TH 004/004 - Thüringer Gesetz zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2

  • Drei Tage Debatte. Das Wort hat der Antragsteller.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Herr Präsident,

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    dieses Gesetz ist im ersten Entwurf gescheitert. Deswegen legen wir dem Landtag heute eine neue Fassung vor mit neuen Maßnahmen, die bis zum 31. Januar 2021 vorbehaltlich Änderungen gehen sollen. Die angeführten Diskussionen, die sie darauf beschränkten, dass im Gesetzestext nicht vom Gesetz, sondern von einer Verordnung die Rede ist, sind ausgebessert. Der überflüssige Paragraph wurde herausgestrichen. Dem Abgeordneten Dr. Wolff sei dank für diese Anmerkungen. Sie sind nun korrigiert wurden. Spannend wird es jetzt und in dieser Debatte zu sehen sein, ob die Abgeordneten der SDP diesem Entwurf zustimmen werde, wo das doch angeblich all so "fehlerhafte" Gesetz nicht verabschiedet werden könnte. Mal sehen, ob die Abgeordneten der SDP, mit Herrn Russ einer derjenigen, der sich im Bund als solidarischer Corona-Bekämpfer geriert und für das Bundestagsmandat in Thüringen antritt, dieses Mal zustimmen. Ich begründe natürlich gerne noch einmal, warum die Verlängerung der Maßnahmen notwendig sind und wo es Veränderungen im Vergleich zum vorherigen Gesetzentwurf gab. Dies ist nämlich durch die Bund-Länder-Beschlüsse beeinflusst.


    Wir hatten in den letzten 24 Stunden 1216 Neuinfektionen. Wir haben 202 Patientinnen und Patienten in intensivmedizinischer Behandlung. In den letzten sieben Tage gab es 6916 Neuinfektionen. Der Inzidenzwert beträgt 324,2. Das ist bundesweit einmalige Spitze und das ist eine unglaubliche Belastung für unser öffentliches Gesundheitssystem. Insgesamt müssen wir 1468 Todesfälle im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beklagen. Es gibt im Gesamten thüringischen Landesgebiet nur noch zwei kreisfreie Städte, die nicht mehr als 200 Neuinfektionen aufweisen. Die Lage ist bitterernst und sie wird noch bitterernster so lange wie wir hier keine Maßnahmen beschließen. Es gibt momentan eine Regelungslücke. Eine Regelungslücke, die Menschenleben riskiert. Das dürfen und können wir nicht tolerieren.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gerade nicht der Zeitraum, um über Lockerungen in großem Stile zu sprechen. Es ist gerade nicht der Zeitraum, um zu zögern oder zu zaudern. Es macht hier keinem Spaß solche weitgehende Grundrechtseinschränkungen beschließen zu müssen. Das will hier keiner. Keiner freut sich über ein eingeschlafenes öffentliches Leben und niemand freut sich über eine Ausgangssperre ab 22 Uhr. Niemand! Doch müssen wir hier immer wieder dieselben Debatten führen. Ich könnte ja verstehen, wenn man Regelungen abschafft, wenn sich die Infektionszahlen in einer absteigenden Tendenz befinden würden. Stattdessen steuern wir auf ein Szenario, vor dem wir uns alle hüten sollten. Wir steuern auf ein Szenario der völlig diffusen Unkontrollierbarkeit. Wir stoßen hier an unsere Grenzen! Wir müssen jetzt entschieden dagegen steuern. Das ist unbestritten.


    Nach den Weihnachtsfeiertagen müssen wir uns Gedanken darüber machen, wo wir jetzt stehen und das RKI teilt uns mit, dass die aktuellen Zahlen wohl immer noch kein genaues Abbild darüber liefern, wie sich die Zahlen entwickeln werden. Wir wissen noch gar nicht, was da auf uns zukommen mag und die Zahlen schießen in Thüringen trotzdem in die Höhe. Das ist ein riesiges Problem. Genau deswegen wurde in der Konferenz der Ministerpräsidenten noch einmal eine Verschärfung der Maßnahmen beschlossen. Die Kontakte müssen noch weiter beschränkt werden. Wir sehen hier aktuell eine Regelung, die einen Haushalt mit zwei haushaltsfremden Personen zulässt, die aber dann aus einem weiteren Haushalt stammen müssen. Wir haben uns in Thüringen dafür eingesetzt, dass wir Kinder aus dieser Zählweise herausnehmen. Wir haben uns dafür eingesetzt, weil wir familiäre Härten abfedern wollten und weil diese Regelung sonst für Kinder zu brutal wären. Das müssen wir uns vor Augen halten. Die Kinderschutzbunde laufen Alarm und weisen auf die massiven Auswirkungen der Pandemie gerade für unsere Kinder hin. Da müssen wir sensibel für sein. Wenn es um Kinder geht wird sich diese Landesregierung immer für eine Regelung einsetzen, die den Kindern zugute kommt. Wir waren die erste Landesregierung, die bundesweit einen Aufschlag zur möglichen Wiederöffnung von Schulen, Kitas und sonstigen Bildungseinrichtungen unterbreitet haben. Dabei muss es ein passgenaues Konzept geben, was sich auf die Inzidenzzahlen beruft und regional diverse Möglichkeiten bietet. Ich brauche Ihnen aber wohl eher nicht sagen, dass man kein Prophet sein muss, um vorherzusehen, dass aktuell kaum ein Kreis die Möglichkeit für eine partielle Wiederöffnung hätte. Was wir aber zusehends hinbekommen müssen ist, dass wir die Abschlussklassen langsam aber sicher wieder in die Präsenzunterrichtsmöglichkeit bringen müssen. Die Abschlussklassen werden sonst die großen Verlierer des Pandemiejahres 2021 sein und das kann nicht in unserem Sinne sein. Unter dem Motto "Kein Abschluss ohne Anschluss" müssen wir dieses Jahr zu einem Jahr bringen, welches in den Schulen trotz schwieriger Verhältnisse für bestmögliche Bedingungen sorgt. Ich verrate Ihnen nicht zu viel, wenn wir sagen, dass wir aktuell sehr aktiv an Möglichkeiten arbeiten, wie wir die Schulen in der Corona-Pandemie besser ausstatten können. Wir brauchen Luftfilter für die Schulen, wir brauchen Trennwände mit antiviralem Lack, wir brauchen FFP-2 Masken für unsere Lehrerinnen und Lehrer, wir brauchen zusätzliche Schulbusse zur Entzerrung des ÖPNV. Das sind wichtige Themen, die wir in den kommenden Tagen angehen werden. Es kann nicht sein, dass die Schulen der große Bildungsverlierer sein werden. Wir haben in der Verordnung erst einmal festgemacht, dass die Schulen flächendeckend bis zum 31. Januar geschlossen bleiben. Wir werden eine Gesetzesänderung hier einbringen, sollten wir in den Bund-Länder-Gesprächen, was wir sehr hoffen, ein Ergebnis erzielen können, welches es ermöglicht wenigstens die Abschlussklassen wieder in die Schulen zu lassen und ansonsten regional differenziert vorzugehen. Das wäre zwingend notwendig und mit dieser Position gehen wir in die neuen Verhandlungen am 16. Januar. Das werden spannende Tage.


    Zurück zu unserer Gesetzesvorlage und zurück zu möglichen Einwänden. Ich habe die Meinung des Abgeordneten Dr. Wolff mit Interesse verfolgt in der letzten Debatte. Es geht hier niemandem darum Regelungen der Regelung willen zu beschließen. Wir müssen mit dem Virus leben. Das ist doch unbestritten. Es wird auch nach einer möglichen Herdenimmunisierung im Herbst diesen Jahres weiterhin Fälle geben. Das liegt daran, dass wir weiterhin mit Fällen rechnen müssen, die aus anderen Ländern eingeschleppt werden und das wird daran liegen, dass Menschen geben wird, die sich nicht impfen lassen wollen. Dabei aber so zu tun, als wäre es jetzt besonders opportun den Lockdown zu beenden, wo wir gerade auf den Peak der Infektionszahlen in Thüringen zusteuern, das ist Hohn und ja, das ist auch zynisch. Die aktuelle Lage in den Krankenhäusern wird sich nicht verbessern durch die Feststellung, dass Versorgungsengpässe, nun einmal des Öfteren mal vorkämen. Das ist ja genau das Problem. Ich möchte keine Operationen verschieben, ich möchte nicht, dass wir solche Entscheidungen in Krankenhäusern treffen müssen. Das wird ja aber nicht staatlich bevormundet, sondern das ist die derzeitige Arbeits- und Lebensrealität in den Krankenhäusern. Wenn man den engagierten Pflegekräften zuhört, dann muss einem bewusst werden, dass die Personalzahlen das eigentliche Problem sind. Das ist ein dramatischer Zustand, auf den wir hinaus laufen. Was wäre denn eine mildere Alternative? Ich hätte gerne eine andere Strategie in dieser Pandemie verfolgt. Ich hätte gerne gesagt: Fokussieren wir uns vorzeitig auf die besonders vulnerablen Gruppen und lasst uns dafür sorgen, dass wir da einen bestmöglichen Schutz haben. Das hätte uns vielleicht die ein oder andere Einschränkung erspart. Ich bin aber nun mal erst seit dem 22. Dezember Gesundheitsminister. Ich habe nur die aktuellen Möglichkeiten. Ja, ich sage es Ihnen so wie es ist: Ein harter Lockdown war zum 22.12 und ist auch heute noch erforderlich. Dass er es vielleicht nicht gewesen wäre, wenn der Bund anders gehandelt hätte, das möchte ich hier gar nicht bestreiten. Das kann aber hier nicht Grundlage der Diskussion sein. Wir müssen die Einschränkungen so wählen, weil wir kaum eine andere Wahl haben. Ich glaube den Gastronominnen und Gastronomen und der gesamten Kulturbranche aufs Wort, dass dort wahrscheinlich die besten Hygienekonzepte gegolten haben, die man aktuell hätte finden können. Ich stelle das nicht in Abrede. Wir müssen aber schließen, weil wir die Bewegungsströme verhindern müssen. Weil wir verhindern müssen, dass es zu großen Menschenansammlungen kommt. Das können wir im privaten Bereich nicht reglementieren. Deswegen heißt das aber nicht, dass wir nicht an allen Stellschrauben drehen müssen, an denen wir drehen können. Genau das ist ja das Problem. Natürlich wäre es schöner zu sagen: Alle dürfen ins Kino und halten sich da an die tollen Hygienekonzepte aber bitte, bitte trefft euch nicht in privaten Räumen und feiert mit 15 Leuten Geburtstag. Natürlich wäre mir das lieber. Aber die Geburtstagsparty kann man nicht verhindern. Ich kann nicht unsere Beamtinnen und Beamten stichprobenartig den lieben langen Tag anlasslos durch Wohnungen spazieren lassen, um herauszufinden, ob es da unerlaubte Ansammlungen gibt. Deswegen muss ich natürlich da reglementieren, wo ich es als Gesetzgeber kann. Nirgendwo sonst.


    Der Lockdown belastet die Menschen finanziell immens. Es tut mir im Herzen weh, um jede Unternehmenspleite und jeden Arbeitslosen mehr. Es tut mir im Herzen weh, das so zu sehen. Aber was ist die Konsequenz? Es geht nun einmal nicht. Wir können den Einzelhandel nicht komplett öffnen und megavolle Innenstädte hinnehmen. Wir müssen diese Einschränkungen treffen und wir unterstützen diejenigen, die im Moment benachteiligt werden ja auch durch Wirtschaftshilfen vom Bund. Das ist wichtig und richtig. Wir dürfen diese Unternehmen, die Einzelhändler, die Kulturschaffenden und die Solo-Selbstständigen nicht in dieser Art und Weise alleine lassen. Das sehe ich auch. Aber die Konsequenz kann nicht sein, jetzt den Lockdown abzubrechen und Massensterben hinzunehmen. Das ist keine humane und keine menschliche Politik. Das wäre eine Kapitulation vor dem menschlichen Leben und der Gesundheit. Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass es durch die Corona-Pandemie zu schwierigen Verhältnissen im Bereich der psychischen Gesundheit gekommen sei. Das mag sogar stimmen. Das bestreite ich nicht. Das ist eine sehr schwierige Abwägung, die da zu treffen ist. Aber wir haben uns alle gemeinsam entschieden zu sagen: Jeder Mensch, der an COVID stirbt, ist ein Mensch zu viel. Wir müssen alles tun, um Infektionsketten zu durchbrechen. Das ist unser aller Verantwortung.


    Es kommen auch wieder bessere Tage, davon bin ich überzeugt. Ich bin überzeugt davon, dass wir diesen Lockdown bald Stück für Stück herunterfahren können. Ich bin überzeugt davon, dass uns im Sommer wieder hellere und schönere Zeiten bevorstehen. Ich bin überzeugt davon, dass wir diese Maßnahmen aktuell aber brauchen.


    Ich bin überzeugt davon, dass es super wichtig ist, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.


    Daher bitte ich hier um Ihre Zustimmung!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Meldet einen Debattenbeitrag an.

    nickt dem Abgeordneten Dr. Wolff zu und signalisiert, dass er verstanden hat


    Sie haben das Wort, Herr Dr. Wolff. Sollten Sie vorhaben nach Debattenschluss zu sprechen, bitte ich Sie um die rechtzeitige Einhaltung der Frist zur Verlängerung der Debatte.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Herr Präsident,

    geschätzte Kollegen,


    ich möchte den Beginn meiner Rede zum Anlass nehmen, um versöhnliche Töne anzuschlagen. Soweit ersichtlich, gibt es kein Bundesland, in dem die Corona-Schutzmaßnahmen in einer breiten Öffentlichkeit - dem Parlament - debattiert werden. Dies gilt es lobend zu erwähnen. Hieran sollten sich die übrigen Landesregierungen ein Beispiel nehmen und einen offenen Diskurs eröffnen, anstatt die Maßnahmen im Wege eines aus der Taufe gehobenen Gremiums zu beschließen und das Parlament anschließend zu unterrichten, wie es ein Monarch mit seinem Kronrat zu tun pflegt. In diesen Zeiten geht es längst um weit mehr, als bloß die Bekämpfung von Corona. Es geht um die fundamentale Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland als demokratischer Rechtsstaat. Niemals dürfen wir Ausnahmesituationen zum Anlass nehmen, um ein quasi-Rechtssetzungsmonopol der Exekutive zu legitimieren. Wenn uns das Schicksal der Weimarer Reichsverfassung und die Rechtsordnung des Grundgesetzes eines lehren, dann doch gerade, dass es Prinzipien gibt, die unverhandelbar sind: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. Umso bedenklicher ist es, wenn man mit ansehen muss, dass sich einige Verordnungsgeber in der Rolle des starken Mannes zu gefallen scheinen, ja sich in der neu gewonnen Macht suhlen und diese bestenfalls gar nicht mehr abgeben möchten. Aus diesem Grund ist es unentbehrlich, diesem Gebahren eine Absage zu erteilen und Maßnahmen mit erheblicher Grundrechtsrelevanz im Plenum zu diskutieren.


    Dies vorweggeschickt, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Pandemiebekämpfung in Deutschland und Thüringen nach wie vor auf dem Holzweg befindet. Unumstritten ist, dass SARS-CoV-2 vor allem für ältere, insgleichen vorerkrankte, Menschen gefährlich ist. Das Durchschnittsalter der an oder mit Corona Verstorbenen liegt nach Angabe des RKI bei 83 Jahren. Während nach einer Metastudie von Prod. Ioannidis die weltweite Mediansterblichkeit für alle Altersgruppen bei 0,23% liegt, sinkt diese bei unter-70-Jährigen auf 0,04%. Gewiss schmerzt jeder Tod. Dennoch, und diese Auffassung vertrete ich nach wie vor, müssen wir anfangen, uns ehrlich zu machen und anerkennen, dass wir auch in anderen Situationen, den Tod von Menschen in Kauf nehmen, um andere Freiheiten zu erhalten oder zu ermöglichen. Utopisch wäre es, das Ziel zu verfolgen, jeden Menschen zu retten. Das können wir nicht leisten und das wollen wir, wenn man bedenkt, welches Maß staatlicher Eingriffe hierzu notwendig wäre, auch nicht leisten. Dementsprechend ist es ein Trugschluss, mit dem Verweis auf die überragende Bedeutung von Leben und körperlicher Unversehrtheit, alle Maßnahmen rechtfertigen zu wollen. Zwar möchte ich nicht in Abrede stellen, dass es sich um Rechtsgüter mit hervorgehobenem Gewicht handelt. Das macht aber eine Abwägung im Einzelfall nicht entbehrlich. Um es in einfachen Worten zu formulieren: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Angesichts des massiven maßnahmebedingten Verlusts an Lebensqualität, den wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Folgen des Lockdowns komme ich zu dem relativ eindeutigen Ergebnis, dass es unangemessen ist, die gesamte Bevölkerung unterschiedslos in Anspruch zu nehmen.


    Sehr geehrte Kollegen, Sie wollen mich nicht missverstehen. Ich spreche mich nicht gegen Maßnahmen aus. Ich spreche mich nicht dafür aus, ab morgen wieder alle Fußballstadien und Tanzlokalitäten zu eröffnen. Allerdings ist eine zielgerichtete Konzentration der Maßnahmen nicht nur sinnvoll, sondern meines Erachtens sogar geboten. Wir wissen, dass zwei Drittel der Todesfälle aus Altenheimen stammen. Wir wissen auch die überproportionale Zunahme des Risikos, an Corona zu versterben mit zunehmendem Alter. Dennoch verharren wir nach wie vor im aktuellen Status Quo, von dem ausnahmslos alle Menschen betroffen sind? Das kann es nicht sein. Es mag atypische Fälle geben, in denen auch junge Menschen einem schweren Krankheitsverlauf unterliegen oder gar versterben. Dabei handelt es sich jedoch um Ausnahmefälle, die nicht maßstabsleitend sein können. Ausgerichtet werden müssen die Maßnahmen vor allem an den Kapazitäten der Intensivmedizin und dem Anteil der Infizierten, die höheren Alters sind. Nachdem der Gesundheitsminister nunmehr einige Tage im Amt ist, wird er sich sicherlich in der Lage sehen, Konzepte vorzulegen, die einen effektiven Schutz alter Menschen ermöglicht, ohne diese stigmatisieren zu wollen.


    Wenn die Staatsregierung nunmehr mit Blick auf die Inzidenzen behauptet, die Lage sei bitterernst, so kann das diesseits nicht nachvollzogen werden. Die Inzidenzwerte stammen aus einer Zeit, in der Corona faktisch verschwunden war und wir dementsprechend verwöhnt waren. So bewegte sich die Zahl der akut Infizierten in meinem Heimatstadtkreis etwa konstant zwischen 20 und 40, was einer Infektionsrate von ca. 10 Infizierten auf 100.000 Einwohnern entsprach. Zudem entstanden die Inzidenzen aus einem politischen Kompromiss. Sie haben eine geringe Aussagekraft. Schließlich wussten wir, dass die Zahlen steigen werden. Der neuerliche Anstieg der vergangenen vier bis sechs Wochen kam nicht überraschend und hier wurden meines Erachtens Kardinalfehler in der Öffentlichkeitsarbeit begangen. Daher verursachen die aktuellen Zahlen für teils nicht unerhebliche Angst. Wir dürfen uns hiervon nicht leiten lassen, sondern müssen Wege aus der Pandemie aufzeigen. Deswegen ist es sehr bedauerlich zu sehen, dass der eingeschlagene Weg auf Biegen und Brechen fortgesetzt wird, ohne diesen grundsätzlich infrage zu stellen. In dieses Bild fügt sich etwa eine Beobachtung des Prof. Isaac Ben-Israel, der zufolge in allen Staaten der große Anstieg der Infektionszahlen innerhalb von 70 Tagen wieder abgenommen hat und zwar, das ist der interessante Part, ohne Rücksicht auf die staatlichen Maßnahmen. Weite Teile von Europa haben einen harten Lockdown durchgemacht, wie ihn auch die Mehrheit in Deutschland präferiert, wobei dessen Wirkung zumindest zweifelhaft ist. Schauen Sie nach Frankreich. Schauen Sie aber auch in das einst so gelobte Irland. Auch in Deutschland steigen die Zahlen allen Maßnahmen zum Trotze. Sind das wirklich die Bahnen, Busse und Arbeitsplätze, die das Infektionsgeschehen treiben oder müssen wir uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, das wir weniger Kontrolle haben, als wir gerne hätten? Jedenfalls finde ich es schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, die Schuld an der aktuellen Situation ohne jegliche statistische Evidenz auf - angeblich zahlreiche - Regelbrecher abzuwälzen.


    Dieses Muster können wir bereits über die gesamte Pandemie, aber auch in der Rede des Gesundheitsministers beobachten. Einerseits wird behauptet, die Regeln seien alternativlos. Andererseits wird eingeräumt, dass man keine Ahnung habe, wo die Infektionen herkommen; das Geschehen sei diffus. Die Schließung von Gastronomien, Theater und Schulen ist eben nicht alternativlos. Wenn Sie ehrlich mit den Bürgern umgehen würden, müssten Sie einräumen, dass Sie es nur vermuten können. Aus einer Vermutung lässt sich eine Alternativlosigkeit aber nicht ableiten. Verständlich ist es, Vermutungen anzustellen, wenn man entweder keine Ahnung von der Bedrohung hat oder aber keine Möglichkeit hat, die Bedrohung zu erforschen. Andernfalls zeugt es von zumindest fahrlässiger Politik. Letzteres ist bislang unterblieben. Wie kann es sein, von einem "diffusen" Infektionsgeschehen zu sprechen, obwohl Corona das seit einem Jahr alles beherrschende Thema ist und man auf Grundlage dieser diffusen Lage Gastronomieschließungen, Ausgangs- und Beherbergungsverbote verfügt? Wo sind die Gefahrerforschungsmaßnahmen der Staatsregierung, Bundesregierung und der übrigen Landesregierungen?


    Kommen wir zu meinem persönlichen Steckenpferd. Ich kann es nicht nachvollziehen, was die Ausgangssperre ändern soll. Hierzu habe ich bereits ausführlich vorgetragen, so dass ich zur Vermeidung von Wiederholungen lediglich einige Punkte aufgreifen möchte. Bemerkenswert ist etwa der Wandel von Kontaktbeschränkungen hin zu Mobilitätsbeschränkungen. Woher diese Notwendigkeit rührt, entzieht sich meiner Kenntnis. Mobilität ist nicht gleich Kontakt und selbst wenn Mobilität ausgeübt wird, um mit anderen in Kontakt zu treten gilt, dass auch nach gegenwärtiger Rechtslage nicht jeder Kontakt verboten ist. Erst recht widersprüchlich ist die Regelung, wenn man die Mobilität auf eine bestimmte Uhrzeit beschränkt, sie tagsüber aber ohne weiteres zulässt. Wenn Sie, Herr Gesundheitsminister, meinen, Ansammlungen im Privaten verhindern zu müssen, dann ist es erst recht nicht sinnhaft, etwa Gastronomieschließungen zu verfügen, weil dies zu beachtenswerten Verlagerungseffekten führt. Auch ist das Infektionsrisiko im Freien schlicht und ergreifend deutlich geringer. Aus diesseitiger Sicht ist es willkürlich, Treffen im Privaten in Grenzen zu erlauben, selbige Treffen nach 22 Uhr in der Öffentlichkeit aber zu verbieten. Wenn Sie dann sagen, Sie können nur dort Regeln aufstellen, wo eine Kontrolle möglich ist, entbindet das nicht davon, eine Einzelmaßnahme mit Blick auf den ihr zugrundeliegenden Zweck zu rechtfertigen. Im Umkehrschluss müssten Sie auch die Konsequenz ziehen, im Privaten alles zu erlauben, denn die Möglichkeiten zur Kontrolle sind schließlich stark begrenzt.


    Soweit Sie den Unternehmern Ihr Mitleid aussprechen, ist das menschlich möglicherweise gut gemeint, es ändert aber nichts an der katastrophalen Lage. Wenn der Staat Betriebe schließt, und zwar unterschiedslos alle Betriebe einer bestimmten Branche, dann muss der Staat auch sagen, wo das Geld herkommen soll. Bislang sind keine Finanzhilfen verabschiedet; nicht einmal ein Rechtsanspruch auf Entschädigung besteht derzeit. Dies muss dringend behoben werden und darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Hierauf hatten wir uns bereits bei der letzten Debatte verständigt. Der Bund spielt hier meines Erachtens auf Zeit, um die Höhe der Entschädigungszahlungen wegen der mit Zeitablauf steigenden Anzahl von Insolvenzen zu reduzieren. Insofern sollte die Staatsregierung den Bundesrat zur Einbringung einer entsprechenden Ergänzung von § 56 IfSG nutzen.


    Herzlichen Dank

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich danke dem Kollegen Dr. Wolff für seine neuerlichen Ausführungen. Gerne möchte ich dieses Mal die Chance nicht ungenutzt lassen, um zu erwidern. Gerade auch um deutlich zu machen, dass es um eine breite Diskussion gehen soll. Ich stelle mich Ihrer Kritik und Ihrer Forderungen und möchte deswegen gerne auf einige Aspekte Ihrer Rede reagieren und dazu noch ein paar Worte verlieren. Fangen wir doch einmal damit an, was ich mir schon einmal mitnehme.


    Ich werde in das Kabinett hereintragen, dass wir eine Änderung und Ergänzung von §56 IfSG diskutieren werden. Ich schaue mir da mögliche Handlungsspielräume an. Wenn ich der Überzeugung bin, dass eine Ergänzung von §56 sinnvoll ist und das ist sie, wenn es den Abfluss und die Möglichkeit von Wirtschaftshilfen erleichtert, dann werde ich ganz sicher eine Bundesratsinitiative anstreben. Wissen Sie, es wäre schön, wenn ich Ihnen versichern könnte, dass die Bundesregierung da Konkretes geplant hat. Ich befürchte aber, dass dies nicht der Fall ist. Auch aus den anderen Ländern hört man relativ wenig. Thüringen wird sicherlich die Initiative ergreifen, wenn eine Initiative ergriffen werden muss. Das werde ich jetzt genauestens prüfen. Auf Zeit spielen ist, was dieses Thema angeht, jedenfalls nicht die richtige Lösung. Das garantiere ich Ihnen.


    Jetzt trennen Sie unsere Wege vermutlich wieder. Das lässt sich nicht ändern. Ich habe die Studienergebnisse von Prof. Ioannidis selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Er ist ja selbst auch ein Gegner eines, wie er ihn nennt, "blinden Lockdowns". Es schmerzt jeder Tod. Wir dürfen da auf keinen Fall anfangen abzustumpfen. Das würde der Sache nicht gerecht werden. Sie haben recht, wir können nicht jeden Menschen retten und wir werden nicht jeden Menschen schützen können. Das ist leider ein trauriger Fakt. Gerade jetzt kommen wir aber doch in eine Abwägung. Sie sagen jetzt, dass ein Lockdown vielleicht mehr Menschen schaden könnte, physisch, psychisch oder existenziell. Ich sage, dass ein Lockdown notwendig ist, um so viele Menschen zu schützen und zu retten, wie möglich. Studienergebnisse der ETH Zürich legen nahe, dass Gerade die Schließung von Restaurants, Bars und Geschäften die Mobilität um 22,3% verringert. Diese Maßnahme wurde dort als besonders effektiv angesehen. Letztlich, Herr Dr. Wolff, müssen wir doch einsehen, dass wir hier alle mehr oder weniger vermuten. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung ist in vollem Gange. Für jeden Forscher und jede Studie, die sie mir gegen den Lockdown und gegen die Effektivität der Maßnahmen vorlegen, kann ich Ihnen vermutlich eine rauskramen, die das Gegenteil zeigt. Wir laufen hier alle auf Glatteis und letztlich kann man erst später sagen, welche Maßnahmen und welche Konzepte möglicherweise die richtigen Ideen waren. Das steht uns allen noch bevor.


    Ich halte die Maßnahmen aktuell für alternativlos. Nicht nur weil ich von der Notwendigkeit überzeugt bin, sondern auch, weil es mir um die bundesweite Lösung geht. Mir ist es als Gesundheitsminister besonders wichtig, dass wir keinen Alleingang anstreben. Nein, es wird keine immense Flucht nach vorne geben, weil das nicht nur bundesweit die Akzeptanz der Maßnahmen untergräbt, sondern auch, weil wir sonst ein Attraktivitätspotenzial gerade an den jeweiligen Ländergrenzen ausstrahlen und es daher dazu kommen könnte, dass sich gerade durch zu frühe Lockerungen in Thüringen zu einer massiv erhöhten Mobilität nach Thüringen hinein kommt. Das kann und darf nicht Sinn der Sache sein.


    Zur Ausgangssperre ist nicht mehr zu sagen. Ich glaube einfach, dass die generelle Gültigkeit dieser Vorschrift das Oberste Gericht prüfen wird und dass wir sonst hier nicht überein kommen. Ich meine ausführlich begründet zu haben, warum wir eine solche Maßnahme als notwendig ansehen und warum sie verhältnismäßig ist. Sie sehen das anders. Da kommen wir auf keinen grünen Zweig.


    Herzlichen Dank!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebes Kollegium,


    Die neu eingebrachten Maßnahmen halte ich für sinnvoll und stellen eine deutliche Verbesserung des letzten Antrages durch die Landesregierung dar.

    Weiterhin sind im Entwurf seltsame Dinge zu lesen, welche sich durch ein Copy&paste wohl eingeschlichen haben. Weshalb wir ein Feuerwerksverkaufsverbot benötigen und den Bürgern zueiner Nicht-Nutzung ihrer bereits gekauften Feuerwerke raten, bleibt Rätselhaft. Jedoch ist der Inhalt des Antrages verständlich und ich werde daher dem Entwurf zustimmen. Auch scheint es mir zumindestens denkwürde, dass die wichtigsten Gründe für die Regierung zur Umgehung der Ausgangssperre unter anderem "die Jagd zur Vorbeugung und Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest" sowie "die Teilnahme an besonderen religiösen Zusammenkünften anlässlich hoher Feiertage" sind, das nur nebenbei bemerkt.


    Zur Kritik des Herrn Wolff muss ich sagen, dass sie an einigen Stellen bestimmt Recht haben. Es geht oberflächlich nicht primär um eine einzelne Rettung von Leben. Aus dieser Prämisse handeln wir nicht oder sollten wir nicht handeln. Doch unser Gesundheitssystem hat Grenzen. Grenzen, die Ende Dezember schon beinah überschritten worden und dazu dürfen wir es nicht kommen lassen. Dann müssen die Behandelnden nämlich entscheiden, zwischen dem Einen und dem Anderen. Welches Leben ist mehr wert? Zu dieser Entscheidung dürfen wir nicht kommen. Und genau deshalb ist es auch wichtig Alle zu schützen auch wenn es für uns vielleicht Einschnitte gibt. Ebenfalls bin ich kein Freund der Ausgangsbeschränkungen und würde diese am liebsten anders ansetzen, kann diese allerdings im Rahmen der anderen Maßnahmen akzeptieren.


    Ich hoffe dass die Regierung ihren eigenen Antrag dieses Mal beschließen kann.


    Danke.

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    sehen Sie, Herr Kollege Russ. Die Bezüge zu pyrotechnischen Verboten und zu den Weihnachtsfeiertagen sind im Gesetzentwurf weiterhin enthalten, weil sie in Konsequenz zu der Gesetzesgeschichte gehören. Das ist im Übrigen auch völlig redundant und wenn das alles an Ihrer Kritik ist, das ist das ja ein gutes Zeichen. Bei Ihren inhaltlichen Anmerkungen, bspw. zur Afrikanischen Schweinepest, muss ich feststellen, dass Sie davon leider keine Ahnung haben. Natürlich ist das ein triftiger und wichtiger Grund. Ich erkläre Ihnen auch wieso: Die Afrikanische Schweinepest grassiert bereits in Brandenburg und in Sachsen und ist dort ein gehöriges Problem. Ich kann nur allen Bürgerinnen und Bürgern dringend raten jedes tote Wildschwein beim Veterinäramt zu melden. Das ist kein Kavaliersdelikt. Wildtierseuchenbekämpfung ist ein super wichtiger Ausnahmegrund für die Ausganssperre. Fragen Sie mal beim Bauernverband und den Landwirten nach. Da bekommen Sie aber ganz eindeutige Antworten. Wir, im Thüringer Gesundheitsministerium, sind im Übrigen bestens mit einer Sachverständigengruppe vorbereitet auf einen möglichen Ausbruch in Thüringen. Dass Sie sich bereits mehrfach sehr deutlich gegen religiöse Feste ausgesprochen haben, ist noch lange kein Grund, die Religionsfreiheit einzuschneiden. Es geht bei der entsprechenden insbesondere, um die bereits geschehenen Christmetten, sowie im Weg hin zu Ostern um etwaige weitere religiöse Feierlichkeiten. Auch hier sollten Infektionsschutzstandards eine Rolle spielen, das bestreitet ja aber auch keiner. Die beiden von Ihnen ach so absurd herausgepickten Lösungen sind weitestgehend zwingend notwendig und auch in anderen Bundesländern Gang und Gebe. ,


    Ich bin guter Dinge, dass der Antrag dieses Mal passieren wird, aber danke fürs Daumen drücken.


    Herzlichen Dank!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Herr Lewerentz,


    Mir sind die Beweggründe bewusst, weshalb die Stellen im Gesetz enthalten sind, mir ist lediglich die Hervorhebung des ersten Punktes aufgefallen, während der zweite auf meine Ablehnung stößt. Wenn sie eine Ausgangsperre beschließen wollen, sollten darunter auch religiöse Veranstaltungen fallen.

  • sitzt auf der Regierungsbank und freut sich schon auf den Redebeitrag von Herrn McKenzie

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Verehrter Herr Präsident,

    Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    noch vor einem Jahr könnten wir uns nicht vorstellen, dass die Beteiligung des Parlaments an der Gesetzgebung in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr sei. Leider ist das so geworden. Viele der Landesregierungen regieren um das Parlament herum und untergraben somit die Demokratie. Zum Glück ist das in Thüringen nicht der Fall. Ich bin der Regierung sehr dankbar, dass das Parlament in die Pandemiebekämpfung eingebunden wird. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, aber leider ist Thüringen zurzeit in diesem Fall eine Ausnahme.


    Fest steht, wir müssen diese Pandemie schnellstmöglich überwinden und dabei unser Grundgesetz nicht aus den Augen verlieren. Wir haben als Politiker eine große Verantwortung. Eine Verantwortung für das ganze Volk. Deswegen appelliere ich an alle stimmberechtigten Abgeordneten, ihre Entscheidung sehr gut zu überlegen. Ihre Entscheidung betrifft das gesamte thüringische Volk. Diese Entscheidung hat große Bedeutung für sehr viele Menschen.


    Als ich §3 dieser Verordnung gelesen habe, war ich schockiert. Da steht wirklich, mit wie vielen Menschen man sich in privaten Ramen treffen darf. Diese Verordnung schränkt die persönliche Freiheit, welche im Grundgesetz festgeschrieben und garantiert ist, aufs Massivste ein. Ja, die Lage ist ernst, aber berechtigt die aktuelle Lage zu solchen drastischen Maßnahmen? Es kann doch nicht sein, dass der Staat entscheidet, mit wem man sich im Privaten trifft. Was geht es den Staat an, was man im Privaten macht. Privat heißt nicht umsonst privat. In den privaten Bereich darf sich der Staat nur einmischen, wenn eine direkte Bedrohung für andere besteht. Ansonsten soll sich der Staat aus dem Privatleben der Menschen raushalten und die Menschen gewähren lassen. Das ist nicht Anarchismus, sondern das steht in unserer Verfassung.



    In §3b geht es so weiter, wie es in §3 geendet hat. Menschen dürfen ihr Haus ohne sogenannten „triftigen Grund“ nicht verlassen. Das ist fast schon Hausarrest. In unserem Grundgesetz steht der Leitsatz, dass die Bürgerinnen und Bürger sich frei bewegen dürfen. Natürlich hat das Einschränkungen, aber nur wenn es direkt die Freiheit, das Leben, die Gesundheit oder die Würde eines Mitmenschen bedroht. Das bloße Verlassen des eigenen Hauses ist keine Bedrohung der Gesundheit anderer Menschen. Wenn man auf der Straße an einem anderen Menschen vorbeigeht – auch ohne Maske – dann stellt man für die andere Person keine Gefahr dar. Eine echte Übertragungsgefahr besteht erst, wenn man sich ungefähr eine Viertelstunde ohne Maske und ohne 1,5 – Meter Abstand neben einer anderen Person befindet. Deswegen finde ich eine pauschale Ausgangssperre übertrieben und nicht zielführend. Aber wenn es schon eine Ausgangssperre gibt, dann bleibt noch einiges unklar. Zählt ein Spaziergang, um frische Luft zu schnappen, als triftiger Grund? Wenn nein, dann ist die Regierung mitschuldig an möglichen Folgeschäden, wie zum Beispiel Übergewicht vieler Bürgerinnen und Bürger, weil sie sich zu wenig bewegen.


    In §6, 7 und 8 findet man eine lange Liste mit Einrichtungen, welche geschlossen sein sollen. Unter anderem wird es Museen, Theatern, Tierparks, Gaststätten und Friseursalons. Die Liste ist lang, viel zu lang. Es mag als notwendig dargestellt werden, aber ist es wirklich notwendig die Tourismusbranche, die Kultur und die Gastronomie auf einmal stillzulegen? Diese Verordnung wird dafür sorgen, dass die Kultur und die Wirtschaft kaputt gehen. Viele Menschen werden Pleite gehen, viele werden ihre Arbeit verlieren. Ist das wirklich nötig? Wäre es nicht besser, die vulnerablen Gruppen gezielt zu schützen und die Gesellschaft und die Wirtschaft mit Auflagen weiter laufen zu lassen, anstatt das gesamte Land lahmzulegen?


    Wir haben eine Verfassung, in welcher Freiheit großgeschrieben wird. Warum wird das in der heutigen Zeit so oft einfach ignoriert? Es kann doch nicht sein, dass durch ein Virus unser Grundgesetz teilweise außer Kraft gesetzt wird. Freiheit sollte auch in der Krise großgeschrieben werden. Und wenn nicht schnell die Gastronomie und andere Wirtschaftszweige unter gewissen Auflagen geöffnet werden, dann wird sich die deutsche Wirtschaft nicht erholen können. Deswegen appelliere ich an die Staatsregierung, diese Verordnung noch einmal zu überarbeiten und solange dies nicht geschehen ist, dann werde ich an die Abgeordneten appellieren, diese Verordnung abzulehnen.


    Vielen Dank.

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,



    es offenbart einer gewissen Ironie, dass William McKenzie als grüner Ministerpräsident im Frühjahr und Frühsommer dieses Jahres keinerlei Engagement zur Pandemiebekämpfung unternommen hat. Wozu Tatenlosigkeit führt, sehen wir in den Infektionszahlen. Wir diskutieren hier jetzt schon seit langer Zeit über den richtigen Weg in der Corona-Politik. Dabei stehe ich es jedem Abgeordneten zu, dass er Bedenken hat und diese gerne hier vortragen möchte. Wenn ich mir den Redebeitrag von Herrn McKenzie allerdings noch einmal durch den Kopf gehen lasse, so erinnert mich das alles vor allem an Kammerschauspiel, nicht aber seriöse Corona-Politik. Ich hätte mir jedenfalls gewünscht, dass Sie einmal darauf geachtet hätten, wie und was Sie sagen. Mit Ihrer Rede kippen Sie Verschwörungsideologen Öl ins Feuer. Kritik an Corona-Maßnahmen geht anders.


    Öl Nummer 1: Der Staat und das Private. Zunächst einmal frage ich mich, auf welchem Planeten Sie die vergangenen Monate verbracht haben? Kontaktbeschränkungen gelten nicht erst seit vorgestern. Da gibt es keinen Grund geschockt zu sein. Dass Sie das unweigerlich und sofort so stilisieren, dass hier nun eine neue Lösung für das Private geschaffen werden soll, ist völliger Schwachsinn und entbehrt jeder Grundlage. Den Staat interessiert es im Übrigen nicht, WEN Heidi Kunze trifft, sondern nur ob sich Heidi Kunze mit ihren fünfundzwanzig Freundinnen vom Rheuma-Club zum 80. Geburtstag im Partykeller ihres Apartments trifft. Die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ist durch die Kontaktbeschränkungen überhaupt nicht in Gefahr. Das ist eine dreiste Lüge, die Sie hier spinnen.


    Öl Nummer 2: Hausarrest. Herr McKenzie, unser Pseudo-Virologe von nebenan, erklärt uns zunächst, dass man sich nur mit SARS-CoV-2 infiziert, wenn man eine Viertelstunde ohne Maske neben jemand anderem steht und die Ausgangsbeschränkung wird dann ganz schnell zur Ausgangssperre mit Hausarrest. Das ist auch schon wieder eine Lüge. Eine nächtliche Ausgangsbeschränkung von 22 Uhr bis 6 Uhr führt im Übrigen auch nicht zu Übergewicht. Wo nehmen Sie denn diese wilden Spekulationen her, Herr McKenzie? Ich finde, Herr Dr. Wolff hat sich mit seiner Ablehnung Mühe gemacht, Sie hingegen finden ja völlig krude Argumente. Wo kommt diese Bereitschaft zur Desinformation unserer Bürgerinnen und Bürger her? Brauche ich noch mal feststellen, dass es keine pauschale und umfassende Ausgangssperre gibt? Aber wir könnt die frostigen Winterspaziergänge um 03:30 Uhr nicht? Gassi gehen ist im Übrigen erlaubt. Sollten Sie allerdings versuchen einen anderen Menschen an der Leine zu nehmen, dann wäre das nicht erlaubt.


    Öl Nummer 3: Leid gegen Leid aufwiegen. Diese Strategie von selbsternannten Corona-Gegnern finde ich ehrlich gesagt einfach nur noch zum Kotzen. Mir tun die Gastronomen, die Kulturbranche oder der Tourismussektor auch leid. Wenn wir aber eines aus dieser Pandemie gelernt haben dann, dass man alles tun muss, um die Mobilitätsströme möglichst gering zu halten. Wenn dieses Land lahmgelegt wird, im Übrigen Ihre nächste Lüge, dann sieht das noch mal ganz anders aus. Dann können Sie sich aber auch über Hausarrest beklagen. Der Freistaat Thüringen wird sich in Kürze im Bundesrat um angemessene Entschädigungsregelungen und Wirtschaftshilfen bemühen. Nur immer das Leid, derjenigen die schon im November betroffen waren, mit dem anderer Menschen aufzuwiegen, das halte ich für nicht besonders opportun, um das mal freundlich zu sagen. Um Ihre drei Fragen zu beantworten: Ja. Ja. Jain.


    Öl Nummer 4: Verfassungsaußerkraftsetzer Lewerentz. Unsere Verfassung ist nicht außer Kraft gesetzt. Punkt. Grundrechte sind teil-eingeschränkt, weil es in der Abwägung anderer Grundrechte zu dieser Priorisierung gekommen ist. Nichts anderes. Hier so zu tun, als würde es mir oder irgendeinem anderen Politiker heutzutage darum gehen unsere Verfassung auch nur in Teilen abzuschaffen, dann können Sie wirklich nach Hause gehen.


    Ich bedanke mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrer Freiheit, die sie niemals völlig eingebüßt haben, verantwortungsvoll umgehen und für Sie Herr McKenzie bleibt mir nur eines übrig zu sagen: Sie sind kein Virologe, sie sind kein Gesundheitspolitiker, sie sind kein Schützer irgendeiner Freiheit und auch kein Fitnesscoach. Sie sind abgedriftet - in eine merkwürdige Richtung.


    Herzlichen Dank!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    Verehrter Herr Lewerentz,


    Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Bedenken zu dieser Verordnung, anzuhören und darauf zu reagieren. Allerdings bin ich vielerorts anderer Meinung als Sie. Das ist ja auch vollkommen legitim, denn wir leben in einer Demokratie, oder nicht? Sie nennen ehrliche Bedenken und Meinungsäußerungen für ein Kammerschauspiel? Ist Ihre Meinung, ist legitim. Ich bin da aber anderer Meinung. Ich werde jetzt auf Ihre diversen Vorwürfe eingehen.


    Zu 1. Vielleicht hab ich mich mit dem Wörtchen "wem" etwas undeutlich ausgedrückt. Aber ich meinte mit meiner Aussage zu den Kontaktbeschränkungen, dass der Staat sich darin einmischt, mit wie vielen Personen sich Person x treffen darf und somit indirekt natürlich auch mit wem. Denn Person x, kann sich nicht mit Person y und Person z gleichzeitig treffen, wenn alle drei aus verschiedenen Haushalten sind und man sich nur mit Angehörigem aus einem weiteren Haushalt treffen darf. Wenn die Privatsphäre nicht in Gefahr ist, dann darf sich also Person x mit Person y und Person z treffen, und auch noch mit Person v, wenn sie möchten. Man kann sich doch auch mit gebührend Abstand treffen, das ist mit keinem größeren Ansteckungsrisiko verbunden.


    Zu 2. Die Zeit von 15 Minuten entnehme ich aus der Regierungs-Corona-Warn-App, welche erst nach einer 1,5-Meter Unterschreitung in der Länge einer Viertelstunde eine Gefahr erkennt. Wenn das Risiko schon unter 15 Minuten da ist, dann ist die Warn-App fehlerhaft. Wenn nicht, sehe ich keinen Grund, draußen auf der Straße eine Maske zu tragen. Meine Äußerung zu Übergewicht war mit der Frage verbunden, ob denn das Spazierengehen verboten sei. Aber ich ging davon aus, es sei eine Ausgangssperre, welche auch tagsüber greift. Ich hab es wohl überlesen, das tut mir Leid. Ich finde eine nächtliche Ausgangssperre zwar auch noch bedenklich, aber dies ist nicht so dramatisch, wie eine ganze. Nochmals, es tut mir Leid. Meine Aussagen zur Ausgangssperre nehme ich selbstverständlich - zumindest in der Schärfe - zurück.


    Zu 3. Schön, dass Ihnen die Gastronomie Leid tut, davon können die Restaurantbesitzerinnen und Besitzer aber nicht die Miete bezahlen. Wenn der Staat schon den Gastronominnen und Gastronomen verbietet, auf ehrliche Weise Geld zu verdienen, dann soll er sie auch dafür anständig entschädigen. Nicht irgendwann bald, sondern sofort.


    Zu 4. Haben denn alle Menschen in Deutschland Recht auf Würde? Ist es denn etwa menschenwürdig ohne dem Beisein seiner oder ihrer Angehörigen sterben zu müssen? Haben die Menschen hierzulande Berufsfreiheit und dürfen Ihren Beruf frei und ohne Zwänge ausüben und so ihre Familien ernähren? Ich finde mit dem Gastronomie- und dem Tourismusverbot und der starken Einschränkung der Kultur hat man ebendieses Recht ausgehebelt.


    Herr Lewerentz, Sie sagten ich sei kein Virologe und kein Gesundheitspolitiker. Damit haben Sie vollkommen Recht, deswegen habe ich mich auch größtenteils zu grundsätzlichen philosophischen und verfassungsrechtlichen Fragen geäußert. Aber ich frage wiederum Sie, ob Sie denn ein Virologe seien?


    Es mag für Sie eine "merkwürdige Richtung" sein, in welche ich vermeintlich abgedriftet bin. Für mich ist das der Wille zur Freiheit und der Wunsch, dass jede und jeder ein Leben in Würde und Freiheit und ohne Bevormundung genießen darf. Ich bleib dabei, grundsätzlich halte ich die Bekämpfung der Pandemie für wichtig und notwendig, aber das Ziel heiligt nicht die Mittel, Herr Lewerentz.


    Vielen Dank.

  • Herr Präsident,

    Hohes Haus,

    was Sie hier planen ist nicht geeignet gegen die Epidemie vorzugehen.

    Kapieren Sie in Ihrer Borniertheit und/oder Angst vor dem was da ist, nicht das die Maßnahmen genau so wenig fruchten

    Es wird hier ständig mit Toten operiert ,. ja mein Gott wer stirbt denn, jene die über kurz auch so gestorben wären.!

    Also bitte kehren wir zur Normalität zurück, es ist an der Zeit!

    Dr. Christian Theodor Felix Reichsgraf Schenk von Wildungen

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages,

    Präsident des bayrischen Landtages a.D.

    Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt a.D.

    Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat des Freistaates Bayern a.D.

    Ministerpräsident des Freistaates Bayern a.D.


    "Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."

    Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

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  • Herr Wildungen,


    Abgesehen dass auch viele junge Menschen an den Folgen sterben und leiden können, geht es wie oben erwähnt nicht um einzelne Leben. Die Maßnahmen sind alternativlos, weil unser Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps steht. Dann müssen sich Ärzte und Ärztinnen entscheiden, wer (zuerst) behandelt wird, wer versorgt wird. Dazu darf es nicht kommen, deshalb werden diese Maßnahen getroffen. Zudem sollte ihnen auch klar sein, dass sich die Zahlen bei mehr Kontakt ganz schnell anhäufen können, sodass wir später von Hunderttausenden Toten reden würden. Das wäre dann schon signifikant, oder?

  • Herr Wildungen,


    Abgesehen dass auch viele junge Menschen an den Folgen sterben und leiden können, geht es wie oben erwähnt nicht um einzelne Leben. Die Maßnahmen sind alternativlos, weil unser Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps steht. Dann müssen sich Ärzte und Ärztinnen entscheiden, wer (zuerst) behandelt wird, wer versorgt wird. Dazu darf es nicht kommen, deshalb werden diese Maßnahen getroffen. Zudem sollte ihnen auch klar sein, dass sich die Zahlen bei mehr Kontakt ganz schnell anhäufen können, sodass wir später von Hunderttausenden Toten reden würden. Das wäre dann schon signifikant, oder?

    Herr Russ,


    Alternativlosigkeit ist immer die denkbar schlechteste Begründung für ein gewähltes Vorgehen, da diese nur in den allerwenigsten Fällen anzutreffen ist. Das bisher gewählte Vorgehen ist jedoch die, nach Meinung der Landesregierung und Hoffentlich auch des Landtags, die beste aller (schlechten) Alternativen.

  • Nicht die genauen Maßnahmen, die sie treffen möchten, sondern die grundlegenden Infektionsschutzmaßnamen. Darum ging es mir.

  • Ich schließe hiermit die Debatte. Die Abstimmung wird erfolgen.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)