Stimmen Sie dem Antrag in der Drucksache XV/012 zu? 11
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Ja (7) 64%
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Nein (3) 27%
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Enthaltung (1) 9%
Hiermit eröffne ich die Abstimmung.
Sie dauert 72 Stunden.
Alles anzeigenHiermit eröffne ich die Debatte zur Drucksache XV/012.
Die Debatte dauert 72 Stunden.
Ich erteile dem Bundesminister Paul Fuhrmann das Wort.
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Sehr geehrter Herr Präsident,
Ich möchte Ihnen mitteilen, dass die Gesetzesentwürfe dem Bundesrat für eine Stellungnahme vorlagen. Bundesminister Hohenelmen-Lützburg hat den einen Entwurf begründet. Der andere blieb unkommentiert.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Haßelmann
Präsidentin des Bundesrates
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Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
XY Ungelöst
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines [...] mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Justiz & für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Augstein
Bundeskanzler
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Bundesrat
Drucksache BR/XXX
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur strafrechtlichen Behandlung klimaaktivistischer Blockaden
A. Problem und Ziel
Klimaaktivisten blockieren durch unangemeldete Versammlungen systematisch öffentliche Verkehrswege, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Adressaten des Protests sind hier indes nicht politische Entscheidungsträger, sondern unbescholtene Bürger, die ihr subjektives Recht auf Gemeingebrauch der Straße in Anspruch nehmen und durch die regelmäßig stattfindenden Blockaden ihrerseits mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen haben: Geschäftstermine können nicht wahrgenommen werden, Arbeitnehmer riskieren eine Abmahnung und Lebenszeit wird sinnlos verschwendet. Schlimmstenfalls können Rettungsdienste den Einsatzort nicht rechtzeitig erreichen oder bringen transportierte Patienten zu spät ins Krankenhaus. Mit diesem Entwurf soll ein klares Zeichen des Rechtsstaats ausgesendet und die strafrechtliche Ahndung verschärft werden, wenn es zu einer konkreten Gefahr kommt. In einer freiheitlichen Demokratie steht es keiner partikularistischen Interessengruppe zu, ihre politischen Ziele mit Mitteln der Gewalt auf Kosten Unbeteiligter durchzusetzen. In diesem Zusammenhang wird auch § 34 StGB ergänzt, um das Gewaltmonopol des Staates abzusichern und einem Klimanotstand, wie er schon vereinzelt in der Rechtsprechung Anerkennung erfahren hat, eine klare Absage zu erteilen.
B. Lösung
Der Strafrahmen des § 240 StGB wird angehoben, wenn es zu einer konkreten Gefahr für ein benanntes Rechtsgut kommt. Diese Gefahr muss Ausdruck eines typischen Kausalverlaufs der Tat sein. Die nähere Konkretisierung des so umschriebenen Gefahrenzusammenhangs bleibt der Rechtsprechung vorbehalten. § 240 Abs. 2 StGB enthält keine wesentliche Änderung der Sache, sondern ist Ausdruck des Bestrebens der Bundesregierung, das Strafrecht als Teil der Gesamtrechtsordnung zu denken und weiterzuentwickeln. Wo das einfache Recht speziell regelt, welche Versammlungen erlaubt und welche Verboten sind, ist eine strafrechtsspezifische Abwägung mit offenem Ausgang fehl am Platze. Freilich ist bei der Prüfung, wie bisher, Art. 8 GG in die Abwägung einzustellen. Ein gesetzesakzessorisches Verständnis der Rechtswidrigkeit bzw. Angemessenheit liegt schließlich auch der schon angesprochenen Ergänzung des § 34 StGB zugrunde. Letztendlich folgt schon aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, dass die Judikative nicht befugt ist, Entscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch die Hintertür zu konterkarieren. Demgemäß muss öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Grenzwerten und ähnlichen Regelwerken in der Regel auch "strafrechtliche Drittwirkung" beigemessen werden.
C. Alternativen
Keine.
Begründung
Allgemeines: siehe Vorblatt
Einzelbegründung:
Zu § 34 Satz 3 StGB-E
§ 34 Satz 3 StGB-E stellt klar, dass solche Gefahren keine Notstandslage begründen, die von der Rechtsordnung als erlaubtes Risiko akzeptiert werden. Diese Klarstellung scheint angesichts der aktuellen Diskussion in Rechtsprechung und Literatur um Existenz und Reichweite eines Klimanotstandes, der zum Eingriff in fremde Rechtsgüter berechtigen soll, erforderlich. Nach Ansicht der Bundesregierung führte die Anerkennung eines rechtfertigenden Notstandes im Sinne von § 34 StGB des Inhalts, dass fremde Rechtsgüter verletzt werden dürfen, sofern ein erlaubtes Risiko, vermittelt über mehrere Zwischenschritte, zu einer Verschärfung des Klimawandels führt, zu einer bedenklichen Durchbrechung der Rechtsordnung als Ganzes. Der Täter würde legitimiert, seine eigenen Ordnungsvorstellungen im Wege der Selbsthilfe auf Kosten Dritter durchzusetzen und sich damit über die demokratischen Entscheidungsprozesse hinwegsetzen. Mehr noch führt ein so verstandener Klimanotstand zu der inakzeptablen Beschneidung des Notwehrrechts des Dritten. Im Fall des AG Flensburg (Urteil vom 06.12.2022, Az: 440 Cs 107 Js 7252/22) wurde angenommen, dass ein Klimaaktivist, der das befriedete Besitztum eines anderen trotz Aufforderung durch den Berechtigten nicht verließ, wegen § 34 StGB gerechtfertigt war, weil er die Tat beging, um einen Baum vor dessen Abholzung zu retten und so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Der Eigentümer des Grundstücks war Inhaber einer vollziehbaren Genehmigung, kraft derer er das Grundstück baulich nutze und die Bäume abholzen dürfte. Nach der Entscheidung des AG Flensburg hätte sich der Eigentümer aber möglicherweise strafbar gemacht, hätte er sich selbst dieses Angriffes erwehrt.
Damit werden nicht nur generelle Verantwortungszusammenhänge vermengt, sondern wird das Strafrecht auch als von der sonstigen Rechtsordnung isoliertes Rechtsgebiet gedacht. Beides kann nicht überzeugen. Für die Unrechtsfeststellung einer Nötigung im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB ist anerkannt, dass Fernziele außer Betracht zu bleiben haben, weil kein innerer Zusammenhang zwischen der Tat und dem erstrebten (End-)Ziel steht. Wenn diese Überlegung einer Unrechtsfeststellung nicht im Wege steht, darf sie umgekehrt eine bereits erfolgte Unrechtsindikation auch nicht wieder aufheben. Durch die Änderung wird der grundsätzliche Charakter des § 34 StGB als Ausdruck einer solidarischen Duldungspflicht auch gewahrt. Denn zu dem erlaubten Risiko auf Seiten des Täters muss zweitens eine Duldungspflicht des Täters bzw. des Dritten, zu dessen Schutz die Tat begangen wird, hinzukommen. Dies muss im Zweifelsfall durch Auslegung der einschlägigen Bestimmungen ermittelt wird. Im Allgemeinen ist aber davon auszugehen, dass Gesetze, welche eine Tätigkeit aktiv erlauben und/oder diese unter weitere Voraussetzungen stellen als Kehrseits auch eine Duldungspflicht für Dritte beinhaltet, welche durch die erlaubte Tätigkeit möglicherweise belastet werden. So ist das Autofahren, die Inverkehrgabe von Autos oder der Abbau von Kohle aufgrund eines genehmigten und vollziehbaren Betriebsplans notwendig mit einer Duldungspflicht für Dritte verbunden. Denn die betroffenen Interessen werden hier jeweils in die vom Gesetzgeber oder Behörden anzustellende Abwägung einbezogen. Soweit subjektive Rechte betroffen sind, mögen Gerichte diese Abwägung nachprüfen. Soweit man mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht eine auf die Schutzpflichtendimension der Grundrechte gestützte Normerlassklage für statthaft hält, mag dies zudem als ein milderes, ebenso effektives Mittel zur Abwendung der Gefahr angesehen werden. Dabei ist nochmals zu betonen, dass die individuellen Ordnungsvorstellungen völlig unbeachtlich sind. Diese können und müssen auf den hierfür eingerichteten politischen Kanälen eingebracht und durch ein geregeltes, demokratisches Verfahren ausdiskutiert werden. Zur Verletzung von Rechtsgütern Dritter berechtigen diese aber nicht.
Zu § 240 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 StGB-E
Mit § 240 Abs. 3 StGB setzt die Bundesregierung das vereinbarte Ziel um, insbesondere Blockaden von Klimaaktivisten strafrechtlich besser zu erfassen. Hierbei hat sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Schuldprinzips für die Ausgestaltung als konkretes Gefährdungsdelikt entschieden. Nur, wenn durch die Tat ein konkreter "Gefährdungserfolg" eingetreten ist, kommt es zu einer gegenüber § 240 Abs. 1 StGB erhöhten Strafe. In Abgrenzung zu § 315b Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB werden nicht nur solche Gefahren erfasst, die Ausdruck einer verkehrsspezifischen Gefahr sind, also der Fortbewegung von Fahrzeugen folgen. Vielmehr können auch solche Gefahren tatbestandlich erfasst werden, die aus dem Risiko der Blockade einer öffentlicher Straßen folgen und erfasst beispielsweise Fälle, in denen ein Krankenwagen durch die Blockade nicht mehr rechtzeitig zum Einsatzort gelangt oder umgekehrt einen Patienten nicht schnell genug in das Krankenhaus transportieren kann. Dies ist auch mit dem Rechtsgut des § 240 Abs. 1 StGB - der Freiheit der Willensbetätigung und -entschließung - vereinbar, denn Grund für die Blockade ist einzig und alleine die Unfähigkeit der Autofahrer, ihrem Fortbewegungswillen Ausdruck zu verleihen.
§ 240 Abs. 2 S. 2 StGB-E konkretisiert die Anforderungen an die Rechtswidrigkeit der Nötigung und stellt verwaltungsrechtsakzessorisch auf die Möglichkeit zur Auflösung ab. Es reicht die Möglichkeit aus. Die Strafbarkeit kann nicht von einer Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde abhängen.