herkunftsstaaten verbessert die Möglichkeit, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten rascher zu bearbeiten und im Falle der Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet den Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland schneller zu beenden. Damit wird zugleich der Anreiz für eine Asylbeantragung aus nicht asylrelevanten Gründen reduziert. Es scheint in allen fünf Staaten gewährleistet, dass dort generell, systematisch und durchgängig weder Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind. Auch die Schutzquoten im Asylverfahren sprechen für dieses Ergebnis. Dass in Einzelfällen eine Schutzgewährung erfolgt, steht einer Einstufung als sichere Herkunftsstaaten auch deshalb nicht entgegen, weil die damit verbundene Vermutung der Verfolgungssicherheit widerlegbar ist. Die Einstufung der genannten Staaten als sichere Herkunftsstaaten erfüllt die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Anhangs I der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes. Die Einstufung würde die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Verwaltungsgerichten beschleunigen sowie Länder und Kommunen entlasten.


    Jan Friedländer und Dr. Irina Christ haben die dringende Notwendigkeit dieser Maßnahme offensichtlich erkannt. Doch die Beiden sind bei weitem nicht die einzigen prominenten Vertreter ihrer politischen Lager, die dieses Vorhaben unterstützen. In den Reihen der Sozialdemokraten ist das nicht verwunderlich, bedenkt man, dass diese zweimal gemeinsam mit den Christdemokraten für die Einbringung verantwortlich waren. „Ich sehe grundsätzlich keinen Grund, warum abgelehnte Asylbewerber nicht dorthin zurückkehren sollten“, erklärte zum Beispiel Aydan Özoguz, die ehemalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, 2017 in Bezug auf die Maghreb-Staaten. „Die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus den drei Maghreb-Staaten ist äußerst gering, zum Teil liegt sie unter einem Prozent“, hob der frühere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hervor. Außerdem bedeutet die Einstufung als sichere Herkunftsländer nicht, dass das Recht auf Asyl für Menschen aus diesen Staaten wegfällt. „Nur müssen die Betroffenen belegen, dass sie wirklich politisch verfolgt werden“, stellte der ehemalige Vizekanzler treffend fest. Auch der ehemalige Außenminister und spätere Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte seine Zustimmung zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. „Wir können die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen in Not nur erhalten, wenn wir auch glaubhaft daran arbeiten, Verfahren zu beschleunigen und bei denjenigen, die keine Chance auf Anerkennung haben, Klarheit schaffen“, erklärte er und warb dafür, noch weitere Länder in die Liste aufzunehmen. 2017 verfügten beispielsweise auch Tansania, Benin, Guinea-Bissau, die Zentralafrikanische Republik, Tschad, Kolumbien, Kuba, Vietnam, Indien und Kenia über Anerkennungsquoten unter fünf Prozent. Auf viele dieser Länder und weitere trifft dies auch heute noch zu.


    Die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles erklärte treffend: „Menschen, die weder geduldet noch als Asylbewerber anerkannt werden, müssen schneller Klarheit haben, dass sie nicht bleiben können und zurückgebracht werden. Wer Schutz braucht, ist willkommen. Aber wir können nicht alle bei uns aufnehmen“. Und auch Winfried Kretschmann erklärte seine Unterstützung für die Maßnahme: „Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden“, sagte er und seine Landesregierung stimmte im Bundesrat für das Vorhaben. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund erklärte seine Unterstützung und fordert aktuell weiterhin eine Kursänderung in der Migrationspolitik. „Es entspricht einer seit langem erhobenen Forderung des Verbandes, die sogenannten Maghreb-Staaten Tunesien, Marokko und Algerien sowie weitere Staaten, die die Voraussetzungen erfüllen, zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Einstufung führt nachweislich zu einer Beschleunigung der Asylverfahren sowie im Falle der Ablehnung zu einer zügigen Rückführung in die Herkunftsländer. Dies lässt eine deutliche Entlastung der Kommunen erwarten und ermöglicht es ihnen, sich wieder stärker auf diejenigen Asylbewerber und Geflüchteten mit Bleibeperspektive zu konzentrieren.“ Der Deutsche Landkreistag begrüßt es ebenfalls, dass die Rückführungsoffensive Gestalt annimmt. Auch Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft und der Gewerkschaft der Polizei erklären ihre Zustimmung, fordern aber zugleich weitere Maßnahmen und Befugnisse zur Zurückweisung an den Grenzen. Dass der Antrag nicht alleine zur Lösung der Probleme führen wird, ist klar. Doch er kann zur massiven Entspannung der Lage beitragen. Daher werbe ich dafür, dass der Bundestag zum vierten Mal seine Zustimmung erklärt - und dieses Mal auch der Bundesrat.