[Debatte] XVII/006 - Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Ausbildungsumlage im Land Nordrhein-Westfalen

  • Die Berufene Bürgerin Ella Löwenstein-Boum hat einen Gesetzesentwurf mit dem Titel "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Ausbildungsumlage im Land Nordrhein-Westfalen" eingebracht.


    Die Debatte dauert gemäß Geschäftsordnung 72 Stunden, also bis zum Mittwoch, dem 2.8.23, um 23:11.


    Das Wort hat die Antragstellerin.


  • Pustet mit einem nachhaltigen Glasstrohhalm Blubberblasen in ihre Cola.

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  • Tritt ans Redepult, legt ihr Manuskript ab und setzt sich ihre Brille auf


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,

    liebe Abgeordnete!


    Es freut mich besonders heute vor Ihnen zu stehen und den von mir eingebrachten Ausbildungsfonds begründen zu dürfen. Gerade auch weil dieser Antrag bereits in der vergangenen Legislaturperiode, als er von der Grün-Violett-Rot-Roten Koalition in den Landtag eingebracht wurde, doch in Teilen polarisiert hat. So erachte ich es doch für sehr wichtig die zentralen Fakten dieses Antrages einzubringen, damit wir den politischen Diskurs auf einer sachlichen Ebene miteinander führen können.


    Wir diskutieren einen Gesetzesentwurf, welcher die Einführung einer Ausbildungsumlage, welche der Finanzierung einer Ausbildungskostenumlage zum Inhalt hat. Ich möchte hierbei zunächst und in aller Deutlichkeit betonen, dass es sich hierbei um einen Solidaritätsmechanismus handelt und in keiner Form um ein Sanktionierungsmittel. Dessen Ziel ist es letztlich, dass ein Gewinn für möglichst viele Arbeitgebende - aber auch angehenden Auszubildenden - entsteht.


    So sind es gerade die kleinen und mittleren Betriebe, welche einen geringeren Erfolg bei der Generierung von Auszubildenden haben, was jedoch einer gewissen Tragik innewohnen hat, sind es doch gerade diese Unternehmen, welche eben jene Jugendliche ausbilden, welche nicht durch die Bestenauslese in Assessment-Centern, ihren Ausbildungsplatz erhalten haben. Sie bringen damit Jugendliche in geregelte Arbeitsverhältnisse, im besten Falle in tarifgebundene Arbeite, denen dies vermutlich sonst verwehrt geworden bliebe. Doch gerade deswegen brauchen die kleinen und mittleren Unternehmen Bedarfe für eine Weiterentwicklung und Ausgestaltung ihres Ausbildungsangebotes, wobei diese oft auf externe Beratungen zurückgreifen, wie die Vergangenheit gezeigt hat, was in der Regel mit mehr oder weniger hohen Kosten verbunden ist. Und die zusätzlichen Bedarfe und Herausforderungen werden in Zukunft nicht weniger, sondern mehr werden. Wenn Sie Freund*innen, die Unternehmer*innen sind, haben, fragen sie diese. Die werde meine Aussage mit Sicherheit bestätigen.


    Bemessungsgrundlage für den Umlagesatz stell die Bruttolohnsumme der Unternehmen dar. Das heißt konkret, dass die Unternehmen dazu verpflichtet sein werden, einen festen Satz an den Fonds abzuführen. Hiermit werden schließlich die Rückzahlungen an die ausbildenden Unternehmen gedeckt, wie auch die ausbildungsunterstützenden Maßnahmen. Und es sei an dieser Stelle betont; Branchen, welche bereits über eigene Umlagesysteme verfügen, sind natürlich ausgenommen. Niemand soll schließlich doppelt zahlen.


    Herzlichen Dank.

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    Mitglied des Deutschen Bundestages |12., 16., 20. und 21. Legislaturperiode |

    Vizepräsidentin des XX. Deutschen Bundestages

    Ehemalige Fraktionsvorsitzende der Internationalen Linke im Bundestag


    Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

    Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft

    Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Soziales, Kultur und Finanzen


    Generalsekretärin der I:L

    Ehemalige Parteivorsitzende der I:L



  • Geht ans Rednerpult.


    Herr Präsident,

    verehrte Kollegin Löwenstein-Boum,

    liebe Kollegen,


    die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg und die wirtschaftliche Lage haben den deutschen Mittelstand und das Klein- und Mittelunternehmertum schwer gezeichnet und tut es noch weiterhin. Es braucht eine Trendwende, es braucht Steuersenkungen, Belohnung für Erfolg und eine Bildungsreform für qualifizierte Fachkräfte. Was es ganz sicher nicht braucht, ist eine weitere schwere Belastung für kleine und Mittlere Unternehmen, um den Mittelstand weiter in die Knie zu zwingen.


    Ich möchte beginnend übrigens meine gewisse Verwunderung darüber ausdrücken, dass dieser Entwurf zur Zeit der eigenen Regierungsbeteiligung der I:L nicht durchgekommen ist. Und ich möchte vorweg meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Landtag dies auch heute wieder tun wird.


    Die grundsätzliche Analyse über den desolaten Zustand der Kollegin Löwenstein-Boum ist an sich richtig, aber die Schlussfolgerung ist unzutreffend. Nach den Ausführungen der Kollegin könnte man meinen, es gäbe viel zu wenig Ausbildungsplätze und junge Menschen warten hufescharrend vor den Toren der Betriebe, um einen Beruf zu erlernen. Das ist schlicht falsch. Im Gegenteil; während die Zahl der angebotenen Lehrstellen weitestgehend gleich bleibt, so sinken die jährlichen Zahlen derjenigen, die einen Ausbildungsvertrag abschließen immer weiter - bundesweit und in NRW. Die Bundesagentur für Arbeit sagt dazu, dass es Ende Mai diesen Jahres knapp 36 Tausend gemeldete Jugendliche ohne Ausbildungsplatz gab, gleichzeitig waren aber über 56 Tausend offene Ausbildungsplätze registriert.1 Wie man es dreht und wendet, mit zu wenigen Ausbildungsplätzen lässt sich dieser Zustand bei bestem Willen nicht erklären. Dieser Trend ist auch bundesweit evident; so zählt die Bundesagentur für Arbeit stand Juli für das gesamte Bundesgebiet über 513 Tausend freie Ausbildungsstellen! Darauf kommen gerade mal knapp über 390 Tausend Bewerber.2


    In so einer Lage den Mittelstand mit Zwangsabgaben weiter zu belasten, ist grotesk und schädigend. So werden die Arbeitskosten - mit denen Deutschland bereits an der Spitze rangiert - nur weiter in die Höhe geschossen, was am Ende auch zu lasten der Angestellten geht.3 Das kann man natürlich mit dem beliebten linken Schlagwort der Solidarität vermarkten, ändert aber nichts daran, dass es eine unsinnvolle Maßnahme darstellt.


    Es braucht keine weitere Belastung der Unternehmen. Im Gegenteil, es braucht Entlastungen für kleine und mittelständische Unternehmen. Es braucht solide Bildung für Jugendliche, damit diese überhaupt als ernstzunehmende Bewerber für Unternehmen in Frage kommen. Es braucht Motivation, zielorientierte Branchenförderung und eine allgemeine gesellschaftliche Stärkung von Ausbildungen. Die Abiturflation und stetig hohe Studentenzahlen in teils brotlosen Künsten spricht für sich. Klare Perspektiven, florierende Wirtschaft und nicht zuletzt auch "Bock auf Arbeit" sind der Schlüssel.


    Ich empfehle daher den Abgeordneten, diesen Entwurf abzulehnen.


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  • Geht ans Rednerpult, während die Landtagspräsidentin Frau Schmidt die Sitzung weiterleitet


    Frau Präsidentin,

    Liebe Kolleg*innen,

    Verehrte Mitmenschen,


    in Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Das hat, wie die meisten vermutlich schon wissen, verheerende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Nicht nur die internationale Konkurrenzfähigkeit ist bedroht, sondern auch systemrelevante Einrichtungen. Auch wird Deutschland es verpassen, in Zukunftstechnologien einzusteigen und z.B. Projekte gegen den Klimawandel nur langsam angehen können. Der Fachkräftemangel hat also negative Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft.


    Gegen den Fachkräftemangel hilft nur eins: Unternehmen müssen sich gezielt darauf fokussieren, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen und dann entsprechend viele Ausbildungsstellen anbieten. Das alles kostet aber Geld und da nicht nur die Ausbildungsbetriebe, sondern die gesamte Wirtschaft von mehr Fachkräften profitiert, sollte auch jedes Unternehmen seinen Beitrag zur Finanzierung leisten.


    Eine Ausbildungsumlage würde dabei auch gerade kleinen und mittleren Betrieben helfen, die bei Ausbildungen überdurchschnittlich engagiert sind.


    Deshalb spreche ich mich für die Ausbildungsumlage aus.

  • Sehr geehrte Frau Präsidentin,

    sehr geehrte Kolleg*innen,


    sowohl der Redebeitrag der Kollegin Ashfadi als auch die Kommentierung dieses Gesetzesentwurfes von Seiten einer mehr als bekannten bayerischen Politikerin, welche sich eher bemüht in den sozialen Netzwerken Gesetzesentwürfe aus anderen Bundesländern zu kommentieren, als sich ihrer Aufgabe als Landes-, und Bundesministerin widmet, zeigt doch mal wieder wie wichtig dieser Gesetzesentwurf ist.


    Frau Kollegin Ashfadi, ich glaube sie missverstehen hier einige Dinge. Zunächst einmal sei gesagt und das sage ich auch durch eigene Lebenserfahrung und Berichten von Freund*innen, die in der Wirtschaft tätig sind: Die Zahl der Jugendlichen, welche nach dem Verlassen der Schule weitere Unterstützung benötigen wie auch jene der Betriebe, welche beim Finden von Auszubildenden und anschließend der Ausbildung Unterstützung brauchen, ist nicht zu unterschätzen. Auch dazu dient diese Ausbildungsumlage und genau das geht aus diesem Antrag hervor! Auch verkennen Sie, dass 2021 - und ja, da spielte die Corona-Pandemie sicherlich auch eine Rolle - auf 11.400 unbesetzte Ausbildungsstellen, 18.806 unvermittelte Bewerber*innen kommen. Das heißt im Umkehrschluss, dass 7366 junger Menschen nicht in Ausbildung kommen. Und dann sagen Sie, dass es der Ausbildungsumlage nicht bedarf? Verkennen Sie die Realität?!


    Und verkennen Sie hierbei nicht die Folgen. Dadurch entsteht zwangsläufig eine Ausbildungslücke und was ist daraus die Folge? Richtig; unqualifizierte Erwerbskräfte, in prekärer Beschäftigung, welche am Ende in Altersarmut resultiert. Ist dies ihr politischer Wille, Frau Kollegin? Ich hoffe und glaube dies nicht.


    Wir dürfen an dieser Stelle nicht verkennen, dass wir das strukturelle Problem haben, dass es gerade die genannten kleinen und mittelständischen Betriebe sind - vor allem im Handwerk - welche sich auf besondere Art und Weise in der Ausbildung engagieren. Sie sind die Schmiede unseres Fachkräftenachwuchs. Natürlich aus dem betriebseigenen Interesse der Fachkräftegewinnung, doch leider geht diese Rechnung in der Regel nicht auf; viele der Auszubildenden werden nach dem Ende ihrer Ausbildung von großen Industrieunternehmen abgeworben. Industrieunternehmen, welche im Verhältnis zu den bei ihr Beschäftigten (zu) wenig ausbilden. Die logische Schlussfolgerung daraus ist leicht, aber ich möchte Sie ihnen dennoch mitteilen: die Kleinen bilden für die großen aus. Eine ziemliche Ungerechtigkeit, finden sie nicht?


    Eines der gravierendsten Themen dieser Zeit - vor allem im Kontext mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf - ist der Fachkräftemangel, der sich annähernd branchenübergreifend, der sich noch einmal besonders drastisch im Handwerk zeigt. Und er bringt nicht nur die Betriebe in Not. In Not dadurch, dass die Betriebsinhaber*innen oft nicht wissen, wer die eigene Nachfolge eintreten soll, wenn der langersehnte Ruhestand erreicht ist. Es drohen auch volkswirtschaftliche Schäden, welche wir nicht unterschätzen dürfen, von der Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben mal ganz zu schweigen.


    Wir können uns, so glaube ich zumindest, alle auf eine Sache einigen: Es muss mehr ausgebildet werden!


    Warum dies nicht der Fall ist, darüber gibt es sicherlich divergente Meinungen. Man kann jetzt wieder den berühmten Fingerzeig auf das Bildungssystem betreiben, wie es ja von externen politischen Akteur*innen in den vergangenen Tagen getätigt wurde. Das Bildungssystem sei zu schlecht. In der Folge natürlich auch die Bewerber*innen. Ich möchte dazu sagen, dass ich glaube, dass niemand voran, allen voran meine Partei, sich gegen mehr Bildungsgerechtigkeit stellt. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr in die Bildung investiert wird und damit meine ich mehr als ein großangelegtes Digitalisierungsprogramm, womit auch nur minimale Symptombekämpfung betrieben wird. Gerade in den benachteiligen und von Armut betroffenen Quartieren muss effizienter gegengesteuert werden.


    Sollten wir von heute auf morgen die höchsten Bildungsausgaben unter den Bundesländern haben, ausreichend schulisches Personal haben, würde dies nichts daran ändern, dass hierdurch soziale Spaltung, Armutsspiralen und Ausgrenzung nur behelfsmäßig entgegengewirkt wäre. Und zumindest mir ist es ein besonders anlegen auch hierbei effektiv entgegenzusteuern.


    Zum Schluss noch zwei kleine Anmerkungen. Sie dürfen nicht verkennen, dass der Verwaltungsrat, sollte das Gesetz verabschiedet werden, mehrheitlich mit Vertreter*innen der Arbeitgeber*innenseite besetzt sein wird, bei der Ausgestaltung der Ausbildungsumlage - die absichtlich offen gehalten wurde - also einen großen Gestaltungsspielraum bekommt. Und zu ihrem Vorwurf, der Gesetzesentwurf sei in der letzten Legislaturperiode nicht verabschiedet wurden, weil es auch innerhalb der Koalition einen Dissens über diesen gab, kann ich sie beruhigen. Es war leider schlicht und ergreifend so, dass sich die Mehrheitsverhältnisse durch den Rückzug einzelner Kolleg*innen verändert hatte. Deswegen appelliere ich an Sie alle. Lassen Sie uns diesen Gesetzesentwurf verabschieden und eine wirksame Maßnahme einführen, welcher der Bekämpfung des Fachkräftemangels mehr als dienlich sein wird.


    Herzlichen Dank!

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    Mitglied des Deutschen Bundestages |12., 16., 20. und 21. Legislaturperiode |

    Vizepräsidentin des XX. Deutschen Bundestages

    Ehemalige Fraktionsvorsitzende der Internationalen Linke im Bundestag


    Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

    Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft

    Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Soziales, Kultur und Finanzen


    Generalsekretärin der I:L

    Ehemalige Parteivorsitzende der I:L



  • Ich schließe damit die Debatte. Die Abstimmung wird zeitnah eingeleitet.