XV/011 Gesetz zu dem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten

  • Hiermit eröffne ich die Debatte zur Drucksache XV/011.

    Die Debatte dauert 72 Stunden.


    Ich erteile dem Bundesminister Herr von Hohenelmen-Lützburg das Wort.

  • Der Bundesminister schreitet erneut mit selbigem Schriftstück an das Rednerpult....


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    verehrte Kolleginnen und Kollegen,


    am 21. September 2017 ist CETA vorläufig in Kraft getreten. Die vorläufige Anwendung gilt jedoch nur für die Bereiche, die unstreitig in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU liegen. Manche Teile des Abkommens sind in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten verblieben. Es handelt sich somit um ein gemischtes Abkommen. Damit CETA vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten aller EU-Mitgliedstaaten gemäß den jeweiligen verfassungsrechtlichen Anforderungen ratifiziert werden.


    Zu den Regelungen, die erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft treten, gehören unter anderem die Regelungen zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten durch ein öffentlich legitimiertes Investitionsgericht. Der Deutsche Bundestag bekräftigte am 22. September 2016 mit deutlicher Mehrheit den positiven Nutzen von CETA.


    Bereits 15 EU-Mitgliedstaaten haben das Abkommen ratifiziert: Dänemark, Estland, Finnland, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Spanien und Tschechien. Der Europäische Gerichtshof hat im Jahr 2019 entschieden, dass der Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus des CETA kompatibel mit EU-Recht ist. Auch die Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten wurde durch ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2017 bereits beantwortet.


    Das Abkommen ermöglicht den Abbau von Marktzugangshindernissen und verhindert, dass deutsche und europäische Unternehmen beim Marktzugang in Kanada gegenüber anderen Industrieländern Wettbewerbsnachteile erleiden. Hiervon kann besonders die exportstarke und breit aufgestellte deutsche Wirtschaft profitieren und dadurch ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Zudem leistet CETA einen wichtigen Beitrag zum Ausbau und der Vertiefung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Lassen Sie uns daher den Ratifizierungsprozess anstreben und gemeinsam dieses wichtige Gesetz verabschieden!


    Herzlichen Dank!

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    Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen

    Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen


  • *tritt für die I:L-Fraktion ans Rendner*innenpult und nimmt einen Schluck Wasser*

    Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,


    Der über 2.000 Seiten starke Vertragstext gliedert sich in 30 Kapitel und doch sollen wir ihn mal eben ratifizieren.
    Bei CETA handelt es sich, wie beim TTIP-Abkommen mit den USA, um ein Handelsabkommen der neuen Generation.
    Das heißt, im Gegensatz zu klassischen Freihandelsabkommen spielen Zölle nur noch eine Nebenrolle. Diese sind zwischen Kanada und der EU ohnehin bereits auf sehr niedrigem Niveau.
    Vielmehr geht es um den Abbau so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse; also um unterschiedliche Regulierungen und Zulassungsverfahren, von denen man annimmt, dass sie den Waren- und Dienstleistungshandel behindern. Dabei geht es allerdings nicht nur um Produktregulierungen wie die Farbe von Autoblinkern, sondern auch und vor allem um Regeln des Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzes. Diese sollen im Sinne von Konzerninteressen geschleift werden. Zwar befassen sich einige Kapitel in CETA mit nachhaltiger Entwicklung, Umwelt und Arbeitnehmerrechten. Verbindliche, einklagbare Schutzrechte sind jedoch nicht enthalten.
    Starke Durchsetzungsmöglichkeiten gibt es hingegen im Bereich der besonders umstrittenen Investorenrechte (Kapitel 8). Die vereinbarten Marktzugangsregeln für Investoren untersagen unter anderem die Bevorzugung kommunaler Anbieter bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die Verweigerung von Konzessionen für große Ketten zum Schutz lokaler Einzelhändler, staatliche Subventionen, bspw. zur Gewährleistung eines öffentlichen Bildungsangebotes usw. Sollten diese Regeln verletzt werden, hätten Investoren die Möglichkeit, vor Schiedsgerichten Schadensersatz einzuklagen. Die Erfahrung mit bestehenden Abkommen hat gezeigt, wie willkürlich derartige Klagerechte eingesetzt werden, um Umweltstandards, Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz zu attackieren.


    Auch öffentliche Dienstleistungen geraten durch die Investorenrechte und weitere Liberalisierungsvorschriften in Gefahr. Zwar gibt es im Anhang eine Liste mit ausgenommen Bereichen. Diese ist allerdings als Negativliste aufgebaut, was bedeutet, dass alle Bereiche erfasst sind, die nicht explizit ausgenommen werden – auch Bereiche, die erst in Zukunft entstehen, unterliegen so automatisch den CETA-Regeln. Vereinbarungen, nach denen öffentliche Unternehmen profitorientiert arbeiten müssen, erhöhen zudem den Privatisierungsdruck. So genannte Sperrklinkenklauseln machen es extrem schwer, einmal privatisierte Dienstleistungen wieder zu vergesellschaften. Das könnte gerade im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge zu einem großen Problem werden.

    Die Internationale Linke lehnt derartige Abkommen ab. Wir stehen für eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik. Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherschutz müssen Vorfahrt haben, vor privaten Profitinteressen.

    Ich danke Ihnen

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    die Bundesregierung legt uns am heutigen Tag alte Kamellen aus dem Jahre 2016 vor. Es geht um die Zertifizierung von CETA. Ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada soll einen gut florierenden Handel zwischen den Vertragspartnern bewirken und soll vor allem dem Mittelstand zugute kommen. Doch das ist nicht alles, denn mit irgendetwas müssen die 2000 Seiten ja gefüllt sein und deshalb finden ich es eine Sauerei, dass die Bundesregierung so tut als, ob es sich hier bei der Zertifizierung um einen reinen formalen Akt geht, was falsch ist, wie sich im Kommenden zeigen wird.


    Doch diese Abkommen ist eine Gefahr für all diejenigen, denen es eigentlich helfen helfen sollte. Die Klauseln, die im Entwurf von Oktober 2016 stehen, stärken weder den Mittelstand noch die Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich von dem Abkommen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation erhoffen.


    Dieses Abkommen wurde vom EU – Parlament bereits verabschiedet und auch wir sind gerade dabei diesen Schritt zu gehen. Uns muss bewusst sein, dass wir Bundestagsabgeordnete in Deutschland bei der Weiterentwicklung diese Abkommens vermutlich nie mehr irgendwas zu entscheiden haben werden, wenn dieses Abkommen einmal von uns verabschiedet wird. Selbst wenn dieses Abkommen von uns heute verabschiedet wird, verhandelt lediglich die EU - Kommission und Kanada über eine Veränderung oder Weiterentwicklung des Abkommens und nicht wir, wie es eigentlich in einem demokratischen Staat der Fall sein sollte. Änderungen in den Regularien würden stattdessen von nicht gewählten und nicht legitimierten transatlantischen Gremien übernommen werden. Was ist, wenn in diesen Regularien etwas drin steht, was uns aus welchen Gründen auch immer nicht gefällt. Was ist, wenn auf einmal europäische Standards umgangen werden können und so der europäische Markt mit billigen, minderwertigen oder gesundheitlich bedenklichen Waren aus Kanada überschwemmt wird. In diesem Fall können wir absolut nichts dagegen tun, auch wenn wir hier im Bundestag entsprechende Mehrheiten hätten. Ich will den Bundeskanzler dann sehen, wenn er uns und den Bürgerinnen und Bürgern erklären muss, warum es auf einmal gechlortes Hähnchen im Supermarkt gibt, obwohl einem der gesunde Menschenverstand sagt, dass das wohl ungesund sein könnte. Eine Entmündigung des deutschen Bundestags in so zentralen Fragen der Weiterentwicklung des CETA Abkommens werden wir nicht tolerieren, denn wir sind der Meinung, dass einzig und allein der deutsche Bundestag dazu legitimiert ist, über Änderungen am CETA Abkommen zu entscheiden.


    Doch nicht nur die Entmündigung des deutschen Bundestages ist ein Problem, sondern auch das Übergehen des deutschen Mittelstandes sehen wir äußert kritisch. Ich wundere mich persönlich darüber, dass es die Grünen braucht, um auf die Vernachlässigung des Mittelstandes hinzuweisen. Ich habe ja bis gerade eben gedacht, dass die konservative Koalition wie keine zweite für den Mittelstand kämpft. Zum einen besteht ein Klagemöglichkeit gegen bestimmte Regularien, die das Geschäft hemmen. Doch diese Entscheidungen werden durch spezielle Schiedsgerichte gefällt werden und nicht vor den entsprechenden bereits bestehenden Gerichten entschieden werden. Nachdem solche Investor-Staat-Schiedsgerichten aber spezielle Regularien haben, können nur Unternehmen klagen, die entsprechende Ressourcen haben, um überhaupt erst mal Klagen zu können. Doch ich frage mich, ob der kleine Installateur, der bei mir zu Hause die Löcher in der Leitung stopft, überhaupt die Ressourcen dazu hat. Die Ressourcen werden vermutlich nur von großen Unternehmen aufgebracht werden können. Der Mittelstand hingegen fällt hinten runter und muss sich dem Diktat der großen und mächtigen Unternehmen beugen, was zweifelsfrei den Mittelstand schwächen wird und das Geld in den Taschen der Großkonzerne vermehren wird. Auch wird es vermutlich zu Problem bei der Transparenz kommen, denn diese Schiedsgerichte verhandeln hinter verschlossen Türen, was der Korruption und illegalen Einflussnahme Tür und Tor öffnen wird. Der Bäcker, der mir meine Brezn verkauft, wird also nie auch nur einen Hauch von Chance haben gegen irgendeine Regulierung, die von den Großen erlassen wird und das ist erschreckend.

    Der Mittelstand wurde von der konservativen Koalition geopfert, damit die Großkonzern weiter fleißig Geld verdienen können, was dann am Ende am Fiskus vorbei geschleust wurde. Die Bundesregierung erschafft also eine klassische lose-lose Situation für alle außer die Großkonzerne, für die gibt es nämlich einen saftigen Bonus. Warum die Bundesregierung den Großkonzernen einen Bonus gönnt, bleibt bis auf weiteres offen.


    Wenn wir gerade bei den Großkonzernen sind bietet es sich an über das Arbeitsrecht zu sprechen, was auch in dem Abkommen geregelt wird. Wie oben bereits beschrieben werden die Großkonzerne in der Lage sein gegen Arbeitsrechtsvorschriften klagen zu können. Wie jeder weiß macht es nämlich einen Unterschied, ob ein Unternehmen Mindestlohn oder vernünftige Löhne zahlt. Wenn man bei gleichbleibender Produktion deutlich gesenkte Lohnkosten hat, hat man am Ende nämlich viel mehr Gewinn, als mit unserem Arbeitsrecht, sodass auf jeden Fall eine Geschäftshemmung festgestellt werden kann und der ausländische Investor klagen. Andersrum geht es natürlich nicht, denn die Arbeitnehmer können ja nicht klagen, sodass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer voll und ganz von ausländischen Investoren und deren Vorstellung von ihrem Gewinn abhängig sind. Zur Entmündigung des Bundestages und der Gerichte kommt also jetzt auch noch die Möglichkeit zur Abschaffung des Arbeitsrechts, für das die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften solange gekämpft haben.


    Jetzt kann man natürlich einwenden, dass natürlich ILO Kernarbeitsnormen in CETA vereinbart sind. Das ist natürlich richtig, aber wer das kleingedruckte ließt, der weiß, dass es keine Sanktionen gegen den Verstoß der Kernarbeitsnormen gibt, da das Kapitel Handel und Arbeit, Umwelt und nachhaltiger Entwicklung von den Sanktionen ausgenommen ist. Wenn ein Unternehmen also union busting betreiben würde, hätte es keine Konsequenzen zu befürchten, weil keine angedacht sind. Jeder weiß, dass Werte ohne entsprechende Normen wirkungslos sind und das trifft mich zu tiefst, weil es wirft uns zurück in eine Zeit, in der es kein Arbeitsrecht gab und die wir schon lange überwunden hatten. Wer Unternehmen Macht gibt, der muss damit rechnen, dass diese Macht auch ausgenutzt wird.


    Ich möchte mit einer alten Diplomatenweisheit schließen, welche besagt, wer nicht am Verhandlungstisch sitzt, der steht auf der Speisekarte. Am Tisch des CETA Abkommens sitzen in erster Linie ausländische Investoren und der Rest also der Mittelstand, der Bundestag, die deutschen Gerichte und die Arbeiterschaft stehen auf der Speisekarte. Die konservative Koalition setzt uns höchstpersönlich für ihre reichen Großspender auf die Karte. Was aus dem Mittelstand, unserer Demokratie und der Arbeiterschaft wird ist der Bundesregierung in diesem Fall völlig egal, denn es ist naive zu glauben, dass sich alle Großkonzerne an umgehbare Regel halten und das sie ihre neu gewonnene Macht nicht dazu nutzen, um die Konkurrenz durch den Mittelstand zu eliminieren. Wir werden das nicht zu lassen und gegen diesen Gesetzentwurf stimmen, weil wir wissen wer uns gewählt hat, nämlich die hart arbeitenden Bürgerinnen und Bürger, die nicht wollen, dass ihre Gesundheit oder ihr Arbeitsrecht verramscht wird.