Verehrte Mitglieder des hohen Hauses,
Herr Bundesratspräsident Sebastian Fürst hat mit mit Schreiben vom 29.04.2022 eine Drucksache des Herrn Bundeskanzlers und der Bundesregierung zugesandt.
Wir wollen darüber nun hier an dieser Stelle sprechen und ich räume hierfür 3 Tage Zeit ein.
Ende der Debatte ist der 06.05.2022 - 08:30 Uhr.
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Bundesrat
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
der Bundeskanzler hat dem Bundesrat den nachstehenden Entwurf am 24. April 2022 zugeleitet, damit dieser die Möglichkeit zur Stellungnahme nach Art. 76 II GG hat.
Der Bundesrat hat sich nach Aussprache dazu entschieden keine Stellungnahme abzugeben, daher übersende ich Ihnen beiliegend den Gesetzesentwurf.
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Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Marius Wexler
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Linner
Bundeskanzler
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Bundesrat
Drucksache BR/XXX
A. Problem und Ziel
Die Stellung der Staatsanwaltschaft und ihre Unabhängigkeit gegenüber politischer Institutionen, insbesondere der Exekutive, war in der Vergangenheit mehrmals Gegenstand politischer Debatten. Die aufgebrachte Problematiken beziehen sich grundlegend auf Folgendes:
1. Der Bundesjustizminister kann der Generalbundesanwältin bzw. dem Generalbundesanwalt sowie den Bundesanwältinnen und Bundesanwälten Weisungen - auch Weisungen im Einzelfall - erteilen. Dieses ,nicht an bestimmte Anforderungen geknüpfte Weisungsrecht, eröffnet für die Möglichkeit einer politischen Einflussnahme von Ermittlungsverfahren einen weiten Raum, da die Weisungen nicht begründungspflichtig sind. Die Möglichkeit dieses - nicht begründungspflichtigen - Einzelfallweisungsrechts beschädigt das Vertrauen in die Unabhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaften nachhaltig, ist es doch ihre originäre Aufgabe, Ermittlungen unabhängig und frei von der Einflussnahme politischer Institutionen, die unter Umständen ein persönliches Interesse an dem Ausgang von diversen Ermittlungen haben, durchzuführen. Zwar sind die Erteilungen von solchen Weisungen selten. Dennoch haben sie - wie etwa die "netzpolitik.org-Affäre" um den ehemaligen Bundesjustizminister Maas zeigt, das Potential, Vertrauen in das deutsche Justizwesen weiter zu beschädigen.
2. Der europäische Gerichtshof hat u.a. entschieden, dass dass deutsche Staatsanwaltschaften keine „ausstellende Justizbehörde“ sein können, da sie der Gefahr ministerieller Einzelweisungen ausgesetzt sind (EuGH, Urteil vom 27. Mai 2019 – C-508/18 und C82/19 PPU, Rn. 90). Es scheint nicht ausgeschlossen und sogar wahrscheinlich, dass der EuGH diese Rechtsprechung auf weitere Instrumente der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen innerhalb der EU übertragen wird. Dadurch besteht das Risiko, dass die deutschen Staatsanwaltschaften ihre Stellung als Anordnungs-, Validierungs- und Vollstreckungsbehörde verlieren.
Nach diverser Debatten über die Stellung der Staatsanwaltschaft bedarf es einer grundsätzlichen Klärung dieser Frage und der Beseitigung rechtsstaatlicher Defizite des deutschen Systems.
B. Lösung
Der Entwurf sieht als Lösung folgende Ansätze vor:
1. Die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften soll gestärkt werden. Hierzu sollen die Möglichkeiten der Erteilung von Einzelfallweisungen grundsätzlich abgeschafft werden. Dazu soll der Transparenz wegen für Weisungen nach § 147 GVG die Schriftform sowie eine Begründungspflicht der tatsächlichen Notwendigkeit der erteilten Weisung vorgesehen werden. Insoweit wird u.a. die Handlungsfähigkeit der deutschen Staatsanwaltschaften als eigenständige Akteure im Bereich der Ausstellung und Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gesichert. Eine vollständige Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft ist aus Gründen der Gewaltenteilung nicht umsetzbar.
2. Die Stellung des Generalbundesanwaltes bzw. der Generalbundesanwältin als politischer Beamter bzw. politische Beamte, der oder die jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzt werden kann, wird abgeschafft.
C. Alternativen
Keine.
D. Kosten
Keine.
Anlage 1
Begründung
Erfolgt mündlich.
Berlin, den 29. April 2022
Hochachtungsvoll
Sebastian Fürst
Vizepräsident des Bundesrates