Pressemitteilung Nr. 3/2021 vom 8. Januar 2021

Eilanträge zum Organstreitverfahren Fraktion der SDP und Abgeordneter Schmidt ./. Bayerischer Ministerpräsident und zur Normenkontrolle bezüglich § 3b Thüringer Coronamaßnahmenverordnung

Pressemitteilung Nr. 3/2020 vom 8. Januar 2021


1. zum Beschluss des Obersten Gerichts vom 5. Januar 2021
3 BvQ 3/20


2. zum Beschluss des Obersten Gerichts vom 6. Januar 2021

3 BvQ 4/20



1. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren der Fraktion der SDP, und des Abgeordneten Jonathan Schmidt gegen den Bayerischen Ministerpräsidenten


Sachverhalt:


Die Antragsteller beantragten im Wege der einstweiligen Anordnung es dem Bayerischen Ministerpräsidenten zu verbieten das Gesetz zur Einführung eines Klimaschutzpreises für mittelständische Unternehmen auszufertigen bzw. hilfsweise dieses außer Vollzug zu setzen. Dazu beantragten sie es festzustellen, dass der Bayerische Landtagspräsident dazu verpflichtet ist, die Debatte solange offen zu halten, bis sich der mehrfach herbeizitierte Ministerpräsident zum Debattengegenstand äußert. Grund der Klage war, dass der Bayerische Ministerpräsident Walter Schaal es verpasste der mehrfachen Herbeizitierung durch den Landtag nachzukommen.



Die Anträge wurden abgewiesen. Allen voran fehlte es den Antragstellen an dem benötigten Rechtsschutzbedürfnis.



Wesentliche Erwägungen des Senats:


1. Die Antragsteller könnten beim Landtagspräsidium schlicht darauf hinwirken, dass die Debatte so lange geöffnet bleibt, bis der Antragsgegner seiner Pflicht nachkomme. Rechtsschutz durch eine einstweilige Anordnung benötigen die Antragsteller hierfür nicht. Insbesondere kommt der Senat zu diesem Ergebnis, da eine einstweilige Anordnung einen schwerwiegenden Eingriff in die Parlamentsautonomie darstellt, der im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt ist. So ist eine einstweilige Anordnung grundsätzlich das letzte aller Mittel, mit dem ein im Organstreitverfahren antragsberechtigtes Organ seine Rechte durchsetzen kann. Es ist fundamental, dass alle anderen denkbaren und milderen Mittel und Wege zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte erschöpft worden sind.


2. Auch sind die Anträge abzuweisen, da sie teilweise dem vorbeugenden Rechtsschutz dienen und teilweise darauf abzielen den Antragsgegner zu einem gewissen Unterlassen zu verpflichten. Eine solche Rechtsfolge kann im Organstreitverfahren generell nicht erwirkt werden, da dies lediglich der Feststellung dient, ob ein Verfassungsorgan die Rechte der Antragsteller verletzt hat. Die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes obliegt dem Verfassungsorgan selbst. Kann eine Rechtsfolge schon im Hauptsacheverfahren nicht erzielt werden, so ist grundsätzlich auch einem entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht stattzugeben. Auch kann eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht dem vorbeugenden Rechtsschutz dienen, sondern lediglich zur temporären Sicherung eines organschaftlich strittigen Rechts. Ausnahmen von diesen Grundsätzen seien nur in Ausnahmefällen zu machen. Ein solcher Ausnahmefall liegt im vorliegenden Verfahren nicht vor.



Die mündliche Verhandlung zum Hauptsacheverfahren startet am Sonntag, 10. Januar 2021 um 20:00 Uhr.



Das vollständige Urteil zum Nachlesen gibt es hier:

3 BvQ 3-20 - SDP Bayern, Jonathan Schmidt .-. Bayerischer Ministerpräsident.pdf



2. Normenkontrollantrag bezüglich § 3b der Thüringer Coronamaßnahmenverordnung



Sachverhalt:


Der Antragsteller beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung das Außervollzugsetzen des § 3b der dritten Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2. Die Verordnung sei sowohl materiell als auch formell verfassungswidrig. Den Erlass der einstweiligen Anordnung rechtfertige vor allem der schwerwiegende und irreversible und dazu verfassungswidrige Eingriff in die Grundrechte der Thüringer Bevölkerung.



Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung wurde stattgegeben. Die angegriffene Verordnung wurde vom Obersten Gericht folglich bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.



Wesentliche Erwägungen des Senats:


1. Grundsätzlich gilt es bei der Prüfung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die sog. Doppelhypothese zu beachten. Das heißt, das Gericht prüft, welche Folgen eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung ergehen würde, sich der Hauptsacheantrag sich jedoch später als unbegründet erweist - und umgekehrt. Dieser Grundsatz kann jedoch unbeachtet bleiben, wenn der Antrag im Hauptsacheverfahren offensichtlich begründet ist und hierüber keine Zweifel bestehen. Ist dies der Fall, so ist es in jedem Fall geboten, die einstweilige Anordnung zu erlassen, sofern der Antrag geeignet erscheint, um das vom Antragsteller beantragte Rechtsschutzziel zu erwirken. Würde die einstweilige Anordnung im Falle eines offensichtlich begründeten Hauptsacheverfahrens nicht ergehen, so würde dies einen "schweren Nachteil" für das gemeine Wohl darstellen, womit auch eine hinreichende Voraussetzung für den Erlass der einstweiligen Anordnung gegeben ist.


2. Der Antrag im Hauptsacheverfahren ist im vorliegenden Fall offensichtlich begründet, da die angegriffene Verordnung überhaupt keine Ermächtigungsgrundlage benennt. Es kann dabei offen bleiben, ob überhaupt eine geeignete Ermächtigungsgrundlage existiert bzw. welche das wäre, da aufgrund des gänzlichen Fehlens einer solchen Grundlage die Verfassungswidrigkeit der Verordnung schon besiegelt ist, da sie offensichtlich gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstößt. Dementsprechend ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben.



Anm.: Die Entscheidung, ob die Verordnung formell oder materiell gegen weitere grundgesetzliche Normen verstößt, wird erst im Hauptsacheverfahren gefällt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren haben nämlich die vom Antragsteller benannten Gründe für die behauptete Verfassungswidrigkeit grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, sofern der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist.



Das vollständige Urteil zum Nachlesen gibt es hier:

3 BvQ 4-20 - § 3b Thüringer Coronaverordnung.pdf


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