Oberstes Gericht - Pressemitteilung Nr. 2/2020 vom 19. Dezember 2020

Normenkontrollanträge bezüglich Coronamaßnahmenverordnung in Thüringen und Pyrotechnikverbotsverordnung in Bayern

Pressemitteilung Nr. 2/2020 vom 19. Dezember 2020


1. zum Beschluss des Obersten Gerichts vom 14. Dezember 2020
3 BvQ 2/20


2. zum Beschluss des Obersten Gerichts vom 18. Dezember 2020

3 BvF 3/20



In der vergangenen Woche hat das Oberste Gericht zwei Beschlüsse zu den Klagen von Herrn Dr. Konrad Wolff veröffentlicht. Dabei wurde einerseits das Außervollzugsetzen der Bayerischen Pyrotechnikverbotsverordnung im Zuge einer einstweiligen Anordnung und andererseits die Verwerfung der Anträge bezüglich der Thüringer Coronamaßnahmenverordnung beschlossen.



1. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Außervollzugsetzung der Bayerischen Pyrotechnikverbotsverordnung



Sachverhalt:


Der Antragsteller beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung das Außervollzugsetzen der Bayerischen Pyrotechnikverbotsverordnung. Diese verstoße in offensichtlicher Weise gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Die entsprechende Verordnung wurde vom Bayerischen Innen- und Justizminister am 16. Dezember erlassen.



Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung wurde stattgegeben. Die angegriffene Verordnung wurde vom Obersten Gericht folglich bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.



Wesentliche Erwägungen des Senats:


1. Grundsätzlich richtet sich die Zulässigkeit eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach der Zulässigkeit des Hauptsacheverfahrens. Dabei ist es jedoch bei der Prüfung der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass der einstweiligen Anordnung ausreichend, wenn es zumindest möglich erscheint, dass das Hauptsacheverfahren zulässig ist bzw. bei einem isoliertem Antrag, ein zulässiges Hauptsacheverfahren folgen könnte. Die umfassende Prüfung der Zulässigkeit erfolgt folglich erst im Hauptsacheverfahren. Trotz nicht vollständig ausgeräumten Zweifeln an der Antragsberechtigung des Antragstellers ist der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung somit zulässig.


2. Grundsätzlich gilt es bei der Prüfung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die sog. Doppelhypothese zu beachten. Das heißt, das Gericht prüft, welche Folgen eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung ergehen würde, sich der Hauptsacheantrag sich jedoch später als unbegründet erweist - und umgekehrt. Dieser Grundsatz kann jedoch unbeachtet bleiben, wenn der Antrag im Hauptsacheverfahren offensichtlich begründet ist und hierüber keine Zweifel bestehen. Ist dies der Fall, so ist es in jedem Fall geboten, die einstweilige Anordnung zu erlassen, sofern der Antrag geeignet erscheint, um das vom Antragsteller beantragte Rechtsschutzziel zu erwirken. Würde die einstweilige Anordnung im Falle eines offensichtlich begründeten Hauptsacheverfahrens nicht ergehen, so würde dies einen "schweren Nachteil" für das gemeine Wohl darstellen, womit auch eine hinreichende Voraussetzung für den Erlass der einstweiligen Anordnung gegeben ist.


3. Der Antrag im Hauptsacheverfahren ist im vorliegenden Fall offensichtlich begründet, da die angegriffene Verordnung überhaupt keine Ermächtigungsgrundlage nennt. Es kann dabei offen bleiben, ob überhaupt eine geeignete Ermächtigungsgrundlage existiert bzw. welche das wäre, da aufgrund des gänzlichen Fehlens einer solchen Grundlage die Verfassungswidrigkeit der Verordnung schon besiegelt ist, da sie offensichtlich gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstößt. Dementsprechend ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben.



Das vollständige Urteil zum Nachlesen gibt es hier:

3 BvQ 2-20 - Einstweilige Anordnung gegen Pyrotechnikverbots-Verordnung (BY).pdf





2. Normenkontrollantrag bezüglich der Thüringer Coronamaßnahmenverordnung



Sachverhalt:


Der Antragsteller beantragt festzustellen, dass die Thüringer Coronamaßnahmenverordnung gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstößt und die Verordnung folglich für nichtig zu erklären. Weiters beantragte er im Wege der einstweiligen Anordnung, analog zur Klage gegen die Bayerische Pyrotechnikverbotsverordnung, das Außervollzugsetzen der Verordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Die entsprechende Verordnung wurde von geschäftsführenden Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen am 16. Dezember erlassen. Sie trat jedoch noch am selben Tage wieder außer Kraft, da die Landesregierung eine zweite Verordnung erlassen hat, welche das Außerkrafttreten der ersten Verordnung vorsieht. Entsprechend beantragt die Thüringer Landesregierung das Einstellen des Verfahrens, da die angegriffene Verordnung keine Rechtskraft mehr entfalte.



Der Normenkontrollantrag wurde vom Obersten Gericht verworfen. Damit wurde auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinfällig.



Wesentliche Erwägungen des Senats:


1. Im Gegensatz zu den meisten anderen gerichtlichen Verfahren, bedarf es zur Zulässigkeit einer abstrakten Normenkontrolle keines Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers, da dieses nicht der Durchsetzung von subjektiven Interessen dient, sondern der objektiven Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm. Jedoch muss, analog zum Rechtsschutzbedürfnis, ein "besonderes objektives Klarstellungsinteresse" des Antragstellers vorliegen. Dieses liegt, wie auch im vorliegenden Fall, meist schon dann vor, wenn der Antragsteller davon ausgeht, dass eine bestimmte Norm mit dem Grundgesetz oder höherrangigem Recht unvereinbar und somit nichtig ist.


2. Außer Kraft getretene Gesetze stellen grundsätzlich einen tauglichen Gegenstand eines abstrakten Normkontrollverfahrens dar. In diesem Fall besteht das Klarstellungsinteresse des Antragstellers jedoch nur fort, wenn die angegriffene Norm noch Rechtswirkung entfaltet. Beispiel hierfür wäre die Anhänglichkeit von gerichtlichen Verfahren. Die vom Antragsteller angegriffene Verordnung entfaltet jedoch keinerlei Rechtswirkung mehr, weshalb das Klarstellungsinteresse und somit die Antragsbefugnis des Antragstellers nicht fortbesteht. Der Antrag ist folglich unzulässig.


Das vollständige Urteil zum Nachlesen gibt es hier:

3 BvF 3-20 - Normenkontrolle bezüglich Corona-Verordnung (Thüringen).pdf

    Kommentare