Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich eröffne hiermit die Debatte über den Antrag auf Drucksache XI/012, den die Bundesregierung vorgelegt hat. Zunächst erhält der zuständige Minister, Herr Hajduk, das Wort.
Alles anzeigenBundesrat
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
der Bundeskanzler hat dem Bundesrat den nachstehenden Entwurf am 17. April 2022 zugeleitet, damit dieser die Möglichkeit zur Stellungnahme nach Art. 76 II GG hat.
Der Bundesrat hat sich nach Aussprache dazu entschieden keine Stellungnahme abzugeben, daher übersende ich Ihnen beiliegend den Gesetzesentwurf.
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Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Marius Wexler
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Regelung der Sterbehilfe und zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Linner
Bundeskanzler
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Bundesrat
Drucksache BR/104
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Regelung der Sterbehilfe und zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften
A. Problem und Ziel
Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil den § 217 StGB, der damals die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellte, für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020). Es hat hierbei klargestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben garantiert. Dieses Recht und diese Freiheit umfasse auch die Freiheit, sich für den Akt der Selbsttötung bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe in Anspruch zu nehmen, soweit diese angeboten wird. Infolgedessen wurde das Sterbehilfe-Reform-Gesetz vom 23. Januar 2021 verkündet, welches nach der Nichtigkeitserklärung des § 217 im damaligen Wortlaut eine grundlegende Regelung der Rechtslage schuf.
Die Bundesregierung will eine möglichst konkrete und mit dem Grundgesetz vereinbare gesetzliche Regulierung für die Sterbehilfe zu finden, um dem staatlichen Schutzauftrag zum Schutz des Lebens so gut wie möglich gerecht werden zu können, ohne das aus der persönlichen Autonomie folgende Recht auf selbstbestimmtes Sterben rechtswidrig einzuschränken. Die momentane Regelung der Sterbehilfe erachtet die Bundesregierung als verbesserungswürdig.
B. Lösung
Grundlegend wird das Sterbehilfe-Reformgesetz durch das neue Sterbehilfegesetz abgelöst.
Der nachfolgende Gesetzentwurf soll dem staatlichen Schutzauftrag gerecht werden, indem weiterhin sichergestellt werden soll, dass der oder die Sterbewillige den Entschluss zur Beendigung ihres oder seines Lebens selbstbestimmt, frei und unabhängig gefasst hat. Hierfür sieht der Gesetzentwurf ein neues dreistufiges Verfahren vor, das durchlaufen werden muss, bevor eine Ärztin oder ein Arzt der oder dem Sterbewilligen ein Medikament verschreiben darf, welches zur gefahrlosen Selbsttötung geeignet ist.
1. Zunächst soll sich die oder der Sterbewillige weiterhin einer Beratung unterziehen. Diese soll die oder den Sterbewilligen über Alternativen zur Selbsttötung und der Tragweite der Entscheidung für sich und das familiäre und freundschaftliche Umfeld aufklären. Je nach Ausführungen der oder des Sterbewilligen, soll auch über mögliche ärztliche Behandlungsmethoden, soziale oder wirtschaftliche Hilfen oder Möglichkeiten zur Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe informieren und ermutigen. Entsprechend konkretisiert dieser Entwurf den grundsätzlichen Ablauf des Beratungsgespräches.
2. Zusätzlich soll nach abgeschlossener Beratung durch zwei unabhängige Ärztinnen und Ärzte ein psychiatrisches Gutachten ausgestellt werden. Dieses soll abschließend bescheinigen, dass ein unumkehrbarer, begründeter Sterbewillen vorliegt und, dass die oder der Sterbewillige über die medizinischen Auswirkungen und mögliche Folgen und Nebenwirkungen des zu verschreibenden Medikaments zur Selbsttötung aufgeklärt worden ist.
3. Schließlich soll nach Ausstellung dieses Gutachtens eine erhöhte Wartefrist von sechs Monaten verstreichen, bevor das Medikament zur Selbsttötung verschrieben und verabreicht werden darf. Diese Wartefrist soll als Bedenkzeit dienen. Wenn der Sterbewille der oder des Betroffenen auch nach diesen sechs Monaten noch besteht, ist davon auszugehen, dass es sich um einen unumkehrbaren und gefestigten Sterbewillen handelt. In Härtefällen, wenn die oder der Sterbewillige etwa für einen längeren Zeitraum unzumutbare Schmerzen aushalten müsste, soll von dieser Frist abgewichen werden können.
Hinzukommend werden die gesetzlichen Vorgaben für den Vorzug der Selbsttötung sowie für Hilfsangebote und Beratungsstellen konkretisiert.
Künftig soll auch eine ausführliche Evaluierung des Gesetzes erfolgen, auch mithilfe zu führender Statistiken und anzufertigender schriftlicher Berichte.
C. Alternativen
Neben der Beibehaltung des Sterbehilfe-Reformgesetzens vom 23. Januar 2021 sind diverse alternative Verfahren zur gesetzlichen Regulierung der Sterbehilfe, mit und ohne Einbindung von Beratungsorganisationen sowie Ärztinnen und Ärzten, denkbar.
D. Kosten
Es entstehen geringe, nicht näher bezifferbare Kosten
1. für die Länder, zur Förderung der Beratungseinrichtungen und
2. für den Bund, zur Führung der Bundesstatistik und zur Evaluierung des Gesetzes.
Anlage 1
Begründung
Siehe Vorblatt.
Berlin, den 24. April 2022
Hochachtungsvoll
Sebastian Fürst
Vizepräsident des Bundesrates