4 BvT 3/21 - Durch Prozessurteil abgewiesene Zivilklage FFD ./. Berliner Allgemeine SE

  • OBERSTES GERICHT

    – 4 BvT 3/21 –


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    In dem Rechtsstreit



    des Freiheitlichen Forums Deutschlands,

    vertreten durch Herrn Harald Friedrich Rache

    - Klägerin -


    g e g e n


    Berliner Allgemeine SE,

    vertreten durch Madeleine von Brauchitsch

    - Beklagte -


    - Prozessbevollmächtigte:
    Dr. Viktoria Christ-Mazur
    Dr. Nadine Schlupp



    w e g e n


    Äußerungsrecht


    hat das Oberste Gericht - Vierter Senat - unter Mitwirkung der Richter



    Präsident Geissler,


    Vizepräsident von Gierke,



    am 27. Dezember 2021 einstimmig beschlossen:



    1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.


    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.



    G r ü n d e :


    I.


    Die Klägerin sucht das Oberste Gericht um Rechtsschutz wegen der Verbreitung einer Grafik durch die Beklagte. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 erhob die Klägerin einen als "Klage" bezeichneten Anspruch gegen die Beklagte und machte geltend, die streitgegenständliche Grafik stelle eine unzulässige Schmähkritik dar. Eine Konkretisierung des Klagebegehrens erfolgte, trotz eines diesbezüglichen Hinweises des erkennenden Gerichts vom 21. Dezember 2021 (OG, Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2021 zum Verfahren 4 BvT 3/21, I.), nicht.



    II.


    Die Klage war als unzulässig abzuweisen, weil der einleitende Schriftsatz nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO obliegt es dem Kläger den Gegenstand der Klage, den Grund des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag zu bezeichnen. In dem Klageantrag konkretisiert sich der Streitgegenstand, dessen Bestimmung nach dem Dispositionsgrundsatz alleine dem Kläger obliegt. Zwar wurde der maßgebliche Sachverhalt, entgegen der Auffassung der Beklagten, nachvollziehbar und hinreichend dargestellt und begründet, doch ist neben dem Sachverhalt die Geltendmachung eines bestimmten Anspruchs erforderlich, ohne dass es auf die rechtliche Qualifizierung des Anspruchs ankommt (vgl. zum Ganzen Zöller/Vollkommer, vor § 1 ZPO Rn. 82 ff. m. w. N.). Erforderlich ist, dass das Rechtsschutzbegehren aus dem Schriftsatz hervorgeht. Dem genügt die an das Gericht gerichtete Aufforderung sich der Sache anzunehmen erkennbar nicht.



    1. Die Klägerin hat im einleitenden Schriftsatz nicht erklärt, zu welchem Verhalten die Beklagte verpflichtet werden soll und es ergibt sich auch keinesfalls aus der Natur des Äußerungsrechts, dass stets ausschließlich Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden. Denkbar wären ebenso Schadensersatz- und/oder Gewinnabschöpfungsansprüche. Die Klägerin hat nicht zum Ausdruck gebracht, welche Rechtsfolge sie begehrt.


    2. Diese kann auch nicht im Wege der Auslegung der Klageschrift ermittelt werden. Zwar ist es naheliegend, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend machen will. Doch muss dieses Begehren in der Klageschrift, zumal diese der Form unterliegt (vgl. § 496 ZPO), zumindest angedeutet sein. Andernfalls würde sich das Gericht eine Kompetenz anmaßen, welche es im vom Dispositionsgrundsatz getragenen Zivilprozess nicht hat und zudem die klaren Voraussetzungen der §§ 253, 496 ZPO umgehen. Das Gericht darf und muss im Rahmen der materiellen Prozessleitungspflicht ggf. darauf hinwirken, dass der Streitgegenstand so genau benannt wird, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, Entscheidungsreife herzustellen. Es hat aber weder das Recht noch die Pflicht, seine Auffassung eines sinnvollen Antrags an die Stelle des Klägers zu setzen. Die Grenzen der materiellen Prozessleitung zur unzulässigen Prozessberatung werden vielmehr überschritten, wenn eine Prozesspartei auf etwaige Unzulänglichkeiten hingewiesen wird und es, soweit keine Abhilfe durch die betroffene Prozesspartei erfolgt, diese Abhilfe ersatzweise selbst vornimmt. Dies entspräche aber einer Auslegung der Klageschrift in der vorgenannten Weise. Das Gericht hat der Klägerin mit Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2021 (OG, Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2021 zum Verfahren 4 BvT 3/21) Gelegenheit zur Konkretisierung des Streitgegenstands gegeben, ohne dass eine solche erfolgt wäre.


    3. Bei der durch Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 erhobenen Klage handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine eigenständige Zivilklage und nicht um eine Privatklage. Auch auf diese Bedenken wurde die Klägerin hingewiesen. Dass die Klägerin diesen Hinweis zur Kenntnis genommen und verstanden hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass sie mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 eine weitere "Klage" erhoben hat (Az. 4 BvT 4/21), in der sie ausdrücklich die Verurteilung gem. § 185 StGB begehrt. Dieser Schriftsatz ist von der äußeren Form und dem Inhalt als neuer Schriftsatz gestaltet, welcher auf den vorigen Hinweisbeschluss des Gerichts keinen Bezug nimmt, sodass davon auszugehen ist, dass in dem hier zu entscheidenden Verfahren eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Die simulationsbedingt schwierige Abgrenzung kann, da es mangels Staatsanwaltschaft kein Anklagemonopol gibt und dem Obersten Gericht gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. 35 Abs. 1 Satz 3 OGG gleichwohl die Strafgerichtsbarkeit hinsichtlich der Privatklage übertragen wurde, nur anhand des im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB entsprechend) ermittelten Willen des Klägers erfolgen.



    III.


    Gemäß § 14 Abs. 4 OGG konnte das Gericht auch ohne Zustimmung der Klägerin durch Beschluss entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


    Das Gericht weist abschließend daraufhin, dass über die Rechtmäßigkeit der Verbreitung der Grafik im materiellen Sinne, sowie über die durch Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 erhobene Klage (Az. 4 BvT 4/21) vorliegend nicht entschieden wurde.



    Die Entscheidung ist unanfechtbar.




    Geissler | von Gierke


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    Prof. Dr. Robert Geissler

    - Vizepräsident des Obersten Gerichts -