Gesetz zur Reform der Regelung der Sterbehilfe und zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Gesetz zur Regelung der Sterbehilfe (Sterbehilfegesetz - SteHiG)
1 . A b s c h n i t t
Allgemeine Bestimmungen
§ 1
Zweck des Gesetzes und Anwendungsbereich
(1) Zweck des Gesetzes ist die Sicherstellung eines selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung.
(2) Dieses Gesetz regelt das Verfahren zur Ermöglichung einer straflosen Hilfe zur Selbsttötung nach § 217 StGB nach Maßgabe der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 und 2 GG vor dem Hintergrund des Schutzes des Lebens.
§ 2
Grundsätze
(1) Jede volljährige Person, die den freien, unabhängigen Willen gebildet hat, ihr Leben beenden zu möchten, hat das Recht, ihr Leben zu beenden und hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.
(2) Niemand kann verpflichtet werden, Hilfe zur Selbsttötung (Sterbehilfe) zu leisten. Dies umfasst auch die nach diesem Gesetz zulässigen Handlungen, Sterbewilligen Zugang zu Arzneimitteln zum Zwecke der Selbsttötung zu verschaffen.
2 . A b s c h n i t t
Verfahrensvorschriften
§ 3
Voraussetzungen für Verschreibung und Erwerb eines Arzneimittels zur Selbsttötung
(1) Zur Verschreibung eines Medikaments zum Zwecke der Selbsttötung muss
1. die sterbewillige Person eine Beratung nach §§ 4 bis 6 in Anspruch genommen haben,
2. die sterbewillige Person über ein psychiatrisches Gutachten nach §§ 7 und 8 verfügen sowie
3. die Wartefrist aus § 9 vergangen sein.
(2) Sind die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, kann ein Arzt der sterbewilligen Person ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung verschreiben. Der Arzt hat die sterbewillige Person gem. § 630e BGB aufzuklären. Er hat sich durch Vorlage der Bescheinigung nach § 5 Abs. 2 sowie des Gutachtens nach §§ 7 und 8 vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 zu überzeugen. Er darf ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung nur verschreiben, wenn er keine Zweifel an der Richtigkeit der ihm vorgelegten Dokumente hegt. Er hat die Verschreibung eines solchen Arzneimittels der nach Landesrecht zuständigen Stelle anzuzeigen.
(3) Für ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung darf kein höherer Preis als der ansonsten marktübliche verlangt werden.
1. Unterabschnitt
Sterbehilfe-Beratung
§ 4
Zweck der Beratung
(1) Die Beratung zur Inanspruchnahme von Sterbehilfe(Sterbehilfe-Beratung) ist ergebnisoffen zu führen. Die Beratung darf nicht belehren oder bevormunden und hat informierenden Charakter.
(2) Die Beratung dient dem Zweck, die sterbewillige Person oder die Person, die Informationen zur Sterbehilfe erhalten möchte, durch objektive Informationen dem Entschluss näher zu bringen, ihr Leben beenden oder nicht beenden zu wollen. Die Beratung soll darauf hinwirken, dass dieser Entschluss durch eine freie, selbstbestimmte Entscheidung getroffen wird und nicht auf unzulässiger äußerer Einflussnahme, Druck, Täuschung, Drohung oder Zwang beruht. Eine freie Willensbildung kann insbesondere durch die in §§ 104, 105, 1896 Abs. 1, 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2229 Abs.4 BGB beschriebenen Umstände ausgeschlossen sein.
§ 5
Inhalt der Beratung
(1) Die Beratung beinhaltet,
1. die Aufklärung über die Bedeutung und Tragweite der Selbsttötung, insbesondere auch für das nähere persönliche und familiäre Umfeld;
2. die Belehrung über die juristischen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sterbehilfe;
3. Informationen über
a) Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte, insbesondere infolge innerfamiliärer Streitigkeiten und Trennungen,
b) soziale und wirtschaftliche Hilfen, insbesondere finanzielle Leistungen sowie Hilfen bei der Suche nach Wohnung und Arbeits- oder Ausbildungsplatz,
c) Handlungsalternativen zur Selbsttötung und
d) Möglichkeiten therapeutischer, palliativer und schmerzlindernder Maßnahmen, soweit die sterbewillige Person ihrerseits entsprechende Informationen zu ihrem Gesundheitszustand zugänglich gemacht hat;
4. die Möglichkeit der Weitervermittlung an Besuchs- und Hospizdienste, Betreuungsvereine, sozialpsychiatrische Einrichtungen, Pflegestützpunkte, Ärzte oder Selbsthilfegruppen und
5. je nach Sachlage weitere erforderliche medizinische, soziale oder juristische Information.
Die Inhalte der Beratung sind je nach konkreter Situation und Anliegen der zu beratenden Person auszuwählen.
(2) Die Beratungsstelle hat auf Wunsch der sterbewilligen Person nach Abschluss der Beratung eine mit dem Namen der sterbewilligen Person und dem Datum der Beratung versehene Bescheinigung über die Inanspruchnahme der Sterbehilfe-Beratung auszustellen.
(3) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt unter der Beteiligung der Länder und in Zusammenarbeit mit Vertretern der Beratungseinrichtungen den Vertretern von Organisationen der Selbsttötungprävention sowie gemeinsam mit von ihr zu benennenden fachkundigen Einzelpersonen zum Zweck der Vermeidung von Selbsttötungen umfassendes Informationsmaterial sowie Konzepte für die Beratung. Das Informationsmaterial enthält insbesondere Hinweise auf Beratungsstellen, Kontaktadressen von Selbsthilfegruppen, Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung und weitere Hilfsangebote. Das Informationsmaterial wird durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verbreitet und auf Aufforderung unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
§ 6
Zugang und Durchführung der Beratung
(1) Jede Person, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, hat Zugang zur Sterbehilfe-Beratung. Soweit die Person nicht selbst dazu in der Lage ist in der Beratungsstelle zu erscheinen, so hat diese Person, soweit sie eine ärztliche Bescheinigung hierüber vorweisen kann, das Recht auf eine Durchführung der Beratung an einem ihr zugänglichen Ort. In begründeten Einzelfällen ist die Durchführung der Beratung mittels Kommunikationsmedien zulässig.
(2) Die Sterbehilfe-Beratung ist für die sterbewillige Person unentgeltlich.
(3) Eine Person, die bei der Anmeldung zur Beratung angibt, ihr Leben beenden zu wollen, ist priorisiert zu beraten.
(4) Soweit erforderlich, sind zur Beratung im Einvernehmen mit der zur Selbsttötung entschlossenen Person andere, insbesondere, ärztlich, fachärztlich, psychologisch, sozialpädagogisch, sozialarbeiterisch oder juristisch ausgebildete Fachkräfte sowie, falls die sterbewillige Person den Wunsch äußert, Angehörige hinzuzuziehen.
(5) An der Beratung teilnehmende Personen dürfen dem Sterbewilligen in keiner Weise Sterbehilfe leisten. Dies gilt nicht für an der Beratung teilnehmende Angehörige.
2. Unterabschnitt
Psychiatrisches Gutachten
§ 7
Zweck des Gutachtens
(1) Das psychiatrische Gutachten soll bescheinigen, dass der Sterbewillige frei, von akuten psychischen Störungen unbeeinflusst und selbstbestimmt den Willen gefasst hat, sein Leben zu beenden.
(2) Das Gutachten soll insbesondere auch bescheinigen, dass
1. die sterbewillige Person den ausstellenden Ärzten schriftlich bescheinigt hat, ihr Leben beenden zu wollen,
2. die sterbewillige Person den ausstellenden Ärzten mündlich die Gründe
a) für ihren Entschluss, ihr Leben beenden zu wollen und
b) warum staatliche oder private Hilfsangebote nicht geeignet sind, den Sterbewunsch zu beseitigen
dargelegt hat,
3. es sich bei dem Anliegen der sterbewilligen Person um einen in absehbarer Zeit nicht mehr veränderlichen Sterbewunsch handelt und
4. die sterbewillige Person über Wirkung und möglichen Nebenwirkungen von Arzneimitteln zum Zwecke der Selbsttötung aufgeklärt worden ist.
§ 8
Zugang und Ausstellung des Gutachtens
(1) Die Feststellung nach § 7 Abs. 2 hat durch zwei unabhängige Ärzte, nach Maßgabe der allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen.
(2) Die Feststellung nach § 7 Abs. 2 ist von den ausstellenden Ärzten schriftlich zu bescheinigen. Die Bescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 zweifelsfrei vorliegen und die zur Selbsttötung entschlossene Person entsprechend § 630e Absatz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches aufgeklärt worden ist.
(3) Mindestens ein ausstellender Arzt muss über den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie verfügen.
(4) Besteht zwischen den ausstellenden Ärzten keine Einigkeit über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 2, ist die Entscheidung des Betreuungsgerichtes über das Vorliegen der Voraussetzungen aus § 7 Abs. 2 einzuholen.
(5) Die ausstellenden Ärzte, die die Feststellung nach § 7 Abs. 2 vornehmen und schriftlich bescheinigen, dürfen dem Sterbewilligen, für den das Gutachten ausgestellt wird, in keiner Weise Sterbehilfe leisten.
(6) Die sterbewillige Person hat den ausstellenden Ärzten vor Beginn der Untersuchung die Bescheinigung nach § 5 Abs. 2 vorzulegen.
(7) Die ausstellenden Ärzte dürfen für die Ausstellung des Gutachtens eine Gebühr erheben, die den Betrag von jeweils 150 Euro nicht überschreiten darf.
3. Unterabschnitt
Wartefrist
§ 9
Wartefrist und Verkürzung bei unzumutbarer Härte
(1) Die Verschreibung eines Medikaments zum Zwecke der Selbsttötung darf erst erfolgen, wenn seit der Ausstellung des Gutachtens nach § 8 Abs. 2 mindestens sechs Monate vergangen sind.
(2) Im Einzelfall kann das Betreuungsgericht auf Antrag die Wartefirst aus Absatz 1 verkürzen, wenn die Einhaltung der Wartefrist für die sterbewillige Person eine unzumutbare Härte darstellen würde. Als unzumutbare Härte gelten insbesondere starke, nur unzureichend milderbare Schmerzen aufgrund bestehender physischer Erkrankungen.
4. Unterabschnitt
Umsetzung der Selbsttötung
§ 10
Vollzug des Sterbewunsches
(1) Die Selbsttötung muss durch die sterbewillige Person selbst in Ausübung ihres freien Willens vollzogen werden (Selbstvollzug). Auch Ärzte und Personen aus dem familiären Umfeld der sterbewilligen Person sind nicht zur Verabreichung des nach § 3 verschriebenen Medikamentes berechtigt.
(2) Die sterbewillige Person kann sich beim Vollzug des Sterbewunsches durch sie zu bestimmende natürliche oder juristische Personen begleiten lassen (Sterbebegleitung). Zu solchen Leistungen sind natürliche oder juristische Personen, welche Sterbebegleitung geschäftsmäßig anbieten (Hilfeanbieter), nur berechtigt, wenn sie hierzu nach § 12 Abs. 2 zugelassen sind.
(3) Auf Wunsch der sterbewilligen Person kann das aufgrund der Verschreibung nach § 3 erworbene Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung für die Dauer von maximal zwölf Wochen an einen Arzt oder einen zugelassen Hilfeanbieter abgegeben werden, um dieses im Rahmen der Selbsttötung der sterbewilligen Person zum Selbstvollzug auszuhändigen. Das Arzneimittel ist angemessen vor dem Zugang weiterer Personen gesichert aufzubewahren.
§ 11
Abbruch
(1) Erfolgt der Vollzug des Sterbewunsches nicht binnen zwölf Wochen nach Erwerb des Arzneimittels zum Zwecke der Selbsttötung, so ist das Arzneimittel zurückzugeben. Das Arzneimittel ist auch zurückzugeben, wenn die sterbewillige Person von ihrem Sterbewunsch abkehrt.
(2) Der Abbruch hindert nicht an einem erneuten Durchlaufen der Verfahren nach § 3 Abs. 1. Nach Abbruch sind die Verfahren aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erneut vollständig durchzuführen.
(3) Die Bescheinigung nach § 5 Abs. 2 sowie das Gutachten nach § 8 Abs. 2 sind ein Jahr lang gültig.
3 . A b s c h n i t t
Beratungsstellen und Hilfeanbieter
§ 12
Anerkennung
(1) Die Anerkennung von Beratungsstellen darf nur erfolgen, wenn sie die Gewähr für eine fachgerechte Beratung und deren Durchführung bietet, insbesondere
1. über hinreichend persönlich und fachlich qualifiziertes und der Zahl nach ausreichendes Personal verfügt, 2. mit Stellen und Einrichtungen zusammenarbeitet, die öffentliche oder private Hilfe für die den betroffenen Personenkreis anbietet, 3. im Bedarfsfall eine aufsuchende Beratung sichergestellt werden kann, und 4. mit keiner Einrichtung oder keinem Anbieter, die Hilfe zur Selbsttötung leisten, derart organisatorisch oder durch wirtschaftliche Interessen verbunden ist, dass hiernach ein materielles Interesse der Beratungseinrichtung an der Vornahme der Hilfe zur Selbsttötung nicht auszuschließen ist.
Als Beratungsstellen können auch Einrichtungen freier Träger sowie Ärztinnen und Ärzte anerkannt werden.
(2) Die Anerkennung von Hilfeanbietern darf nur erfolgen, wenn dieser die Gewähr für eine fachgerechte Unterstützung und Begleitung bei der Selbsttötung bietet, insbesondere
1. gesichert ist, dass sie und etwaiges zur Sterbebegleitung eingesetztes ehrenamtliches oder professionelles Personal die hierfür erforderliche Zuverlässigkeit besitzen,
2. er mit keiner Beratungseinrichtung nach Abs. 1 derart organisatorisch oder durch wirtschaftliche Interessen verbunden ist, dass hiernach ein materielles Interesse der Beratungseinrichtungen an der Vornahme der Hilfe zur Selbsttötung nicht auszuschließen ist, und 3. er die Sterbewilligen in entsprechender Anwendung des § 55 AO selbstlos zu unterstützen trachtet und
4. er als gemeinnützig im Sinne des § 52 AO anerkannt worden ist.
(3) Die für die Anerkennung zuständige Behörde wird durch das Landesrecht bestimmt. Sie hat von Amts wegen im Abstand von drei Jahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung nach Abs. 1 und 2 noch vorliegen. Sie kann sich du diesem Zwecke den Bericht nach § 16 vorlegen lassen. Liegt eine der Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 nicht mehr vor, ist die Anerkennung zu widerrufen.
§ 13
Öffentliche Förderung
(1) Zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Beratungsangebots tragen die Länder dafür Sorge, dass die Beratungsstellen nach § 6 eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten erhalten.
(2) Näheres regelt das Landesrecht.
§ 14
Kosten der Hilfe zur Selbsttötung
Für die Hilfe zur Selbsttötung dürfen Hilfeanbieter nicht mehr Entgelt als den Ersatz der angefallenen Kosten, eine angemessene Entschädigung oder die nachgewiesenen Auslagen verlangen.
4 . A b s c h n i t t
Statistik, Berichte und Evaluierung
§ 15
Bundesstatistik
(1) Über die nach diesem Gesetz vorgenommenen Selbsttötungen wird eine Bundesstatistik geführt. Die Statistik wird vom Statistischen Bundesamt erhoben und aufbereitet.
(2) Die auf das Kalenderhalbjahr zu beziehende Statistik umfasst folgende Erhebungsmerkmale:
1. die Vornahmen von Hilfen zur Selbsttötung und die konkrete Art der Hilfe zur Selbsttötung,
2. den Familienstand und das Alter der verstorbenen Person,
3. die Angabe, ob der Entschluss zur Selbsttötung in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Erkrankung steht,
4. die Anzahl der Abweichungen von der Wartefrist gemäß § 9 Abs. 2,
5. die Länder, in dem die Hilfe zur Selbsttötung vorgenommen worden ist und das Land oder der Staat im Ausland, in dem die verstorbene Person gewohnt hat,
6. die Angabe, wo die Hilfe zur Selbsttötung vorgenommen worden ist.
Für die Erhebung besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Organisationen, Einrichtungen und Personen, die innerhalb von zwei Jahren vor dem Quartalsende Hilfe zur Selbsttötung geleistet haben. Auskunftspflichtig sind insbesondere
1. die Landesärztekammern,
2. Hilfeanbieter,
3. Krankenhäuser, in denen Hilfe zur Selbsttötung geleistet wird,
4. Alten- und Pflegeheime, in denen Hilfe zur Selbsttötung geleistet wird.
§ 16
Schriftlicher Bericht
(1) Die Beratungsstellen sind verpflichtet, die ihrer Beratungstätigkeit zugrunde liegenden Maßstäbe und die dabei gesammelten Erfahrungen jährlich in einem schriftlichen Bericht niederzulegen. Hierfür hat die beratende Person über jedes Beratungsgespräch eine Aufzeichnung zu führen, welche keine Rückschlüsse auf die Identität der beratenden Person und der zum Beratungsgespräch hinzugezogenen weiteren Personen ermöglichen darf und nach Anfertigung des Berichts zu vernichten ist.
(2) Hilfeanbieter sind verpflichtet, die durch die Begleitung der Selbsttötung gesammelten Erfahrungen jährlich in einem schriftlichen Bericht niederzulegen.
(3) Die Berichte nach Abs. 1 und 2 dürfen keine Rückschlüsse auf die Identität der sterbewilligen Personen zulassen.
§ 17
Evaluation
(1) Die Bundesregierung erstellt jährlich, erstmals im Jahr 2023 einen Bericht über die Entwicklungen bezüglich der Hilfe zur Selbsttötung sowie die Einschätzungen hierüber sowie erkennbare Entwicklungen hinsichtlich potenzieller rein auf Gewinnstreben ausgerichteter Angebote.
(2) Die Bundesregierung evaluiert im Abstand von drei Jahren, erstmals im Jahr 2025, die Wirksamkeit dieses Gesetzes. Das Gesetz ist unter Beachtung der Grundsätze der Wissenschaftlichkeit, Objektivität und Transparenz und unter Heranziehung externen Sachverstands juristisch, medizinisch und in Hinblick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen umfassend zu evaluieren. Die Evaluierung hat auf Grundlage der Bundesstatistik nach § 15 und der schriftlichen Berichte nach § 16 zu erfolgen.
5 . A b s c h n i t t
Schlussbestimmungen
§ 18
Verordnungsermächtigungen
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates
1. nähere Einzelheiten zur Verschreibung und Preisgrenzen von Arzneimitteln zum Zwecke der Selbsttötung sowie zur Anzeigepflicht nach § 3 Abs. 2 Satz 5 zu bestimmen,
2. ergänzende Vorgaben zum Inhalt der Sterbehilfe-Beratung, zur Anforderung an die Bescheinigung nach § 5 Abs. 2 sowie zum Informationsmaterial nach § 5 Abs. 3 zu machen,
3. nähere Einzelheiten zu den Anforderungen an die Durchführung der Sterbehilfe-Beratung an anderen Orten als den Beratungsstellen oder mittels Kommunikationsmedien zu bestimmen,
4. ergänzende Vorgaben zu durch das Gutachten nach § 7 zu bescheinigende Kriterien zu machen
5. nähere Einzelheiten zu den den Gutachten zugrundeliegenden Maßgaben, den notwendigen Qualifikationen der das Gutachten ausstellenden Ärzte sowie das Verfahren vor dem Betreuungsgericht nach § 8 Abs. 4 zu bestimmen,
6. weitere Kriterien zum Vorliegen eines Falles unzumutbarer Härte nach § 9 Abs. 2 zu bestimmen,
7. nähere Einzelheiten zu den zulässigen Arten der Sterbebegleitung sowie die Anforderungen an die Aufbewahrung von Arzneimitteln zum Zwecke der Selbsttötung nach § 10 Abs. 3 zu bestimmen,
8. ergänzende Vorgaben zu den Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 zu machen,
9. nähere Einzelheiten zum zulässigen Entgelt für die Kosten der Hilfe zur Selbsttötung sowie zu entsprechenden Nachweisen zu bestimmen,
10. den Katalog der Erhebungsmerkmale aus § 15 Abs. 2 Satz 1 zu erweitern,
11. nähere Einzelheiten zur Auskunftspflicht nach § 15 Abs. 2 Satz 2 und 3 zu bestimmen und
12. nähere Einzelheiten zu den Anforderungen an den schriftlichen Bericht nach § 16 Abs. 1 und 2 zu bestimmen.
§ 19
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. entgegen § 2 Abs. 2 jemanden dazu verpflichtet, Sterbehilfe zu leisten oder Sterbewilligen Zugang zu Arzneimitteln zum Zwecke der Selbsttötung zu verschaffen,
2. entgegen § 3 Abs. 2 Satz 5 die Verschreibung eines Arzneimittels zum Zwecke der Selbsttötung nicht der nach Landesrecht zuständigen Stelle anzeigt,
3. entgegen § 8 Abs. 7 eine den gesetzlichen Höchstbetrag übersteigende Gebühr zur Ausstellung des psychiatrischen Gutachtens nach §§ 7 und 8 erhebt,
4. entgegen § 10 Abs. 2 Satz 2 ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung ohne angemessene Sicherung aufbewahrt,
5. entgegen § 11 Abs. 1 ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung nicht zurückgibt,
6. entgegen § 12 Abs. 1 und 2 ohne Zulassung eine Beratungsstelle betreibt oder als Hilfeanbieter agiert oder
7. entgegen § 14 für die Hilfe zur Selbsttötung eine unangemessene Entschädigung verlangt.
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
(2) Ordnungswidrig handelt auch, wer in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Hilfe zur Selbsttötung oder
2. für Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung, wirbt oder in sonstiger Weise anpreist.
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu hunderttausend Euro geahndet werden. Satz 1 gilt nicht für Ärzte und nach diesem Gesetz anerkannte Beratungsstellen bei der sachlichen Information
1. darüber, wer Tätigkeiten im Rahmen dieses Gesetzes vornimmt oder anbietet,
2. über Abläufe, die im Rahmen der Sterbehilfe und dieses Gesetzes zu beachten sind und
3. über die Wirkungsweise eingesetzter Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung.
Satz 1 gilt auch nicht, wenn die Ordnungswidrigkeit gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handeln mit den in Absatz 1 Nummer 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.
(3) § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG ist anzuwenden.
Artikel 2
Änderung des Strafgesetzbuches
1. Nach § 216 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. November 2021 geändert worden ist, wird ein § 217 angefügt und wie folgt gefasst:
"§ 217
Hilfe zur Selbsttötung
(1) Wer die Selbsttötung eines anderen fördert oder diesem hierzu Gelegenheit gewährt oder verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 des Sterbehilfegesetzes erfüllt sind und derjenige, der der zur Selbsttötung entschlossenen Person Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, sich über das Vorliegen dieser Voraussetzungen vergewissert hat.
(3) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten ist oder diesem nahesteht, soweit die Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 des Sterbehilfegesetzes erfüllt sind."
2. In der Inhaltsübersicht des Strafgesetzbuches wird die Angabe zu § 217 wie folgt gefasst: "§ 217 Hilfe zur Selbsttötung".
Artikel 3
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes
In § 13 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1691) geändert worden ist, wird nach Satz 2 folgende Sätze 3 und 4 eingefügt:
"Die Anwendung ist begründet, wenn die Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 des Sterbehilfegesetzes erfüllt sind. Satz 3 gilt nur für Ärzte."
Artikel 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Sterbehilfe-Reformgesetz vom 23. Januar 2021 außer Kraft.