AKTUELLE STUNDE VII/011 | Abgabe einer Regierungserklärung

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    AKTUELLE STUNDE VIII/011

    zur Abgabe einer Regierungserklärung


    Die Dauer beträgt gemäß unser Geschäftsordnung drei Tage.


  • geht bereits am Morgen etwas eilig zum Rednerpult


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,


    in den letzten Tag hat sich eine in Deutschland bisher einzigartige Form des Regierens gebildet, nachdem die Koalitionsverhanldungen zwischen meiner SDP und den Grünen bedauerlicherweise scheiterten. Dass Grüne und Piraten anschließend jedoch dennoch mutig und verantwortungsvoll geung waren, eine sozialdemokratische Minderheitsregierung unter meiner Führung zu tolerieren und die damit praktisch gar nicht mehr existierende vorherige Bundesregierung zu ersetzen, war wichtig und richtig gewesen.


    Nun steht für mein Kabinett und mich eine komplizierte und große Aufgabe an. Wir müssen die zahlreichen mal mehr und mal weniger positiven Entwicklungen der letzten Wochen verarbeiten und politisch darauf reagieren, nachdem die Regierung unter dem ehemaligen Bundeskanzler Merz dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Wir müssen uns Klarheit über die Situation in Afghanistan verschaffen und Sicherheit für die Ortskräfte der BUndeswehr schaffen. Die Menschen in den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz brauchen eine Perspektive für die ZUkunft und dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass sich die Bundesregierung nicht um das Leid dieser Menschen kümmern will. Die Corona-IMpfungen müssen auch weiterhin laufen, um eine Dramatisierung der Lage auf den letzten Metern auszuschließen. Und das sind nur die offensichtlichsten Dinge, um die sich mein Kabinett und ich kümmern will und wird.


    Berechtigterweise fragen sich einige unter Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Bürgerinnen und Bürger, wie wir das denn schaffen wollen, wenn wir nicht einmal eine stabile Mehrheit im Bundestag haben. Es wird gewiss keine Aufgabe, die leicht ist. Doch ich glaube fest daran, dass die Demokratie und der Parlamentarismus in Deutschland eine MInderheitsregierung ermöglichen. Und ich glaube fest daran, dass die Abgeordneten dieses hohen Hauses die Vernunft besitzen, um nicht jedes Vorhaben konsequent abzulehnen und ein Regieren so unmöglich zu machen. Ich denke, dass persönliche Streitereien den Inhalten weichen können - und ich hoffe darauf, um Deutschland regieren zu können.


    Werte Kolleginnen und Kollegen, lasst uns diese Art des Regierens nicht daran scheitern lassen, dass wir nicht zusammenarbeiten, um Deutschland zu verbessern.


    Doch was plant die Regierung eigentlich? Mein kabinett und ich haben unterschiedliche Vorhaben im Auge, viele davon können beispielsweise in unserem Wahlprogramm nachgelesen werden. Wir möchten aber auch andere Ziele umsetzen, wie etwa die Sicherung der afghanischen Ortskräfte. Die nächsten Schritte werden aber welche sein, die wir als SDP-Bundestagsfraktion bereits letzte Legislaturperiode vorbereitet haben. Wir werden erneut das Lieferkettengesetz einbringen und endlich an der Inklusion von Menschen mit Behinderung arbeiten. Die Regierungsarbeit beginnt dabei schon heute. Am Nachmittag werde ich zu meiner Antrittsreise nach Frankreich reisen und Gespräche mit dem französischen Präsidenten Macron führen. Und weitere Gespräche und Maßnahmen werden folgen.


    Vielen Dank!

  • Herr Präsident,


    ich freue mich, als Oppositionsführer nun das Wort ergreifen und auf die Rede des Bundeskanzlers antworten zu dürfen.


    Zu Beginn möchte ich erst einmal einen positiven Aspekt hervorheben. Es ist erfreulich, dass Bundeskanzler Regenborn eine Regierungserklärung in dieser Sitzung abgegeben hat, und das sogar ziemlich zügig. Das ist ja durchaus nicht selbstverständlich bei Regierungschefs aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei, wie die letzten Tage gezeigt haben. Ebenso freue ich mich, dass die Außenpolitik schon zu Beginn der Amtszeit wiederbelebt wird. Doch es wird sich zeigen müssen, ob dies von langer Dauer sein wird. Es wäre zu hoffen, doch auch die vergangene Bundesregierung hat sich in den ersten Tagen auf internationaler Ebene präsent gezeigt. Das Engagement der grünen Außenministerin war aber nicht von sehr langer Dauer. Auf internationaler Ebene braucht die deutsche Politik allen voran wieder Verlässlichkeit. Auch in der letzten Legislaturperiode hat unser Kanzler den Weg nach Frankreich geschafft, mehr leider nicht. Und unser amtierender Bundespräsident, auch durch die Unterstützung der Sozialdemokraten ins Amt gehievt, macht sowieso nicht mehr als das Nötigste. Die Bundesrepublik braucht aber aktive Partnerschaften und gute Beziehungen mit unseren Freunden in aller Welt. Insbesondere auch ein stetiger Austausch mit der US-Regierung ist unerlässlich. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Bundesregierung frühzeitig den Austausch mit der Belford-Administration suchen will.


    Kanzler Regenborn meinte bei seinem Antrittsbesuch in Frankreich, dass er und Präsident Macron sich einig waren, dass, ich zitiere, "die Redemokratisierung Afghanistans nun vorangetrieben werden muss." Ich war heute Mittag entsprechend überaus verwundert, als Bundesminister Rütt in Brüssel ankündigte, dass, ich zitiere, "die Bundesrepublik ein eventuelles neues Engagement in Afghanistan, dass über das Ausfliegen von Ortskräften und deren Angehörigen hinausgeht" ausschließe. Eine katastrophale Entscheidung. Am morgigen Tag begehen wir den 20. Jahrestags der Terroranschläge vom 11. September 2001. Es ist ein fatales Signal an die Vereinigten Staaten und an die internationale Gemeinschaft, wenn Deutschland seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Wir müssen - im Rahmen einer internationalen Mission - unseren Teil zu der von Kanzler Regenborn angestrebten Redemokratisierung beitragen. Alles andere wäre unseren Verbündeten nicht vermittelbar, und auch ein desaströses Zeichen an alle Bürger Afghanistans. Der Bundestag hat erst vor kurzer Zeit auch mit den Stimmen der Sozialdemokratischen Fraktion ein robustes Mandat bis zum Ende des Jahres beschlossen. Den gewährten Rahmen sollte die Regierung voll ausschöpfen. Es braucht, wie durch den Bundestag beschlossen, im Zusammenspiel mit Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und den Vertragsstaaten der NATO eine gemeinsame Reaktion humanitärer und militärischer Art, um die Sicherheit in Afghanistan zu gewährleisten, und den Kampf gegen den Terrorismus zu verfolgen. Ich appelliere an die Regierung, die Position im Hinblick auf den Einsatz unserer Streitkräfte in Afghanistan schnellstmöglich zu überdenken und zu ändern! Denn wir können nicht die gesamte Verantwortung den Vereinigten Staaten überlassen.


    Herr Bundeskanzler, Sie erkennen an, dass Sie über keine sicheren Mehrheiten im Parlament verfügen. Nicht einmal alle Abgeordneten der drei Fraktionen, die diese Regierung repräsentieren oder tolerieren sollen, haben bei der Kanzlerwahl ihre Zustimmung erteilt. Nicht umsonst brauchte es nicht nur die Mehrheit von Sozialdemokraten und Grünen sondern zusätzlich die Unterstützung der Piraten. Die Kanzlerschaft steht auf wackeligen Beinen. Sie hätten ja auch eine Koalition mit der Allianz verhandeln können. Wir haben bereits am Wahlabend und auch später nochmal unsere Bereitschaft dazu bekräftigt. Sie haben sich in diesen schwierigen Zeiten aber bewusst dagegen entschieden. Eine gewagte Entscheidung. Ich hoffe, diese Konstellation wird diese Regierung und somit die Bundespolitik nicht lähmen. Sie haben es in der Hand. Sie äußern den Glauben daran, dass, ich zitiere, "die Demokratie und der Parlamentarismus in Deutschland eine Minderheitsregierung ermöglichen". Dann sollte die Politik der Bundesregierung bitte auch den Beschlüssen des Bundestags folgen, und nicht davon abweichen. Dann sollten sich die Bundesregierung und die Abgeordneten der Regierungsfraktion doch bitte auch aktiv an den Debatten beteiligen. Nicht nur, wie im bisherigen Verlauf der aktuellen Legislaturperiode, wenn Anträge des FFD auf der Tagesordnung stehen.


    Sie wollen, ich zitiere, "die zahlreichen mal mehr und mal weniger positiven Entwicklungen der letzten Wochen verarbeiten und politisch darauf reagieren, nachdem die Regierung unter dem ehemaligen Bundeskanzler Merz dieser Aufgabe nicht gewachsen war". Sie äußern durchaus berechtigte Kritik an der letzten Regierung, aber müssen sich auch an die eigene Nase fassen. Die Sozialdemokratische Partei war auch im vergangenen Bundestag stark vertreten und hätte Initiativen zu allen möglichen Themen einbringen oder die ehemalige Bundesregierung zum Handeln auffordern können. Sie haben sich, obwohl Sie die ehemalige Regierung teilweise durchaus berechtigt kritisieren, bewusst dafür entschieden, nur mit den Grünen Gespräche zur Regierungsbildung zu führen, die ja an der bisherigen Bundesregierung beteiligt waren - und möglicherweise kein schlechteres aber sicherlich auch kein besseres Bild als die anderen Regierungsparteien abgegeben haben. Besonders auch verstärkt nochmal seit der Bundestagswahl, als Verteidigungsminister Heusinger der einzige noch präsente Vertreter der amtierenden Regierung war. Die Grünen, deren Vertreter bereits im Laufe des Wahlabends zu verstehen gegeben hatten, dass die Partei einer erneuten Beteiligung an der Bundesregierung eher skeptisch gegenüber steht. Die zweite realistische Option für eine Mehrheit haben Sie hingegen von Beginn an ausgeschlossen. Das Resultat ist nun nicht nur eine Minderheitsregierung, sondern auch eine außergewöhnliche Verteilung der Ressorts. Bundesminister Rütt verantwortet sowohl die Leitung des Auswärtigen Amts als auch das Bundesverteidigungsministerium und den Bereich der Entwicklungshilfe. Bundesminister Miller, dessen Regierung in Niedersachsen zuletzt eine ganze Legislaturperiode ohne auch nur eine einzige Initiative vollbracht hat, wird nun die Bereiche Wirtschaft, Finanzen, Inneres und Justiz verantworten. Beide sollen diesen Aufgaben Ihrer Ansicht nach eher als die letzte Bundesregierung gewachsen sein. Überhaupt verfügt die neue Bundesregierung nur über fünf Minister. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, eine überparteiliche Regierung zu bilden, und Vertreter aus den verschiedensten Parteien oder auch Parteilose als Minister zu berufen oder zumindest in anderer Funktion in die Arbeit der Ministerien einzubinden. Bundeskanzler Regenborn und die Sozialdemokratische Partei haben sich dagegen entschieden.


    Herr Bundeskanzler, Sie haben nun mindestens zwei Wochen dieser Legislaturperiode mit den Gesprächen mit den Vertretern der Grünen vergeudet. Den gleichen Stand der Dinge wie heute hätten wir auch bereits kurz nach der Bundestagswahl haben können. Dann wäre das von Ihnen so stark kritisierte Kabinett Merz bereits viel früher aus dem Amt ausgeschieden. Ich muss übrigens sagen, die Informationspolitik über den Verlauf der Regierungsbildung war von Beginn an eine reine Katastrophe. Vor der vorletzten Wahl plakatierten Ihre Sozialdemokraten mit Ihnen als Kanzlerkandidat, dass es zwar das Hinterzimmer mit Ihnen, ich zitiere, "weiterhin geben", bei Ihnen, ich zitiere, "die Tür aber immer offen stehen" würde. Ihre Regierung wird sich auf jeden Fall daran messen lassen müssen. Ich weiß nicht, ob sie dem bisher im Laufe der Regierungsbildung gerecht wurden. Auch mit Blick auf die Frage, wieso die Verhandlungen mit den Grünen nun gescheitert sind? Dr. Kerstin Siegmann von den Grünen antwortete auf die Frage, dass sie, ich zitiere, "ohne entsprechende Freigabe durch unsere Verhandlungspartner als auch unsere Mitglieder" nicht über solche vertraulichen Themen sprechen könne. Bitte erteilen Sie den Grünen und Frau Dr. Siegmann die Freigabe! Es liegt im Interesse der Öffentlichkeit, der kompletten Wählerschaft und der ganzen Bevölkerung.


    Werte Abgeordnete, ich bin sehr skeptisch, was die neue Bundesregierung anbelangt. Politisch ohnehin, wenn Sie ankündigen, dass Sie allen voran Vorhaben aus dem Programm Ihrer Partei umsetzen wollen, wenngleich alles andere ja auch verwundert hätte. Viel mehr haben Sie ja leider nicht über die Pläne der Regierung preisgegeben und einen Koalitionsvertrag gibt es unter den gegebenen Umständen ja nicht. Ich finde es tatsächlich sehr schade, wie unkonkret der Kanzler mit Blick auf die Ziele der Regierung bleibt. Der Informationsgehalt dieser Regierungserklärung ist von ähnlicher Qualität wie die Informationspolitik der letzten Wochen. Es bleiben viele Fragen offen. Die Bürger hätten Antworten verdient. Viel schlauer sind wir nach dieser Erklärung immer noch nicht. Ich könnte nun das gesamte Wahlprogramm der Sozialdemokratischen Partei auseinanderpflücken, doch das erspare ich uns nun lieber. Ich hoffe einfach, die einzelnen Minister stellen der Öffentlichkeit noch ihre Pläne für die Legislaturperiode vor und sind auskunftsfreudiger. Und ich hoffe, dass die Bundesregierung eine Politik für die gesamte Bevölkerung und nicht nur für die eigene Wählerschaft umsetzen wird. Dass auch Themen und Initiativen in den Fokus rücken, die normalerweise vielleicht eher andere Parteien vertreten würden. Sie repräsentieren nun nicht nur eigene Wählerschichten sondern das ganze Land. Die Ankündigung, nicht nur Themen aus dem Wahlprogramm umsetzen zu wollen, sondern beispielsweise auch die Hilfen für die Flutopfer gewährleisten und das Impfprogramm vorantreiben zu wollen, ist zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer.


    Besonders skeptisch bin ich mit Blick auf die Zusammenstellung des Kabinetts. Die Regierung hat sich viel aufgebürdet, allen voran Bundesminister Miller. Ich bin sehr gespannt, wie er nun diese vier Geschäftsbereiche alle gleichwertig in seiner Arbeit in den kommenden sechs Wochen bis zu der nächsten Bundestagswahl berücksichtigen will. Es ist bloß zu hoffen, dass der außergewöhnliche Zuschnitt der Ministerien nicht bedeutet, dass diese vier wichtigen Ressorts in der Arbeit der Bundesregierung kaum oder keine Beachtung finden sollen, und Bundesminister Miller ähnlich wie zuletzt in Niedersachsen nur verwalten statt gestalten soll. So oder so ist es erstaunlich, dass es keine anderen oder keine besseren Kandidaten für vier unterschiedliche Geschäftsbereiche gegeben haben soll. Falls dem so ist, wäre Minister Miller aber vielleicht sogar der bessere Kanzlerkandidat gewesen. Doch durch den gewählten Zuschnitt - die Bezeichnung Superministerium reicht hier wahrscheinlich nicht mal aus - haben er und sicherlich auch Minister Rütt ohnehin schon ähnliche Stellungen inne und tragen sicher in den kommenden Wochen kaum weniger Verantwortung als Bundeskanzler Regenborn. Es ist gut, dass die Arbeit der Regierung direkt beginnt, doch wer mit aktiver Führung wirbt, sollte dem auch gerecht werden. Die Wähler durften Entsprechendes erwarten.


    Werte Zuhörer, ich werde die Arbeit der neuen Bundesregierung interessiert verfolgen. Die Allianz-Fraktion und die Liberal-Konservative Allianz werden die Arbeit der Regierung kritisch aber stets konstruktiv begleiten. Wir werden, wie schon in den vergangenen Wochen, unserer Verantwortung als zweitstärkste Kraft und als größte Oppositionspartei im Bundestag gerecht werden. Wir stehen für eine solide Finanz- und eine vernunftbasierte Corona-Politik, Recht und Ordnung, eine geregelte Einwanderungs- und eine ideologiefreie Umweltpolitik, für wirtschaftliche Freiheit, eine klare Haltung in der Außen- und eine verantwortungsbewusste Verteidigungspolitik. Wir wollen die Digitalisierung vorantreiben und eine Politik, die die Wirtschaft, den Mittelstand und junge Unternehmen stärkt. Entsprechend wird auch unsere Arbeit im weiteren Verlauf der Legislaturperiode aussehen und fortgeführt werden. Ich kann Ihnen versichern, dass die Allianz-Fraktion sich konstruktiv und aktiv mit Gesetzesentwürfen der Bundesregierung und aller anderen Fraktionen auseinandersetzen wird. Wir werden keine Initiativen pauschal ablehnen, nur weil sie aus der Bundesregierung oder einer bestimmten Partei kommen, aber wir werden konsequent unsere Standpunkte vertreten und die Agenda umsetzen, für die wir erstmals mit einem großartigen Ergebnis in dieses Parlament gewählt wurden. Und wir werden der Regierung das Leben sicherlich nicht einfacher machen, nur weil Sie sich bewusst für eine Minderheitsregierung entschieden haben. Doch ich wünsche der Regierung - zum Wohle des Landes - viel Erfolg im Handeln, Weisheit, und Vernunft in den Entscheidungen, und appelliere abschließend ebenso wie der Bundeskanzler an die Abgeordneten, sinnvolle Vorschläge nicht alleine aufgrund der Parteizugehörigkeit der Antragsteller abzulehnen. Vielen Dank!

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,

    werter Herr Davis,


    ich möchte auf eine Punkte in Ihrer Rede eingehen, die meiner Ansicht nach Klärungsbedarf besitzen. Zuerst möchte ich auf die leider gescheiterten Gespräche mit den Grünen eingehen. Sie schrieben in Ihrer Rede, dass Sie eine Veröffentlichung der Gründe für das Nein zum Koalitionsvertrag der Grünen Basis möchten. Sie lassen es so klingen, als hätte die Sozialdemokratische Partei keine Freigabe dafür gegeben, was angesichts Ihrer Informationen nicht verwunderlich ist. Tatsächlich bekamen wir allerdings bis heute nicht die Frage, ob wir einer Freigabe zustimmen. Dementsprechend war es uns bisher gar nicht möglich, eine Freigabe zu erteilen. Des Weiteren kennen auch wir nicht die Gründe der Grünen, den Koalitionsvertrag abzulehnen. Das Hinterzimmer ist also nicht bei uns geschlossen, sondern ganz offensichtlich bei den Grünen. Wir kennen die Gründe nicht und können diese deshalb nicht veröffentlichen.


    Ich kann Ihnen und den Brügerinnen und Bürger mit Blick auf das Kabinett außerdem versichern, dass bereits mit der Arbeit begonnen wurde und bereits ein erstes Gesetz an Grüne und Piraten weitergeleitet wurde, um dieses auch verabschieden zu können. Bei zukünftigen Gesetzen ist auch eine Zusammenarbeit mit der Allianz nicht auszuschließen, bei diesem Gesetz handelt es sicher allerdings wohl kaum um eines, dem Sie zustimmen würden. Eine Zusammenarbeit mit dem FFD ist aber selbsverständlich auszuschließen, nachdem sich das FFD selber ausgeschlossen hat.


    Vielen Dank!

  • Herr Präsident,


    ich danke dem Bundeskanzler erstmal für die Klarstellung in Hinblick auf die gescheiterten Koalitionsverhandlungen. Doch vielleicht wollen sich Vertreter der Grünen dann ja, gerne auch an dieser Stelle und in diesem Rahmen, dazu äußern und die Bürger in Bezug auf diesen Sachverhalt aufklären?


    Doch dennoch gibt es Ungereimtheiten, Herr Bundeskanzler. Sie sagen einerseits, das Hinterzimmer sei nicht bei Ihnen geschlossen, verkünden aber im nächsten Atemzug, dass Sie im Hinterzimmer Gesetzesvorhaben mit Grünen und Piraten aushandeln? Das Hinterzimmer ist nicht für alle geschlossen, für Grüne und die Piraten nämlich nicht, wäre also wahrscheinlich treffender. Wäre es nicht auch innerhalb parlamentarischer Debatten oder, falls längere Beratungen nötig sein sollten, in öffentlichen parlamentarischen Ausschüssen möglich? Sie erzählen ja in Ihrer Regierungserklärung, dass Sie an die Stärke des Parlamentarismus glauben und Sie rufen dazu auf, in diesem Hause zusammenzuarbeiten, um gemeinsam Deutschland zu verbessern, erklären nun jedoch, die erforderlichen Mehrheiten bereits im Hinterzimmer sichern zu wollen. Das passt für mich nicht ganz zusammen. Sie erzählen ja nicht mal, um was für eine Initiative es sich handelt.


    Das ist für mich allerdings nicht die einzige Ungereimtheit in dieser jungen Phase der Regierung. Wie kommen beispielsweise die unterschiedlichen Aussagen von Bundesminister Rütt und Kanzler Regenborn in Bezug auf Afghanistan zustande, wie passen die unterschiedlichen Aussagen zusammen? Sollte es nicht eine einheitliche Linie und eine einheitliche Kommunikation in der Frage geben? Gibt es keine Abstimmung zwischen dem Kanzleramt und Außen- beziehungsweise Verteidigungsministerium? Insbesondere verwundert es, da der Bundesminister seine Aussagen ja erst einen Tag nach dem Kanzler getätigt hat. Hat man diese Position so schnell geändert? Für mich passt es ansonsten nicht zusammen, einerseits die "Redemokratisierung" Afghanistans vorantreiben zu wollen und kurze Zeit später zu erklären, sich nur auf das Ausfliegen von Ortskräften beschränken zu wollen. Überhaupt halte ich das Ausfliegen der Ortskräfte jetzt angesichts der Rückeroberung durch die Vereinigten Staaten, nicht mehr für zwingend notwendig oder nur in bestimmten Fällen und nach konkreter Prüfung. Angebracht wäre aber vor allem eine Unterstützung der Afghanen und der Vereinigten Staaten vor Ort - im Rahmen der NATO und eines neuen internationalen Einsatzes. Und dann werden wir auch die Unterstützung von Ortskräften brauchen - vor Ort. Doch inzwischen gibt es ja sogar eine weitere Wendung: Mittlerweile hat der Minister schließlich in einem weiteren Statement erklärt, doch den kompletten Rahmen des Mandats nutzen zu wollen. Das ist wirklich faszinierend anzusehen, aber nicht wirklich erfreulich. Ich würde mir Klarheit wünschen. Das gilt sicherlich auch für die internationale Gemeinschaft. Vielleicht möchte der Bundeskanzler oder der Bundesminister, der diesem Parlament ja auch angehört, den Standpunkt der Regierung ja im Rahmen dieser Zusammenkunft nochmal erläutern?

  • Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,


    es verwundert mich etwas, wieso bei einer Erklärung der amtierenden Regierung plötzlich interne Abläufe der Grünen thematisiert werden. Dazu möchte ich an dieser Stelle nur so viel sagen: die Entscheidung für das Nichteintreten in einer Koalition wurde in einer geheimen Abstimmung getroffen. Unsere Mitglieder sind weder verpflichtet uns gegenüber ihre Gründe zu erklären, noch werden wir diesbezüglich eine Befragung durchführen. Und damit sollte auch genug zu dieser Sache gesagt sein, immerhin werden hier die Pläne der amtierenden Regierung debattiert.

    Ich denke eine Minderheitsregierung birgt eine neue Gelegenheit für den deutschen Parlamentarismus. Und es dürfte auch wenig verwunderlich sein, dass wichtige Gesetzesvorhaben im Vorfeld besprochen werden. Schließlich lässt sich so auch die Arbeit im Parlament deutlich effizienter gestalten. Ich bin gespannt, was die Bundesregierung in den nächsten Wochen angeht und kann versichern, dass wir Grünen hier stets eine konstruktive Oppositionsarbeit leisten werden.

    Vielen Dank.

  • Herr Präsident,


    ich freue mich, dass sich nunmehr auch ein Vertreter der dritten Fraktion zu Wort meldet. Interne Abläufe der Grünen waren nicht wirklich das Thema, aber die Ablehnung des Koalitionsvertrags durch die Grünen ist nun mal durchaus nicht ganz so irrelevant für das Zustandekommen der Minderheitsregierung, die ja nun in dieser Sitzung ihre Regierungserklärung abgegeben hat. Und Frau Dr. Siegmann aus den Reihen Ihrer Partei meinte ja nun mal, dass sie, ich zitiere, "ohne entsprechende Freigabe durch unsere Verhandlungspartner als auch unsere Mitglieder" nicht über solche vertraulichen Themen sprechen könne. Entsprechend bat ich lediglich den Kanzler darum, eine Freigabe zu erteilen, und stellte anschließend bloß die Frage in den Raum, ob sich nicht unter Umständen ein Vertreter der Grünen zu diesem Sachverhalt äußern wollen würde. Das haben Sie ja getan. Nicht mehr und nicht weniger.


    Dass der Vorsitzende der Grünen nun jedoch sagt, dass er selbst die Gründe nicht kennt, ist ja durchaus verwunderlich. Insbesondere, da Frau Dr. Siegmann ja meinte, dass sie innerparteilich, über einige Punkte gesprochen hätten, die Ihren Vertretern während der Verhandlungen auffielen und die zur Ablehnung des Vertrags beigetragen haben, und Sie ja mutmaßlich auch an den Verhandlungen beteiligt waren, Herr Wexler. Doch es war eigentlich bisher auch lediglich ein Randthema in den bisherigen Redebeiträgen. Die Bürgerinnen und Bürger und allen voran die Wählerinnen und Wähler der Grünen wären zwar sicherlich daran interessiert, wie die Ablehnung zustande kam, doch ich werde es dabei belassen. Wer weiß, vielleicht sorgt früher oder später ja auch ein Parteimitglied, das an den Diskussionen beteiligt war, sofern es denn welche gab, doch nochmal für Aufklärung.


    Doch Sie haben recht: Eigentlich sollte es in dieser Sitzung vordergründig um die Pläne der neuen Bundesregierung gehen, die auch durch die Grünen toleriert wird. Leider hat der Kanzler nur nicht wirklich viel preisgegeben. Entsprechend haben Sie das zwar richtig festgestellt, doch sich ja überhaupt nicht zu Vorhaben der Regierung geäußert, wenngleich tatsächlich auch kaum äußern können. Doch ich möchte bei dieser Gelegenheit gerne noch einen Punkt aus der Rede des Kanzlers positiv hervorheben, den ich bisher unbeachtet gelassen habe. Ich freue mich, dass Bundeskanzler Regenborn anerkennt, dass wir uns, ich zitiere, "auf den letzten Metern" befinden. Auf den letzten Metern dieser Pandemie, beziehungsweise zumindest auf den letzten Metern der epidemischen Notlage, bevor bald zwingend weitestgehend alle Beschränkungen fallen müssen.


    Die Verteidigung des Bundeskanzlers und der Bundesregierung durch den Abgeordneten der Fraktion der Grünen im Hinblick auf Hinterzimmer-Vereinbarungen ist ja wirklich ehrenwert, doch Sie beachten leider nicht, dass ich nicht das Vorgehen im Allgemeinen kritisiert habe, aber es passt nun mal weder zu dem, womit die Sozialdemokraten in der Vergangenheit geworben haben, noch zu dem, was der Kanzler nun in dieser Sitzung kundgetan hat. Eine gesteigerte Effizienz als Grund anzuführen, halte ich auch für eher fragwürdig, läuft diese Legislaturperiode doch noch lange genug. Und wenn es im konkreten Fall doch ein so wichtiges Vorhaben ist, könnte man ja auch die Öffentlichkeit in Kenntnis setzen und die zweitgrößte Fraktion im Parlament frühzeitig einbeziehen, statt uns nur, weil wir einem Entwurf - lediglich basierend auf der Einschätzung des Kanzlers - nicht zustimmen würden, nicht zu berücksichtigen. Doch das soll es erstmal auch gewesen sein. Vielen Dank!