Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich eröffne die Aussprache über den durch den Kollegen Kohle eingebrachten Antrag auf Drucksache X/009. Sie dauert gemäß Geschäftsordnung drei Tage. Ich erteile dem Antragsteller das Wort.
Alles anzeigenDeutscher Bundestag
Zehnte Wahlperiode
Drucksache X /009
Antrag
des Abgeordneten Helmut Kohle, Gruppe der CDSU
Reform der EU - Qualifizierte Mehrheit statt Einstimmigkeitsprinzip
Anlage 1
Helmut Kohle, Gruppe der CDSU
Begründung
"Aber das würde eine Vertragsänderung erfordern!"- Jeder, der sich bislang auch nur oberflächlich mit der EU im aktuellen politischen Geschehen beschäftigt hat, kennt diesen Satz. Es gibt ganz sicher viele gute Ansätze, die die EU flexibler und moderner machen würde, verworfen. Weil eben jeden Vertragsänderung nur bei Einstimmigkeit aller EU-Länder zustande kommen kann.
Gerade im Moment, scheint Einstimmigkeit bei allen wichtigen Fragen der EU quasi unmöglich. Aber eines steht bereits jetzt fest:
Wir werden Verträge früher oder später überarbeiten müssen.
Das Einstimmigkeitsprinzip wird speziell in Fragen der geltenden "Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik" (GASP) immer mehr zur Lähmung und somit Schwächung Europas. Und genau hier besteht in diesen Zeiten, in denen ein starkes Europa wichtiger denn je ist, Reformbedarf.
Speziell in der GASP ist es wichtig, rasch und mit klarer Stimme auf neue Entwicklungen zu reagieren. Andernfalls wird die EU, aber auch ihre Mitgliedstaaten, nicht ausreichend ernst genommen. Die EU hat sich zum Aufbau eines gemeinsamen diplomatischen Diensts entschieden. Dieser vermittelt bereits in Krisenherden und trägt zu einer friedlichen Entwicklung in aktuell heiklen Weltregionen bei. Derzeit wird eine gemeinsame Linie der EU aber oft durch einzelne Länder verhindert. Am Beispiel China zeigt sich, dass Einzelstaatsinteressen noch immer einer gemeinsamen Politik gegenüber dem wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Land entgegenstehen. Das schwächt letztlich die gesamte EU und ist eine Einladung auch für andere mächtige Drittstaaten, die Mitgliedstaaten gegeneinander auszuspielen.
Die EU wird weiterhin wachsen. Wenn mittelfristig die Staaten des westlichen Balkans beitreten, wird die EU aus mehr als 30 Mitgliedsstaaten bestehen. Mit den vergangenen EU-Erweiterungen wurde das Erfordernis der Einstimmigkeit im politischen Alltag teilweise schon gelockert, weil es sonst kaum möglich wäre, sich auf irgendetwas zu einigen. Mit der Erweiterung der EU muss auch die Flexibilität der EU weiter vorangetrieben werden.
Kein anderer Staatenbund fordert Einstimmigkeit für eine Änderung der föderalen Konstitution. In den Vereinigten Staaten bedarf es beispielsweise die Zustimmung von dreiviertel aller Staaten zur Änderung der Verfassung.
Nur die Mehrstimmigkeit wird Europa und die EU nachhaltig stärken und die "qualifizierte Mehrheit" ist das längst überfällige Instrument"
Damit Mehrheitsentscheidungen von einem Großteil der EU-Staaten und ihrer Bevölkerung mitgetragen werden, ist eine doppelte Mehrheit vorgesehen. Das heißt: Im Rat der EU müssen sich 55 Prozent der EU-Regierungen dafür entscheiden, die insgesamt mehr als 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Diese qualifizierte Mehrheit verhindert allzu leichtfertige Entscheidungen.