DEBATTE | XI/008: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes (Tanzverbot an Karfreitag et al.)

  • Anmerkung der Präsidentin: geheim abstimmen lassen


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    AUSSPRACHE
    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    wir schreiten nun zur Aussprache über den von der Fraktion der Grünen eingebrachten (in der Anlage auffindbaren) 'Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes ' (Drs. XI/008). Die Dauer der Aussprache beträgt - den Regularien unserer Geschäftsordnung entsprechend - zweiundsiebzig Stunden, d. h., die Aussprache endet am Montag, den 15. April 2022, 23:59 Uhr.


    Ich eröffne die Aussprache.


    gez. Dr. Christ

    - Präsidentin des Bayerischen Landtages -


    Anlage: debattengegenständlicher Gesetzentwurf


  • Herr Präsident,


    nachfolgend möchte ich ein paar Worte zur Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Feiertagsgesetzes sprechen. Konkret wollen die Grünen durch diesen Gesetzesentwurf das Tanzverbot an Karfreitag kippen. Unabhängig davon, wie man zum Thema Religion stehen möge - meine Haltung dürfte ja einigen sicherlich bekannt sein -, ist es doch so, das zeigen Statistiken ja ganz eindeutig, dass die Zahl der Mitglieder einer der beiden Konfessionen seit mehr als dreißig Jahren deutlich rückläufig sind. Nein, die Zahl der Kirchenaustritte ist sogar steigend: zwischen 1990 und 2005 sind 2.346.092 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten - zwischen 2005 und 2020 sogar 3.712.561 Menschen. Wir reden hier von einer Ver-1,6-fachung in der Geschwindigkeit der Austritte aus der katholischen Kirche. Nehmen wir mal die Zahlen der evangelischen Kirche zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2005 sind aus jener 4.036.382 Menschen ausgetreten. Zwischen 2005 und 2020 sogar 5.149.408 Menschen. Hier haben wir eine Ver-1,3-fachung. Kurzum: die Geschwindigkeit der Kirchenaustritte steigert sich in nicht unerheblichem Maße. Derweil wächst die Vielfalt an verschiedenen Auffassungen zu Religionsfragen - auch die Zahl der Atheist*innen ist steigend. Die Anhänger*innenschaft des Christentums in Deutschland ist hingegen rückläufig. Und die von mir soeben vorgetragenen Zahlen beziehen sich nur auf die Zahl der Kirchenmitglieder. Dahingegen hat eine repräsentative Erhebung von Infratest Dimap gezeigt: 63 Prozent haben angegeben, Religion und Glaube allgemein (wohlgemerkt allgemein und nicht auf eine bestimmte Religion bezogen) hätten für sie nur eine geringe bis gar keine Bedeutung. Zudem lassen sich viele sogenannte "christliche Werte", von denen viele natürlich eine wichtige Grundlage für das gesellschaftliche Zusammenleben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bilden, noch weit vor Entstehung des Christentums zurückdatieren, sodass man korrekterweise von Werten sprechen muss, die von Christ*innen übernommen wurden.


    Parolen, die ein sogenanntes "christliches Abendland" propagieren, das Argument, Deutschland sei so sehr großartiger christlicher Prägung - diese vermögen es nicht, die Realität widerzuspiegeln. Auch wird die ungestörte Religionsausübung, wie es so manche unrichtigerweise behaupten, in keiner Weise eingeschränkt, mal abgesehen davon, dass die Kirche im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften dahingehend besondere Sonderrechte zugestanden bekommen hat, die überhaupt nicht angemessen sind. Einen ersten Schritt sind wir bereits durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungslage hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüche, das gleichzeitig einen aufgrund der Kirche gefassten Stadtratsbeschluss in Passau unter anderem nicht anwendbar macht, gegangen. Den vorherig genannten Umständen entsprechend ist eine Bevormundung eines großen Teiles der Bevölkerung nicht zeitgemäß; derartige Einschränkungen der Menschen mit einem derart großen Wirkungsfeld sind unangemessen und wer nicht möchte, dass Menschen unnötigerweise in ihrer Lebensführung eingeschränkt werden, der sollte unserem Gesetzesentwurf zustimmen - herzlichen Dank!

  • Frau Präsidentin,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    wir debattieren heute einen Antrag der Grünen der sich zum Ziel setzt, das Tanzverbot am Karfreitag zu kippen, wie die Kollegin Christ soeben erklärt hat. Dem stimme ich vollumfänglich zu. Keine Einwände.


    Einwände muss es bei diesem Gesetzentwurf wie er derzeitig vorliegt aber dennoch geben. Gemäß der neuen Fassung des Feiertagsgesetzes soll es stille Tage nur noch durch Verordnung des Innenministeriums geben. Die Aufhebung des Schutzes der stillen Tage, die in der Bevölkerung auch sonst keine Relevanz besitzen, ist sicherlich zu befürworten.

    Gleichzeitig wird jedoch auch dem Volkstrauertag - Trauertag! - und dem Heiligen Abend - ein Tag, der auch von vielen keiner christlichen Religionsgemeinschaft zugehörigen Bürgerinnen und Bürgern gefeiert wird - die Eigenschaft als stiller Tag abgesprochen.


    Ich für meine Zwecke werde, sofern möglich, dazu in den nächsten Tagen einen Änderungsantrag vorlegen.


    Vielen Dank!

  • Beschlossen und verkündet:

    Die Debatte wird um zweiundsiebzig weitere Stunden verlängert. Das Ende wird auf Donnerstag, den 21. April 2022, 23:58 Uhr, festgesetzt.


    Begründung:
    Der Antrag auf Debattenverlängerung ist rechtzeitig vor regulärem Debattenende gestellt worden; ebenso wurde das notwendige Unterstützendenquorum von zwei Mitgliedern dieses Hauses rechtzeitig vor regulärem Debattenende erreicht. Entsprechend ist die Aussprache nach § 23 Absatz 4 Satz 1 BayLTGeschO zu verlängern.


    München, den 18. April 2022


    gez. Dr. Christ

    (hiermit verkündet)

  • Es wird über den Änderungsantrag des Abgeordneten Kratzer (Drs. XI/008a) abgestimmt; entsprechend wird die Debattenfrist für die Dauer der Abstimmung gehemmt.

  • Wertes Präsidium,

    sehr geehrte Abgeordnete,


    Respekt! Respekt und gegenseitige Rücksichtnahme sind die Grundpfeiler unseres Zusammenlebens, religiös wie säkular. Aus diesem Respekt heraus - vor Gott, den Mitmenschen und den Verstorbenen - gibt es die stillen Tage, die Sie von der Grünen Fraktion nun fast gänzlich abschaffen wollen. Frau Christ, Sie begründen diesen Schritt damit, dass die Zahl der Kirchenmitglieder rückläufig ist, der Glaube nur noch für wenige Personen relevant ist und die Karfreitagsruhe somit nicht mehr zeitgemäß ist. Doch Ihre Darstellung beinhaltet nur ein Teilbild der tatsächlichen Lage. Denn: welche Relevanz hat es für den Freistaat Bayern, wenn in Ostfriesland jemand aus der Kirche austritt? Gemäß der Bundeszentrale für politische Bildung waren Ende 2018 48,8 % der bayerischen Bevölkerung römisch-katholisch und 17,9 % evangelisch. Insgesamt also noch ganze zwei Drittel der Bayerns Mitglied einer der großen Kirchen. Zusätzlich kommen noch Anhängende der byzantinischen und altorientalischen Kirchen hinzu. Bayern ist also nach wie vor ein sehr christlich geprägtes Land, unabhängig von Ihrer persönlichen Haltung gegenüber der Religion.


    Darüber hinaus hat der Glaube entgegen Ihrer Behauptungen für viele immer noch eine sehr große oder große Bedeutung. Die zuvor erwähnte infratest-dimap-Erhebung spricht immerhin von fast 40 % bezogen auf ganz Deutschland (einschließlich der großteils konfessionslosen Ostländer und Stadtstaaten!). Für Bayern erwartungsgemäß die Verteilung sogar mehr zugunsten der Gläubigen ausfallen.


    Um nun weg von den blanken Zahlen und zum eigentlichen Thema zu kommen. Der Karfreitag ist als Trauertag für das Leiden und den Tod von Jesus Christus der höchste Feiertag für zwei Milliarden Menschen weltweit. Unabhängig, ob man nun selbst gläubig ist, oder nicht, so müssen Sie, werte Abgeordnete, doch erkennen, welche immense Bedeutung er nach wie vor hat und ob es moralisch richtig ist, ausgelassene Tanzfeiern an einem Tag der allgemeinen Trauer zu veranstalten. Sehen Sie, in der Hochphase der Corona-Pandemie waren die Diskotheken und Clubs über ein ganzes Jahr lang geschlossen, und die Menschen haben ausreichend Alternativen gefunden. Kommt es da noch diese paar wenige Tage an, an denen man zumal immer noch in den eigenen vier Wänden Feiern veranstalten kann, wenn man es unbedingt für nötig erachtet?


    Selbst das Bundesverfassungsgericht sieht die grundsätzliche Existenz Stiller Tage als gerechtfertigt an, da niemandem eine innere Grundhaltung vorgeschrieben wird, sondern lediglich ein äußerlicher Ruherahmen entsprechend der Natur dieser Tage geschaffen wird.


    Zunebst den Anmerkungen von Herrn Kratzer den säkularen Volkstrauertag und den säkularisierten Heiligen Abend wieder aufzunehmen, zeigt sich der Antrag der Grünen gänzlich ungeeignet. Soll das Innenministerium nun Jahr für Jahr Karfreitag zum Stillen Tag erklären müssen, da er durchaus beim Großteil der Bevölkerung die Bedeutsamkeit einer Staatstrauer besitzt? Gleiches gilt für Allerheiligen und den Totensonntag, an dem auch die meisten säkularen Christen ihren verstorbenen Familienmitgliedern gedenken? Ihr Säkularisierungsbestreben in allen Ehren, aber das ist doch gänzlich unpraktisch. Die aktuelle Regelung ist nach wie vor die befriedigendste für alle.


    Da es dennoch Handlungsbedarf beim Feiertagsgesetz infolge eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 27. Oktober 2016 gibt (1 BvR 458/10) möchte ich einen Gegenantrag einbringen, der dem Rechnung trägt. Gleichsam beantrage ich beim Präsidium nach §28 Abs. 4 BayLTGeschO eine geheime Abstimmung durchzuführen, damit die Abgeordneten frei nach ihrem Gewissen und ohne äußere Zwänge entscheiden können.


    Vielen Dank!

  • Dr. Irina Christ

    Hat den Titel des Themas von „DEBATTE | XI/008: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes“ zu „DEBATTE | XI/008: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes (Tanzverbot an Karfreitag et al.)“ geändert.