[Wahl] Bürgerschaftspräsidium

  • Tritt nach der Ergebnisfeststellung ans Redepult und setzt seine FFP2-Maske ab

    Sehr geehrter Herr Präsident,

    geschätzte Kolleg*innen,


    ich möchte mich zunächst bei all jenen bedanken, welche mir mit Ihrer Stimme das Vertrauen ausgesprochen haben, welches es bedarf, wenn man das Amt des Präsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft antritt. Es unterstützt mich dabei dieses Amt zum Wohle aller Abgeordneten und im Sinne der Würde dieses Hauses wahrzunehmen. Ich hoffe mit meiner Amtsführung diejenigen überzeugen zu können, welche mir ihre Stimme nicht gegeben haben.


    Der pluralistische Charakter der parlamentarischen Demokratie wurde durch die Wähler*innenentscheidung vom 14. November diesen Jahres bestätigt. Wir dürfen in dieser zweiten Wahlperiode mit der internationalen Linken und den Piraten zwei neue Parteien in diesem Hause begrüßen und neue parlamentarische Mehrheiten sind entstanden. Das zeigt, dass unsere Demokratie und das Parlament wandlungsfähig sind. Vor allem auch, wenn man bedenkt, wie viele neue Abgeordnete in dieser 2. Legislaturperiode in unseren Reihen platzgenommen haben. Ich möchte Sie - uns - alle herzlich in diesem Hause begrüßen.


    Doch ist mit einer steigenden Zahl Parlamentsneulinge auch immer das Ausscheiden „alter Hasen“ verbunden. Ich möchte all jenen Mitgliedern der Bürgerschaft, welche nicht wieder für ein Mandat angetreten sind, für ihre Arbeit zum Wohle unserer Freien und Hansestadt Hamburg meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Mein besonderer Dank gilt hierbei auch meiner Vorgängerin im Amt der Präsidentin der Bürgerschaft, Caroline Kaiser. Liebe Caroline Kaiser Sie haben sich für unser Parlament und Hamburg eingesetzt und das Amt der Präsidentin immer mit der notwendigen Fairness und Professionalität wahrgenommen und sind damit ein Vorbild für mich und alle unsere Nachfolger*innen.


    Das Amt welches ich heute übernehme und die besondere Verantwortung welche mit diesem einhergehen, sind mir bewusst. Unsere Demokratie wird auf der einen Seite immer dynamischer - auch durch den medialen Wandel, welcher den demokratischen Diskurs neue Räume bietet. Doch geht hiermit auch ein höherer Anspruch der Bürger*innen an die Politik einher Ein Anspruch der gerechtfertigt ist. So dreht sich die Politik um die Bürger*innen und eben nicht wie es manchmal den Anschein erweckt um sich selbst.


    Doch sind es nicht nur wachsende Ansprüche an uns als gewählte Volksvertreter*innen, nein, es ist eine Verrohung des politischen Diskurses zu konstatieren. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlamentes. Eine immer stärkende Polarisierung ist sowohl Ursache und Auswirkung dieser Tatsache - und verstehen Sie mich nicht falsch Politik kann und muss polarisieren, da Politik immer auch gleichzusetzen ist mit einem Wettbewerb der Ideen. Doch wenn diese Polarisierung darin endet, dass die Denunzierung des Gegenübers zum Hauptgeschäft von uns Parlamentarier*innen wird und nicht die Gestaltung des öffentlichen Lebens, sollten wir diesen Umstand reflektieren. Ich appelliere deswegen an uns alle: Lassen Sie uns das Argument Hauptausdruck unserer Überzeugungen sein lassen und nicht die Beleidigung.


    Die Corona-Pandemie dominiert weiterhin das Leben in Hamburg, Deutschland und der Welt. Wir befinden uns mitten in der vierten Welle und die existenziellen Sorgen denen sich viele Menschen ausgesetzt sehen, sind noch immer die Selben wie im März des vergangenen Jahres, als die Politik in der Verantwortung war das erste Mal tiefgreifende Entscheidungen zu treffen, welche einen weiteren Infektionsverlauf eindämmen sollte. Dass wir hier noch immer mit medizinischer Maske im Plenum sitzen ist nur ein Zeichen dafür, dass diese Maßnahmen (noch) nicht ausgereicht haben. Der Politik wird von Teilen der Bevölkerung Versagen vorgeworfen und die Konstruktivität im Austausch über dieses Thema lässt sich vielerorts vermissen. Ich möchte an dieser Stelle meine Amtsvorgängerin Carola Veit zitieren, welche in der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft vom 18. März 2020 gesagt hat:


    Ich appelliere auch an das Vertrauen. Lassen Sie uns davon ausgehen, dass alle, die jetzt Entscheidungen treffen, das Beste wollen. Wenn wir in der aktuellen Krise vor jeder Entscheidung erst endlose Diskussionen führen wollen, wenn jede oder jeder immer und überall seinen oder ihren Senf dazugeben will, dann werden wir eher grandios scheitern. Deswegen: konstruktive Anregungen ja, Genöle nein.

      


    Ja, die Corona-Pandemie stellt uns noch immer vor riesige Herausforderungen. Ja, die Maßnahmen haben nicht ausgereicht, aber wir dürfen damit nicht das Vertrauen in die Expert*innen verlieren, für die diese Situation genauso „neu“ ist, wie für uns. Lassen Sie uns dafür arbeiten, dass dieses Vertrauen nicht schwindet und lassen Sie uns die Solidarität, welche im vergangenen Jahr noch in unserem Land so stark und ausgeprägt war, nicht durch Hass und Hetze vergiften.


    Zum Abschluss noch einmal eine kleine Erinnerung an uns alle. Regierung und Parlament sind zwei voneinander getrennte Gewalten. Ja, auch in dieser Bürgerschaft wird eine Mehrheit den Senat unterstützen und eine Minderheit in Opposition zu diesem stehen. Doch lassen Sie unsvnicht vergessen. Die regierungstragenden Fraktionen müssen ihren kritischen Blick, auch für Anträge des Senats, nicht verlieren und die Opposition ihren Auftrag nicht fundamentalistisch wahrnehmen. - Vielen Dank.