4 BvT 4/21 - Privatklage FFD ./. Berliner Allgemeine SE wg. § 185 StGB

  • Ich erinnere daran, zum Verhandlungsgegenstand zu sprechen, nicht zur Stellung der Prozessbevollmächtigten zu Hitler oder ähnlichem.

    Herr Präsident Geissler,


    das tat ich doch. Die Prozessbevollmächtigte Christ-Mazur wollte mit doch schmackhaft machen, dass dieses Bild nicht so schlimm sei und der Satire entspricht. Das dies eine Verharmlosung der Verbrechern Hitler darstellt sollte der gebildeten und promovierten Juristin eigentlich geläufig sein.

  • Zur Sache zurück: An dieser Stelle möchte ich meine Position untermauern. Dass mit Satire kritisch auf etwas angespielt wird, dass kritische Auseinandersetzung in Form humoristischer, durchaus hyperbolischer Darstellung erfolgt, habe ich, denke ich, zur Genüge dargelegt. An dieser Stelle möchte ich die Grafik etwas "auseinandernehmen", um es einmal umgangssprachlich zu formulieren. Im unteren Teil heißt es, wie bereits mehrfach erwähnt wurde: "Weil der da gerdade [sic!] nicht kann: Wildungen und Rache! Deutschland jetzt in den Abgrund stürzen!". Richtig ist, dass mit "der da" auf den dargestellten Adolf Hitler Bezug genommen wird. An dieser Stelle sei angemerkt, dass nirgendwo eine Glorifizierung des Hitlers erfolgt ist. Es heißt: "Weil der da gerdade [sic!] nicht kann!" und eben nicht, Wildungen und Rache seien mit Hitler gleichzusetzen. Das sei an erster Stelle angemerkt. Es handelt sich, wie bereits unter Einbezug aller Umstände erwähnt, eben um eine Übertreibung und nicht um eine Gleichsetzung, wie sie Herr Rache behauptet.

    Es sei angemerkt, dass Prof. von Gierke recht hat, wenn er äußert, eine Grafik sei nur aufgrund der Darstellung Hitlers als Satire zu werten. Ferner gilt aber auch jeglicher Form von Umkehrschluss ebenso nicht - der Kontext ist zu beachten.


    Das FFD wird im Übrigen durch weite Teile der Öffentlichkeit zum Teil als sehr rechte Partei wahrgenommen. Entsprechende Kritik zu entsprechenden Anlässen wurde des Öfteren durch meinen Mandanten geübt. Angesichts dessen ist der Bezug zu Hitler ohnehin als grobe Übertreibung zu werten. Eine Formalbeleidigung scheidet aus meiner Sicht aus, da sachlich wiederholt hierauf im Allgemeinen Bezug genommen wurde, wobei die Bedingungen für eine Formalbeleidigung ohnehin sehr eng zu setzen sind. Natürlich wäre es unrichtig, die Tatsachenbehauptung aufzustellen, das FFD stünde tatsächlich in einer Linie mit der Tradition der Nationalsozialisten. Wie bereits beschrieben, ist der satirische Charakter unverkennbar - im Übrigen wird die von Herrn Rache behauptete Gleichsetzung nicht betrieben. Werden diese Umstände in ihrer Gesamtheit betrachtet, so wird meines Erachtens klar, dass diese Äußerung meines Erachtens nach als zulässig zu werten, zumal der Toleranzbereich einer in der Öffentlichkeit stehenden Person bzw. Gruppierung ohnehin weiter auszulegen ist, als im Privatbereich, denn das FFD ist eine im Bundestag vertretene Partei.

    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Ich möchte an dieser Stelle mit der Erörterung des Sachverhaltes und der rechtlichen Bewertung hierzu zum Schluss kommen. Ich denke die Parteien haben ihren Standpunkt nun zur genüge untermauert, wenn auch in Teilen etwas inkohärent.


    Ich möchte noch einmal auf die prozessuale Komponente und die Hinweise zurückkommen, die Herr Prof. von Gierke zuvor ausgeführt hat. Die Beklagte zeigt sich, soweit ersichtlich, mit einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz im Falle einer Klage gegen die Berliner Allgemeine SE insgesamt einverstanden.


    Der Kläger hat dennoch noch nicht Stellung dazu genommen, ob er nun eine strafrechtliche Klage gegen einzelne Mitglieder des Vortandes der Berliner Allgemeinen anstrebt und er demnach die vorliegende Klage zurücknehmen möchte, oder ob er sich grundsätzlich offen gegenüber einem ordnungsrechtlichem Verfahren gegen die Berliner Allgemeine zeigt. Ich würde hierzu noch um eine abschließende Wortmeldung des Herrn Harald F. Rache bitten, sofern er möchte.


    ____________________________________________________________________________________


    Prof. Dr. Robert Geissler

    - Vizepräsident des Obersten Gerichts -

  • Ich zeige mich natürlich auch offen gegenüber einem ordnungsrechtlichem Verfahren. Ein solcher Beitrag darf nie wieder veröffentlich werden. Es ist egal, welche Partei davon betroffen ist.

  • Das verstehen wir dann so, dass Sie an der hiesigen Klage festhalten. Macht sich entsprechende Notizen.


    Nach unserer Auffassung ist die Sache hinreichend erörtert worden. Bevor sich das Gericht zur Entscheidungsfindung zurückzieht, mögen die Parteien sich letztmalig überlegen, ob hier eine vergleichsweise Lösung ohne Urteil für sie in Betracht kommt. Das Gericht ist dabei gerne bereit, einen entsprechenden Vergleich vorzuschlagen. Harald F. Rache  Dr. Viktoria Christ-Mazur

    "Der Hinweis eines Rechtsanwalts in einem Schreiben an eine Bezirksrevisorin, er werde „im Falle eines fruchtlosen Fristablaufs ein serbisches Inkassobüro
    einschalten, das Hausbesuche durchführt“, stellt eine Drohung mit einem empfindlichen Übel dar."
    -AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.3.2021 – 2 AGH 5/20-

  • L e i t s ä t z e


    zum Urteil des 4. Senats vom 21. März 2022


    – 4 BvT 4/21 –



    Soweit es bei einer Straftat eines Organs bzw. der Leitungsperson eines Organs um ein Privatklagedelikt geht, ist die Privatklage vor dem Obersten Gericht statthaft, auch wenn sich diese gegen die juristische Person selbst richtet. In diesem Falle richten sich die Möglichkeiten zur Sanktionierung nach § 30 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.





    OBERSTES GERICHT

    – 4 BvT 4/21 –


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    In dem Privatklageverfahren



    des Freiheitlichen Forums Deutschlands,

    vertreten durch Herrn Harald Friedrich Rache

    - Klägerin -


    g e g e n


    Berliner Allgemeine SE,

    vertreten durch Madeleine von Brauchitsch

    - Beklagte -


    - Prozessbevollmächtigte:
    Dr. Viktoria Christ-Mazur
    Dr. Nadine Schlupp



    w e g e n


    Beleidigung


    hat das Oberste Gericht - Vierter Senat - unter Mitwirkung der Richter



    Präsident Geissler,


    Vizepräsident von Gierke,


    Neuheimer



    aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 6. bis zum 30. Januar 2021 durch


    Urteil

    für Recht erkannt:



    1. Die Privatklage wird abgewiesen.


    2. Die Privatklägerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Privatbeklagten.



    G r ü n d e :


    I.


    1. Die Privatklägerin begehrt die Verurteilung der Privatbeklagten wegen einer von diesen am 15. Dezember veröffentlichten Grafik. Die streitgegenständliche Grafik zeigt Adolf Hitler und ist mit der Aufschrift "Weil der da oben gerade nicht kann. Wildungen und Rache. Deutschland jetzt in den Abgrund stürzen" versehen. Eine weitere Aufschrift zeigt das Parteikürzel der Privatklägerin, das mit dem Untertitel "Die Braunen." versehen ist.




    2. Die Privatklägerin hält die Klage für zulässig und begründet.


    a) In ihrem Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 führt sie im Wesentlichen aus, dass der Vergleich ihrer selbst mit dem früheren Diktator Adolf Hitler von dem Begriff der Satire nicht gedeckt sein könne. Es handle sich viel mehr um eine schwere Beleidigung. Die Privatbeklagte sei daher gemäß § 185 StGB zu verurteilen.


    b) In der mündlichen Verhandlung konkretisiert die Privatklägerin ihre Ansichten bzgl. Zulässigkeit (aa) und Begründetheit (bb).


    aa) Juristische Personen seien zwar nicht deliktsfähig. Dies gelte jedoch nicht für ihre Organe und den Vorstand der Privatbeklagten. Die Organe juristischer Personen würden für diese haften und seien entsprechend zur Rechenschaft zu ziehen.


    bb) Sie ist der Meinung, die streitgegenständliche Grafik habe die legalen Grenzen der Satire überschritten. Der Vergleich mit Adolf Hitler sei eine Entwürdigung der Privatklägerin und ihrer Funktionsträger und rücke etwa ein Sechstel der Bevölkerung in die Nähe der Verbrechen der Nationalsozialisten.



    3. Die Privatbeklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.


    a) Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2021 trägt die Privatbeklagte vor, dass die Privatklage unzulässig (aa) und jedenfalls unbegründet (bb) sei.


    aa) Der Privatklage sei kein erfolgloses Sühneverfahren nach § 380 Abs. 1 StPO vorangegangen. Dies sei jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit der Privatklage. Auch eine außerprozessuale Verweigerungshaltung, wie von der Privatklägerin beschrieben, habe nicht vorgelegen. Es habe mithin gar kein Versuch stattgefunden, eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen. Auch im Übrigen entspreche die Klage nicht den formalen Anforderungen des § 381 Satz 2 i.V.m. § 200 StPO. Zeit und Ort der zur Last gelegten tat seien nicht angeführt worden. Dies sei jedoch zwingend notwendig. Die Klage sei auch, gemessen an den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 OGG, unzureichend begründet.


    bb) Die Privatbeklagte führe schon nicht aus, inwieweit das In-Verbindung-Bringen der Privatklägerin mit Rechtsextremisten und Nationalsozialisten im konkreten Fall unangemessen sei. Es gebe hinreichende Belege für rechtsradikales Gedankengut innerhalb der Privatklägerin, weshalb die Privatbeklagte genügend Anlass gehabt habe, um dies in Form eines Plakates satirischer Natur zu kritisieren. Ein Fall von Schmähkritik sei nicht gegeben, da Anhaltspunkte für rechte Gesinnung der Privatklägerin gegeben seien. Die streitgegenständliche Grafik sei zwar überspitzt und provokativ gewählt, jedoch sei es gerade Zweck von Satire, Missstände öffentlich relevanter Natur zu kritisieren. Die Veröffentlichung sei demnach von der Pressefreiheit nach Art. 5 GG gedeckt.



    b) In der mündlichen Verhandlung konkretisiert die Privatbeklagte ihren Standpunkt.


    Sie legt hierzu näher da, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextreme Gesinnung innerhalb der Privatklägerin bestünden und die kritische Auseinandersetzung mit dieser Thematik, auch in Form von Satire, von der Pressefreiheit gedeckt sein müsse. Letzten Endes habe die Darstellung übertreibenden Charakter und könne deshalb nicht im Sinne einer Tatsachenbehauptung ernstgenommen werden - dies sei für den durchschnittlichen Betrachter auch erkennbar.


    Eine vergleichsweise Lösung ohne Urteil lehnt die Privatbeklagte ab.



    II.


    Die zulässige (1.) Privatklage ist unbegründet (2.).



    1. Die Privatklage ist statthaft.


    Zwar können juristische Personen wegen ihrer prinzipiellen Handlungs- und Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden. § 30 Abs. 1 OWiG eröffnet jedoch die Möglichkeit, juristischen Personen eine Sanktion aufzuerlegen, wenn ein Organ oder eine sonstige Leitungsperson eine Straftat begeht und dadurch die Pflichten des Verbandes verletzt.


    a) Gem. § 46 Abs. 1 OWiG sind auf das Bußgeldverfahren die Vorschriften über die Strafprozessordnung sinngemäß anzuwenden. Damit beanspruchen die §§ 374 ff. StPO in der vorliegenden Konstellation Geltung.



    b) Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich der jeweiligen Bußgeldbehörde obliegt, deren Entscheidung erst im Wege des Einspruchs gerichtlicher Überprüfung unterzogen werden kann, wohingegen private Dritte grundsätzlich keinen Anspruch auf bußgeldbehördliches Einschreiten haben. Ebenfalls fehlt im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten an einem dem Klageerzwingungsverfahren nachgebildeten Rechtsinstitut.


    Soweit es bei der Straftat des Organs bzw. der Leitungsperson um ein Privatklagedelikt geht, ist die Klage gleichwohl statthaft. Hierfür spricht die Gleichstellungsfunktion des § 30 Abs. 1 OWiG (aa) sowie der dem Obersten Gericht zufallende umfassende Rechtsprechungsauftrag innerhalb der Simulation (bb).


    aa) Zum Einen entspricht gerade die Statthaftigkeit von Privatklagen gegenüber juristischen Personen der Gleichstellungsfunktion des § 30 Abs. 1 OWiG. Eine juristische Person kann gerade wegen ihrer strukturellen Defizite nicht besser behandelt werden als eine natürliche Person. Dieser allgemeine Rechtsgedanke wird zum anderen dadurch untermauert, dass es in der Simulation Jedermann freisteht, eine juristische Person zu simulieren, ohne auch nur geringste Anforderungen im Hinblick auf Registrierung, Führung oder Benennung verantwortlicher Personen erfüllen zu müssen (§ 2 Abs. 3 vDGB). Das Oberste Gericht dient nicht nur der Simulation von Rechtspolitik, sondern füllt ebenfalls eine Reservefunktion aus. Streitigkeiten zwischen Mitspielern, die noch nicht die Schwelle erreichen, dass sie eine Befassung der Moderation erforderlich machen, können und müssen (bb) einer Lösung durch das Oberste Gericht zugeführt werden. Diese Aufgabe könnte es schlechterdings nicht erfüllen, wenn sich Mitspieler unter Berufung auf eine vermeintlich existierende juristische Person der Klage entziehen könnten.


    bb) Ferner zu beachten ist, dass es derzeit an der Simulation von Verwaltungsbehörden fehlt. Reale Gesetze, die bestimmte Einrichtungen voraussetzen, können nicht im gleichen Sinne angewendet werden. Vielmehr ist das Oberste Gericht dazu berufen, eine sachgerechte Lösung zu finden. Das Gesetz über das Oberste Gericht erteilt diesem, in Verbindung mit § 20 Abs. 1 vDGB, einen umfassenden Rechtsprechungsauftrag, unter anderem auch für das Strafrecht. Begrifflich erfasst Strafrecht ebenso wie Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG auch das Ordnungswidrigkeitenrecht.



    c) Entgegen der Ansicht der Privatbeklagten ist die Klage auch nicht schon aus formellen Mängeln abzuweisen.


    aa) Um den Begründungserfordernissen des § 14 Abs. 1 Satz 2 OGG zu genügen, ist keine umfassende Begrünung erforderlich, sondern lediglich ein Mindestmaß an Konkretisierung (vgl. OGE 2, 150 <153>). Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Der Streitgegenstand und die Sachlage wurden vorliegend hinreichend präzise dargelegt und präzisiert, sodass das Oberste Gericht in die Lage versetzt wurde, die Sache spruchreif zu machen. Höhere Anforderungen können nicht gestellt werden.


    bb) Der Zulässigkeit der Privatklage steht auch ein nicht erfolgtes Sühneverfahren nicht entgegen. Der Simulation ermangelt es an einer geeigneten Vergleichsbehörde, die für ein solches Sühneverfahren zuständig wäre. Entsprechend entfällt diese Voraussetzung für die Statthaftigkeit einer Privatklage. An ihre Stelle tritt auch nicht die Pflicht zur Durchführung eines Versuches, eine außergerichtliche Einigung zu finden.




    2. Die Klage ist unbegründet. Gem. § 30 Abs. 1 OWiG kann gegen eine juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn eine Person als Organ oder sonstige mit der Leitung betraute Person eine Straftat begeht und dadurch Pflichten des Verbandes verletzt. Eine Strafbarkeit wegen Beleidigung vermag das Oberste Gericht vorliegend jedoch nicht festzustellen.


    a) Die Grafik beinhaltet eine Herabwürdigung der Privatklägerin. Sie bringt diese durch die Inbezugnahme Adolf Hitlers in direkten Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Verbrechensherrschaft, die nach heutiger Zeitanschauung missbilligens- und verachtenswert ist. Jeder Vergleich beinhaltet implizit damit auch eine Missachtung des Betroffenen (vgl. insoweit OLG Hamm, NJW 82, 659, 660 zur Bezeichnung Franz Josef Strauß´ als Kriegstreiber und Faschist). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Grafik für jedermann ersichtliche Elemente der Überzeichnung in sich trägt.



    aa) Bei satirischen Darstellung ist für die Frage der Beleidigung darauf abzuheben, ob der in ihr enthaltene Tatsachenkern oder zumindest die Form der Äußerung den Betroffenen herabzusetzen geeignet ist. Dies hängt damit zusammen, dass sich Satire in aller Regel erkennbar überzeichnender Elemente bedient, die von einem objektiven Dritten als solche identifiziert werden. Damit findet in der Regel eine Ehrverletzung aber nicht statt, weil das Mittel der Übertreibung eine hinreichende Distanz des Täters zu seiner vermeintlichen Aussagen dokumentiert.



    bb) Im vorliegenden Fall ist der satirische Charakter der Grafik erkennbar und wird auch nicht durch die Aussagen der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Hauptverhandlung, wonach die Grafik sogar im Sinne einer teils tatsachengleichen Behauptung verstanden werden könne, die sich im Ergebnis als richtig darstelle, entkräftet. Bezugspunkt ist das Verständnis eines objektiven Dritten. Nicht entscheidend ist, was der Täter oder andere Prozessbevollmächtigte ausführen. Dies betrifft allenfalls die Frage eines Beleidigungsvorsatzes.


    (1) Bei der Grafik handelt es sich um ein sogenanntes "Meme". Anhand dieser Form ist erkennbar, dass die Grafik nicht als vollkommen ernster Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung aufgefasst werden kann. "Memes" sind in der Regel humoristischer und aufheiternder Natur, können jedoch auch satirischen oder gesellschaftskritischen Charakter haben. Es handelt sich meist um aus dem ursprünglichen Kontext gerissene Film- oder Videoausschnitte oder - wie vorliegend - Fotografieren, die mit einer textuellen Bildunterschrift versehen werden.


    (2) Überzeichnung ist allerdings kein Selbstzweck. Betonte man den überzeichnenden Charakter, würde dies dazu führen, dass der umso härtere und geschmackloser vorgehende Täter gegenüber demjenigen privilegiert würde, der den satirischen Charakter der Äußerung nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt.


    (3) An diesen Maßstäben gemessen ergibt sich die Herabsetzung der Privatklägerin vorliegend aus der konkret gewählten Form der Aussage, nämlich dem bildlichen Vergleich mit Adolf Hitler.




    b) Gem. § 193 StGB stellen herabwürdigende Äußerungen, die in Wahrnehmung berechtigter Interessen getätigt werden, nur insofern eine Beleidigung dar, als der ehrverletzende Charakter selbiger aus dessen Form oder den jeweiligen Umständen hervorgeht.


    aa) Ob berechtigte Interessen wahrgenommen werden, ist im Wege einer umfassenden Abwägung der beiderseitig geschützten Interessen zu ermitteln. Hierbei spielen die jeweils betroffenen Grundrechte, an die das Gericht gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar gebunden ist, eine wichtige Rolle. Kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Interessen, sind diese im Wege der praktischen Konkordanz in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen, in dem beide Interessen möglichst vollumfänglich verwirklicht werden können.



    bb) (1) Vorliegend betroffen sind seitens der Privatbeklagten das Grundrecht der Meinungsäußerungs- (a) und der Kunstfreiheit (b).


    (a) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr). Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>). Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist dabei umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>).


    (b) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantiert die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich umfassend, geschützt sind Werk- und Wirkbereich. Sinn und Aufgabe dieses Grundrechts ist es dabei vor allem, die freie Entwicklung des künstlerischen Schaffensprozesses ohne Eingriffe durch die öffentliche Gewalt zu garantieren (vgl. BVerfGE 30, 173 <190>). Dabei wird der durch die Kunstfreiheit gewährte Schutz nicht dadurch beseitigt, dass es sich um ein künstlerisch vorgebrachtes politisches Anliegen handelt (vgl. BVerfGE 67, 213 <227 f.>). Die Kunstfreiheit ist dabei zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich aus den Grundrechten anderer Rechtsträger (z.B. dem Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG: BVerfGE 30, 173 <193>; 67, 213 <228>).


    (2) Seitens der Privatklägerin ist die von Art. 21 Abs. 1 GG geschützte Betätigungsfreiheit betroffen, die im Sinne eines Verbandsrechts auch einen Schutzanspruch gegen die öffentliche Gewalt vor unzulässigen Dritten zu vermitteln vermag. Dass sich ein solcher Anspruch gewöhnlich nur aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergibt, das seinerseits Ausfluss der Menschenwürde und daher wesensgemäß nicht auf eine juristische Person anwendbar ist (Art. 19 Abs. 3 GG), steht dem nicht entgegen. Vielmehr knüpft das Gericht an eine gefestigte Rechtsprechung an: Wenn Äußerungen über Religionsgemeinschaften in den Gewährleistungsgehalt von Art. 4 GG fallen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.06.2002, 1 BvR 670/91), kann nichts anderes für politische Parteien gelten. Dies beruht auf der Erwägung, dass es zur effektiven Wahrnehmung der Parteienfunktion notwendig ist, die Darstellung der Partei in der Öffentlichkeit zu steuern und ein adäquates, wirklichkeitsgetreues Bild von ihr zu vermitteln. Unzutreffende Tatsachenbehauptungen oder Schmähungen hindern die Parteien jedoch daran, Mitglieder zu werben und zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Wie auch das Persönlichkeitsrecht vermittelt aber auch Art. 21 Abs. 1 GG kein Recht, öffentlich so wahrgenommen zu werden, wie es den eigenen Wünschen entspricht (vgl. BVerfG, Beschl. des Ersten Senats v. 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 107).



    cc) Die hiernach durchzuführende Abwägung fällt zulasten der Klägerin aus.


    (1) Die streitgegenständliche Grafik wurde erkennbar überspitzt gewählt und vermittelt einem objektiven Dritten nicht den Eindruck einer implizit untergeschobenen Tatsachenbehauptung. Dies ergibt sich schon dadurch, dass die Privatbeklagte ein sog. Meme als Mittel zur Meinungsäußerung wählt. Memes sind im Regelfall humoristische und aufheiternde Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung, die sich jedoch teils auch gesellschaftskritischen, oder einzelnen Personen gegenüber kritischen Charakter haben können. Sie dienen jedoch zur Meinungsäußerung und -Bildung, nicht aber zu Informationszwecken.


    (2) Zu beachten ist indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. OG 2, 68 <75>, BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für „falsch“ oder für „ungerecht“ halten (BGH, Urteil v. 05.12.2006 - VI ZR 45/05, Rn. 18). Das Recht, seine Meinung frei zu äußern, besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob die Äußerung richtig oder falsch ist (BVerfG, Beschl. v. 22.06.1982 - 1 BvR 1376/79, Rn. 13).


    (3) So liegt es hier. Entgegen der Ausführungen der Privatklägerin ist die Veröffentlichung der streitgegenständliche Grafik von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt (bb) - mithin handelt es sich auch nicht um Schmähkritik (aa).


    (aa) Zwar wird die Privatbeklagte und zwei ihrer Mitglieder unstrittig in die Nähe der Nationalsozialisten und Adolf Hitler gerückt, gleichwohl erfolgt, entgegen der Meinung der Privatklägerin, keine "Gleichsetzung" mit denselben. Die Privatbeklagte greift mit ihrer Veröffentlichung die öffentlich bereits oftmals diskutierten politischen Positionen der Privatbeklagten auf. Die Kritik lässt sich auch hinreichend auf objektive Anknüpfungstatsachen zurückführen (OLG Saarbrücken, Urteil v. 04.06.2014 - 5 3725 U 81/13, Rn. 60), weshalb ein Fall von Schmähkritik nicht gegeben ist.


    (bb) Insbesondere im politischen Meinungskampf ist auch deutlich überzogene Kritik an einer Partei, ihrem politischen Handeln oder ihren Zielen noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, soweit die Kritik sich insgesamt auf hinreichend objektive Tatsachen stützen kann und nicht ausschließlich der Herabwürdigung dient. Durch die Tatsache, dass sich die Privatklägerin als politische Partei dem politischen Meinungskampf aussetzt, muss sie auch überzogene Kritik an ihren politischen Ideen und Handlungen hinnehmen, auch wenn sie selbst die Kritik als falsch, ungerecht oder gar herabwürdigend ansieht. Entscheidend ist, wie ein objektiver Dritter die beanstandete Meinungsäußerung bewertet. Die hier streitgegenständliche Grafik stellt daher zwar eine die Privatklägerin herabsetzende Meinungsäußerung dar, die sie aber im Ergebnis hinzunehmen hat.




    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 471 Abs. 2 StPO.



    III.


    Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.




    Geissler | von Gierke | Neuheimer


    ____________________________________________________________________________________


    Prof. Dr. Robert Geissler

    - Vizepräsident des Obersten Gerichts -