[DEBATTE] X/009 – Reform der EU - Qualifizierte Mehrheit statt Einstimmigkeitsprinzip

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich eröffne die Aussprache über den durch den Kollegen Kohle eingebrachten Antrag auf Drucksache X/009. Sie dauert gemäß Geschäftsordnung drei Tage. Ich erteile dem Antragsteller das Wort.

  • Sehr geehrte Frau Präsidentin,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    "Aber das würde eine Vertragsänderung erfordern!"- Jeder, der sich bislang auch nur oberflächlich mit der EU im aktuellen politischen Geschehen beschäftigt hat, kennt diesen Satz. Es gibt ganz sicher viele gute Ansätze, die die EU flexibler und moderner machen würde, verworfen. Weil eben jeden Vertragsänderung nur bei Einstimmigkeit aller EU-Länder zustande kommen kann.

    Gerade im Moment, scheint Einstimmigkeit bei allen wichtigen Fragen der EU quasi unmöglich. Aber eines steht bereits jetzt fest:

    Wir werden Verträge früher oder später überarbeiten müssen.


    Das Einstimmigkeitsprinzip wird speziell in Fragen der geltenden "Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik" (GASP) immer mehr zur Lähmung und somit Schwächung Europas. Und genau hier besteht in diesen Zeiten, in denen ein starkes Europa wichtiger denn je ist, Reformbedarf.

    Speziell in der GASP ist es wichtig, rasch und mit klarer Stimme auf neue Entwicklungen zu reagieren. Andernfalls wird die EU, aber auch ihre Mitgliedstaaten, nicht ausreichend ernst genommen. Die EU hat sich zum Aufbau eines gemeinsamen diplomatischen Diensts entschieden. Dieser vermittelt bereits in Krisenherden und trägt zu einer friedlichen Entwicklung in aktuell heiklen Weltregionen bei. Derzeit wird eine gemeinsame Linie der EU aber oft durch einzelne Länder verhindert. Am Beispiel China zeigt sich, dass Einzelstaatsinteressen noch immer einer gemeinsamen Politik gegenüber dem wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Land entgegenstehen. Das schwächt letztlich die gesamte EU und ist eine Einladung auch für andere mächtige Drittstaaten, die Mitgliedstaaten gegeneinander auszuspielen.


    Die EU wird weiterhin wachsen. Wenn mittelfristig die Staaten des westlichen Balkans beitreten, wird die EU aus mehr als 30 Mitgliedsstaaten bestehen. Mit den vergangenen EU-Erweiterungen wurde das Erfordernis der Einstimmigkeit im politischen Alltag teilweise schon gelockert, weil es sonst kaum möglich wäre, sich auf irgendetwas zu einigen. Mit der Erweiterung der EU muss auch die Flexibilität der EU weiter vorangetrieben werden.


    Kein anderer Staatenbund fordert Einstimmigkeit für eine Änderung der föderalen Konstitution. In den Vereinigten Staaten bedarf es beispielsweise die Zustimmung von dreiviertel aller Staaten zur Änderung der Verfassung.


    Nur die Mehrstimmigkeit wird Europa und die EU nachhaltig stärken und die "qualifizierte Mehrheit" ist das längst überfällige Instrument"

    Damit Mehrheitsentscheidungen von einem Großteil der EU-Staaten und ihrer Bevölkerung mitgetragen werden, ist eine doppelte Mehrheit vorgesehen. Das heißt: Im Rat der EU müssen sich 55 Prozent der EU-Regierungen dafür entscheiden, die insgesamt mehr als 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Diese qualifizierte Mehrheit verhindert allzu leichtfertige Entscheidungen.

    Vielen Dank

  • Sehr geehrte Frau Präsidentin,

    hohes Haus,

    ich stimme dem Antrag zu .

    Wenn Sie sich nun verwundert die Augen reiben, selbst die kleine Reform ist der Anfang vom Ende des jetigen EU.

    Gehen wir also njicht in wenigen großen Schritten , sondern in vielen kleinen.

    Jemehr wir von Bild der Moloch von Brüssel, der alles wie ein Krake verschlingt , wegkommen und wieder eine wirkliche freie Politik der Staaten Europas machen, je besser für de Völker Europas.

    Dr. Christian Theodor Felix Reichsgraf Schenk von Wildungen

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages,

    Präsident des bayrischen Landtages a.D.

    Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt a.D.

    Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat des Freistaates Bayern a.D.

    Ministerpräsident des Freistaates Bayern a.D.


    "Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."

    Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

    7398-verdienstkreuz-ii-jpg0930e48da0.jpg

  • Frau Präsidentin,


    ich möchte meine Ablehnung für den vorliegenden Entwurf zum Ausdruck bringen. Wenngleich ich dem Antragsteller zumindest in der Hinsicht zustimme, dass es Reformen in der Europäischen Union braucht, halte ich den eingebrachten Antrag für gefährlich. Es kann doch nicht unser Bestreben sein, der EU immer mehr Macht zuzuschieben. Die hier vorgetragene Forderung öffnet Tür und Tor, dass in immer mehr Angelegenheiten über den Kopf der Deutschen hinweg entschieden wird. Es muss jedoch unser Bestreben sein, die Interessen unserer Bevölkerung konsequent zu vertreten und zu verteidigen. Statt es der EU zu ermöglichen, die Eigenständigkeit der Mitgliedsstaaten immer weiter zu erodieren, sollten wir lieber die Landesparlamente wieder stärken. Nur mit dem Einstimmigkeitsprinzip können wir die Wahrung der nationalen Interessen und die nationale Souveränität sicherstellen. Doch ohnehin bietet die Einstimmigkeit auch viele Vorteile. Denn Kompromisse ermöglichen, dass die Beschlüsse wirklich von allen Mitgliedsstaaten mitgetragen werden. Die Einstimmigkeit sorgt dafür, dass zwingend alle Mitgliedsstaaten bei der Willensbildung eingebunden werden. Das ist überaus positiv zu bewerten. Und selbst wenn kein Kompromiss erzielbar ist, ist es insbesondere in Fragen der Außenpolitik immer möglich, seinen eigenen Weg zu beschreiten oder sich gar, ja es klingt verrückt, unabhängig vom Konstrukt der EU mit anderen Staaten auf einen gemeinsamen Kurs zu verständigen.


    Es wird die EU hingegen nicht stärken, wenn Mitglieder immer wieder überstimmt werden. Es wird den Unmut in den Ländern verstärken, deren Meinung keine Beachtung findet. Die Abkehr von der Einstimmigkeit wird die Europäische Union zerreißen, und Bewegungen, die den Austritt aus der Staatengemeinschaft fordern, immens stärken. Der angebrachte Vergleich des Abgeordneten mit den Vereinigten Staaten hinkt übrigens in vielfacher Hinsicht, allen voran aber schon alleine da die Vereinigten Staaten ein Nationalstaat sind. Ein europäischer Bundesstaat ist hingegen strikt abzulehnen. Gerne möchte ich auch noch darauf verweisen, dass sich erst 2019 achtzehn Mitgliedsstaaten dagegen ausgesprochen haben, mit den vorgeschlagenen Mehrheiten in Steuerfragen zu entscheiden. Wenngleich der Antragsteller in der Begründung nur über die Außen- und Sicherheitspolitik spricht, müsste sich die kommende Bundesregierung gemäß Antragstext in allen Belangen für ein Ende der Einstimmigkeit einsetzen. Glücklicherweise bräuchte es aber ohnehin die Einstimmigkeit, um ein Mehrheitsprinzip einzuführen. Das Prinzip der Einstimmigkeit kommt zwar momentan ohnehin nur noch in wenigen Fragen zum Tragen, doch diese sind alle von besonderer Relevanz. Es sind Bereiche, die die Zuständigkeit der Länder stark beschneiden. Es ist daher wichtig, hier an der Einstimmigkeit festzuhalten. Denn es darf beispielsweise nicht sein, dass in Rom oder Athen über Steuern entschieden wird, die infolgedessen auch bei uns zu entrichten sind. Entsprechend werbe ich um Ablehnung für den Antrag. Vielen Dank!