Die Aktivitätswertung im bisherigen Wahlsystem hat verschiedene Nachteile. Im Folgenden möchte ich diese Nachteile aufzeigen und dann ein Konzept vorschlagen, um die Probleme zu lösen.
Zunächst mal eine aktuelle Wahlprognose (Daten von Ende letzter Woche) unter Anwendung der bisher gültigen Aktivitätswertung:
Partei | Ergebnis nach Stimmen in % | Ergebnis inkl. Aktivität und Zufall in % * | Abweichung vom Stimmenergebnis in % |
FORUM | 25,5 | 21,6 | –15,5 |
SDP | 27,7 | 22,4 | –19,1 |
Grüne | 14,9 | 13,9 | –6,6 |
KonP | 23,4 | 19,8 | –15,5 |
V! | 6,4 | 14,2 | +122,3 |
UWL | 2,1 | 8,2 | +284,7 |
* Für den Zufallsanteil wird eine gleichmäßige Verteilung angenommen.
Es wird deutlich, dass alle größeren Parteien (insbesondere Forum, SDP und KonP) massiv einbüßen, während V! und UWL als kleine Parteien enorm gewinnen. Das Ergebnis der UWL vervierfacht sich gegenüber dem reinen Stimmenergebnis. Beide Parteien würden sogar dann in den Bundestag einziehen, wenn sie in der nächsten Wahl keine einzige Stimme bekämen.
Im Einzelnen gestalten sich die wesentlichen Probleme des bisherigen Systems und mögliche Lösungsansätze wie folgt:
Problem: Die Aktivitätspunkte einer Partei sind umständlich zu berechnen oder zu schätzen, zumal hierzu stets alle Daten aller Parteien bekannt sein müssen.
Lösung: Die Aktivitätswertung kann künftig für jede Partei mühelos einzeln berechnet werden. Es sind nicht mehr alle Daten aller Parteien erforderlich, sondern nur noch die Anzahl der Anträge der antragsstärksten Partei.
Problem: Kleine Parteien werden extrem bevorteilt: Eine dreiköpfige Fraktion müsste dreimal so viele Anträge schreiben wie eine einköpfige, um dafür gleich hoch belohnt zu werden, was angesichts begrenzter Kapazitäten und Vorhaben oft unrealistisch ist. Kleine Parteien können ihren Stimmanteil durch die Aktivitätswertung um mehrere 100 % steigern; eine Partei kann theoretisch sogar dann in den Bundestag einziehen, wenn sie keine einzige Wählerstimme erhält.
Lösung: Der Prozentsatz, um den ein Wählerstimmenergebnis durch Aktivität maximal gesteigert werden kann, wird auf 100 % begrenzt; je größer die Partei (= je mehr Wählerstimmen sie erhält), desto geringer der Aktivitätsanteil. Der Vorteil kleinerer Parteien bleibt bestehen, wird aber eingeschränkt.
Problem: Der Sinn des Zufallsanteils ist unklar. In der Praxis wirkt er als großer Gleichmacher, der Unterschiede zwischen den Parteien nivelliert und somit der eigentlich gewünschten Differenzierung nach Wählerstimmen und Aktivität entgegenwirkt.
Lösung: Der Zufallsanteil wird abgeschafft, da er keinen Mehrwert bietet. Eine gewisse ausgleichende Funktion wird ohnehin bereits durch die Aktivitätswertung erfüllt.
Hier nun ein Vorschlag für recht simple neue Regeln zur Ermittlung der Stimmzahl einer Partei, mit denen die genannten Probleme gelöst werden:
Rechenbeispiel mit einer Partei:
Im Bundestag haben 20 Abstimmungen stattgefunden. Die antragsstärkste Partei hat 10 Anträge eingebracht.
Die Beispielpartei stellt bisher 3 Abgeordnete; diese haben 54 von 60 möglichen Stimmen abgegeben, was einer Abstimmungsquote von 0,9 entspricht.
Die Partei hat 8 Anträge eingebracht. Da die antragsstärkste Partei 10 Anträge vorzuweisen hat, beträgt die Antragsquote der Beispielpartei 0,8.
Die Beispielpartei erhält 9 Wählerstimmen. Für ihre Aktivität kann sie maximal 3 Stimmen (Wurzel aus 9) erhalten.
Für ihre Abstimmungsteilnahme erhält sie: 1,5 * 0,9 = 1,35 Stimmen (Hälfte von 3 mal Abstimmungsquote).
Für ihre Anträge erhält sie: 1,5 * 0,8 = 1,2 Stimmen (Hälfte von 3 mal Antragsquote).
Die Beispielpartei erhält somit 1,35 + 1,2 = 2,55 Aktivitätsstimmen.
Endergebnis: Die Beispielpartei erhält 9 Wählerstimmen + 2,55 Aktivitätsstimmen = 11,55 Stimmen insgesamt.
Die obige Wahlprognose anhand realer Daten würde nach diesem Regelvorschlag wie folgt ausfallen:
Partei | Ergebnis nach Stimmen in % | Ergebnis inkl. Aktivität in % | Abweichung vom Stimmenergebnis in % |
FORUM | 25,5 | 25,1 | –1,7 |
SDP | 27,7 | 25,8 | –6,9 |
Grüne | 14,9 | 14,9 | –0,2 |
KonP | 23,4 | 22,5 | –3,7 |
V! | 6,4 | 8,6 | +34,5 |
UWL | 2,1 | 3,2 | +49,2 |
Zunächst fällt auf, dass V! und UWL ihre Ergebnisse noch immer deutlich verbessern können, eine Vervielfachung ist jedoch nicht mehr möglich. Im Wahlergebnis macht die Steigerung 1 bis 2 Prozentpunkte aus. Die großen Parteien bleiben entweder konstant (Forum und Grüne) oder verlieren mehr oder weniger moderat (SDP und KonP), was auf ihre messbar geringere Aktivität zurückzuführen ist. Das Forum schließt in diesem Beispiel durch seine höhere Aktivität zur SDP auf, die nach reinen Stimmen deutlicher vorne liegt.
Meinungen sind willkommen.