Sehr geehrter Herr Stroma Kater,
mit großer Verwunderung habe ich Ihren Erlass zur Wahrung des Neutralitätsgebots in Schulen zur Kenntnis genommen. Sie wollen politische Werbung in Schulen unterbinden, indem sie die Regenbogenfahne verbieten. Immer mehr Schulen entscheiden sich im Pride Month Farbe zu bekennen. Das Engagement der Schülerinnen und Schüler richtet sich gegen Homo, Trans und Bifeindlichkeit. Es geht um Toleranz, Vielfalt, Respekt und ein friedliches Zusammenleben an der Schule. Ein Gymnasium in Westfalen entschied sich dazu. Die Flagge wurde in einem feigen Brandanschlag nieder gerissen. Die Schülerinnen und Schüler wurden bedroht, der Staatsschutz ermittelte. Wir leben im 21. Jahrhundert. Man möchte meinen, dass Homosexualität, Transidentität und Bisexualität sowie viele verschiedene Ausprägungen der sexuellen Identität heutzutage anerkannt und respektiert werden. Es ist nun mal nicht so. Die community sieht sich mit wachsender Gewalt, physisch und verbal, sowie mit einer zunehmend radikalisierten gesellschaftlichen Debatte konfrontiert. Das haben diese Menschen nicht verdient. Ich weiß, dass Sie Herr Kater ein Problem mit sexueller Vielfalt haben. Sie haben sich mehrfach abschätzig über Transidentität geäußert. Herr Ministerpräsident, es geht dabei aber nicht um Sie. Es geht um die vielen jungen Menschen in diesem Land, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen. Sie fühlen sich sowieso permanent unter Druck gesetzt und viele von ihnen fühlen sich auch einsam. Sie wissen nicht, wie sie mit ihrer Identität und ihrer sexuelle Orientierung umgehen sollen. Sie wissen nicht, wen sie in dieses „Geheimnis“ einweihen können. Manchmal stellen sich auch ganze tiefe und bedeutungsvolle Fragen: Nicht wenige befürchten ungeliebt zu werden, befürchten alleine und einsam zu verbleiben.
was senden Sie mit diesem Erlass für ein Bild? Erstens, sie tun so als handele es sich bei Fragen der sexuellen Orientierung um ein Politikum. Das ist mitnichten der Fall. Ich bin erschrocken, dass sie dieses Thema scheinbar immer weiter politisieren wollen. Ihnen geht es angeblich darum, einen fairen Wettbewerb der politischen Bewerber zu ermöglichen. Ich frage mich, wo dieser Wettbewerb sein soll? Schwächt es die Allianz, wenn Schülerinnen und Schüler keine Regenbogenfahne mehr aufhängen dürfen? Wenn das der Fall wäre, dann müsste man sich schon fragen, wie stabil und wie zukunftsorientiert ihre Partei agieren möchte. Ihnen geht es aber vermutlich gar nicht darum. Ihnen geht es darum, dass sie mit jungen, engagierten Schülerinnen und Schülern nichts anfangen können, wenn Sie nicht Ihrem Weltbild entsprechen. Was verbieten sie als Nächstes? Schaffen Sie die Schulen gegen Rassismus und Schulen für Courage ab? Weil Rassismus politisch ist? Was ist politisch genug, so dass es nicht auch Schule sein darf? Was ist zum Beispiel mit Fairtrade Schools? Ist fairer Handel vielleicht auch zu politisch? Herr Minister Präsident, ich ärgere mich über diesen Erlass, weil er nicht im Geringsten mit Neutralität zu tun hat. Ihr Bild von Neutralität ist nämlich ziemlich selektiv. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie als Totengräber für gesellschaftliche Vielfalt an bayerischen Schulen eingehen wollen. Ich konnte mir aber auch nicht vorstellen, wie man so borniert auf transgeschlechtliche Fragestellungen eingehen kann.
Was verbieten Sie Lehrkräften eigentlich mit diesem Erlass? Was wollen Sie eigentlich? Schwule Lehrer, lesbische Lehrerin - soll das nicht mehr sein? Erwarten Sie von Lehrerinnen und Lehrern darin verbergen, wer sie sind? Sie machen mit diesem Erlass nicht nur das Engagement dieser Schülerinnen und Schülern kaputt, sie vergreifen sich auch an Schutzräumen. Räumen, in denenSchülerinnen und Schüler sein können, wer sie sind.
Einen ganz bitteren Beigeschmack hat ihr Erlass vor allem auch, wenn man den Berichten zum Koalitionsvertrag im Bund Glauben schenken mag. Ist das etwa der erste Test, um herauszufinden wie stark die Sozialdemokraten sich von Ihnen durch die Manege ziehen lassen? Ist das die Rache für mehr geschlechtliche Vielfalt auf Bundesebene, was bezwecken Sie mit diesem Erlass?
Herr Kater, nehmen Sie diesen Erlass zurück. Spielen Sie nicht dem Feuer, wenn Sie die Flammen nicht kontrollieren können.
Mit fassungslosen Grüßen
Leon Hennekemp