DEBATTE VII/008 | Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs

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    DEBATTE ÜBER DRUCKSACHE VII/008

    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs


    Die Debattendauer beträgt gemäß unserer Geschäftsordnung drei Tage.


  • Herr Präsident,

    werte Herrschaften,

    deutsches Volk,


    der Debatte zugrunde liegt ein Antrag des BUW, mit dem die törichte und verfassungsrechtlich bedenkliche Streichung des § 219a StGB rückgängig gemacht werden soll. Es geht keineswegs darum, wie so mancher Abgeordneter persönlich zu Schwangerschaftsabbrüchen steht. Es geht um nicht weniger als die Wahrung der staatlichen Pflicht, das ungeborene Leben zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu zutreffend aus: "Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben zu schützen. Zum menschlichen Leben gehört auch das ungeborene. Auch ihm gebührt der Schutz des Staates. Die Verfassung untersagt nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das ungeborene Leben, sie gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, d.h. vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren" (BVerfGE 88, 203 Rdnr. 150). Entgegen der Ansicht mancher linker Gestalten ist der Abbruch einer Schwangerschaft kein "gutes Recht einer Frau" und auch kein "normaler medizinischer Eingriff". Unser Grundgesetz weißt dem Nasciturus unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 ein Recht auf Achtung seiner Würde und ein Recht auf Leben zu. Ein Schwangerschaftsabbruch ist kein normaler Vorgang, er ist - unabhängig seines Zeitpunkts - Unrecht und muss strafrechtlich pönalisiert sein. Auch die Mutter hat kein Recht, über das Leben ihres Kindes zu disponieren. Sie hat die rechtliche Pflicht, ihr Kind auszutragen. Das ungeborene Leben muss leider immer häufiger auch vor der eigenen Mutter geschützt werden.


    Zum Schutz des ungeborenen Lebens ist das Strafrecht unverzichtbar. Die Schutzpflicht des Staates gebietet es, nicht nur den Schwangerschaftsabbruch selbst unter Strafe zu stellen. Ein wirksamer Schutz ist nur möglich, wenn auch Vorfeldhandlungen, wie beispielsweise das Verharmlosen einer Kindestötung oder das Werben für die Tötung des ungeborenen Lebens unter Strafe gestellt werden. Daher ist es nicht akzeptabel, wenn es Menschen gestattet sein soll, für Kindestötungen wie für frisches Obst zu werben. Aus guten Gründen muss einem - ausnahmsweise tatbestandslosen - Abbruch der Schwangerschaft eine Beratung durch eine unabhängige Beratungsstelle vorausgehen. Dieser obliegt es, über Voraussetzungen und Abläufe dieses unmenschlichen Eingriffs zu informieren. Die Information muss darauf hinwirken, im Zweifel eine Entscheidung für das ungeborene Leben zu treffen. Diese wichtige, Kindestötungen häufig genug verhindernde Beratung darf nicht in die Hände kommerziell interessierter Ärzte gegeben werden. Aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, das Werben für eine Kindestötung wieder unter Strafe zu stellen.


    Herzlichen Dank! Lang lebe Deutschland!

  • Herr Präsident,


    die SPD-Fraktion hat die verlängerte Debattenzeit erkennbar genutzt, um ihre geballte Sachkompetenz zum Debattengegenstand kundzutun. Das ist wahrlich entlarvend!

  • Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,


    mit welch einer Ironie will eigentlich ausgerechnet der BUW hier mit uns eine Debatte über Lebensschutz führen, denkt man doch an die sonst zutiefst menschenverachtenden Beiträge, die man von den Kollegen so gewohnt ist. Und noch ironischer ist eigentlich nur, dass ausgerechnet ein MdB einer Partei, dessen Vorsitzender unter Hobbys "Frauen" angibt, hier mit uns über ein so sensibles und ethisches Thema sprechen will. Dass das ein Schuss in den Ofen war, beweist der Redebeitrag mehr als genug.


    Dennoch danke ich dem BUW für diese Debatte, denn sie gibt uns die Möglichkeit, mit einigen wirren Auswürfen noch einmal aufzuräumen. Die Art, wie der Kollege Dregger in die Debatte startet, war ja schon, sagen wir, bemerkenswert. Hört man sich den Beitrag in Gänze an, so stellt man fest, dass der Kollege Dregger offensichtlich der Auffassung ist, dass eine Frau die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch willkürlich, spontan oder gar beabsichtigt und aus Bosheit trifft. Doch welche Frau macht sowas? Glauben Sie ernsthaft, dass sich eine Frau spontan und ohne darüber nachzudenken in die nächste Abtreibungsklinik begibt, weil es keine gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt? Diese Entscheidung ist nicht leicht, und mit Begriffen wie "Kindestötungen" werden Sie der gebotenen Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit beim Thema einfach nicht gerecht. Sie differenzieren in Ihrem Beitrag noch nicht einmal zwischen einem Fötus und einem Kind und sorgen mit solch einem Wording einfach nur dafür, dass ungewollt schwangere Frauen, die in welch einer Lebenslage auch immer diese schwere Entscheidung getroffen haben, gegeißelt werden. Ich finde, bei diesem Beitrag darf man sich schon fragen, ob es Ihnen um die Sache geht.



    Meine Damen und Herren,

    die Evidenz ist da. In Kanada ist der Abbruch der Schwangerschaft eine ärztliche Leistung - und nicht gesetzlich geregelt. Wer jetzt also glaubt, wenn man Schwangerschaftsabbrüche "freigibt", steigt die Abbruchrate ins Unermessliche an, der ist auf einem Irrweg von vor 50 Jahren unterwegs. Denn: In Kanada sank die Inanspruchnahme eines Schwangerschaftsabbruchs und die meisten Abtreibungen fanden vor der oder bis zur 12. Woche statt. Das unterstreicht zum einen, dass keine Frau aus Bequemlichkeit einen solch gravierenden Eingriff vornehmen lässt und es zeigt deutlich, dass von Kindestötungen nicht die Rede sein kann, sofern man sich wirklich mit der gebotenen Sachlichkeit an das Thema wagen will.

    Für uns Sozialdemokraten steht jedenfalls fest: Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafrecht.




    Wie sieht es nun also mit der "Werbung" aus? Auch hier zeigt das Wording: Der BUW scheint offensichtlich zu glauben, dass Frau sich bei so einer schweren Entscheidung von einer Stempelkartenaktion oder einem nett designten Flyer beeinflussen lassen könnte. Aber mal zur Rechtssicherheit der Ärzte: Selbstverständlich muss ein Arzt oder eine Ärztin, wenn er diesen medizinischen Eingriff anbietet, auch sorglos über alle Einzelheiten des Eingriffes informieren dürfen. Und an dieser Stelle muss man sich entscheiden, entweder lässt man Informationen über Schwangerschaftsabbrüche durch Ärzte zu oder eben nicht. Der Versuch, beides nebeneinander ins Gesetz zu schreiben, ist bereits gescheitert. Damit schafft man nicht nur Rechtsunsicherheit - sondern die Rechtssicherheit, dass bei einem zu viel geschriebenem Wort aus "zulässiger Information" eine zu bestrafende Werbung wird. Die Folge ist eine mögliche Verurteilung. Dass das nicht sein kann, sieht übrigens nicht nur die Bundestagsfraktion der SDP so, sondern auch die Mehrheit der Expertinnen und Experten in einer Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im Jahre 2019. Eine Streichung des Paragraphen war sogar verfassungsrechtlich geboten, denn das Bundesverfassungsgericht urteilte: Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen eröffnet, muss es dem Arzt oder der Ärztin ohne negative Folgen möglich sein darüber aufklären zu können, dass Frau seine oder ihre Dienste in Anspruch nehmen kann. An dieser Aufklärung hinderte sie, bis zu seiner Abschaffung durch einen ehemaligen Justizminister, jedoch der Paragraph 219a.





    Fazit: Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch, der Paragraph 219a gehört auch sonst nirgendwo hin und mit einer Frage sollten wir uns ebenso beschäftigen: wenn wir nun also den Schritt wagen und die Abbrüche aus dem Strafgesetzbuch streichen, dann müssen wir uns ernsthafte Gedanken um die Versorgung machen. Denn auch die Versorgungssicherheit, die Tatsache, dass es flächendeckend qualifizierte Ärzte braucht, die bereit sind diesen Eingriff durchzuführen, über diese Frage müssen wir uns früher oder später ebenfalls Gedanken machen.

  • nimmt zum ersten Mal auf dem Platz des sitzungsleitenden Präsidenten platz


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich schließe hiermit die Debatte. Nicht aber, ohne kurz auf unsere Geschäftsordnung hinzuweisen: Frau Dr. Klinkert, nach §16 unserer Geschäftsordnung dauern unsere Debatten 72 Stunden. Sie können auf Verlangen oder bei unabweisbarem Redebedarf auf weitere 72 Stunden ausgeweitet werden. Ein Redebeitrag ist nach Ablauf der Debattenzeit eigentlich nicht gewünscht und auch nicht zulässig. Ich bitte darum, diesem Rechnung zu tragen und in weiteren Debatten zu beherzigen. Es bestand genug Zeit zur Äußerung zum vorgeschlagenen Gesetzentwurf.


    Vielen Dank.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)