Identitäts- und Gleichstellungspolitik als Vorwand der politischen Linke

In Nietzsches Zarathustra heißt es : "Rache wollen wir üben und Beschimpfung an allen, die uns nicht gleich sind". Daraus entwickelte der Philosoph des 20. Jahrhunderts dann den Willen zur Gleichheit, der als Begriff einer neuen Tugend diente, die sich unter dem bekannten Sammelbegriff der Sklavenmoral wiederfindet. Es geht dabei im Grundsatz darum alles Bestehende, insbesondere alles Machtvolle zu verneinen, in das einer Gruppe selbst nützliche - nicht moralische - Gegenteil zu verkehren und dies als Moral zu verkaufen. In der Tat ist es beachtlich, dass Nietzsche die Taktik der politischen Linke vorhergesagt hatte. Vorhergesagt ist aber vielleicht auch wieder zu viel des Lobes, denn es handelt sich keineswegs um neue Erscheinungen, sondern immer wiederkehrende Muster menschlichen Verhaltens im Rahmen einer Gruppen- und Hierarchieordnung. Entgegen den Behauptungen der vermeintlich Unterdrückten geht es aber keineswegs um die Beseitigung der Hierarchie (die Staatenlosigkeit im Marxismus wurde etwa auch nie erreicht), sondern um deren Veränderung im Eigeninteresse. Das, nebenbei bemerkt, ist auch der Grund, warum sich die Natur des Sozialismus nicht ändern wird, weil man ihm mit dem sog. "demokratischen Sozialismus" eine neue "fancy" Firma verpasst hat. Letztlich geht es immer um ein Aufbegehren (aus Hass) gegen die Zusammensetzung bestehender Strukturen, nicht um deren Beseitigung.


Bereits an dieser Stelle sollte uns ein dumpfes Gefühl beschleichen, warum Identitätspolitik keine gute Sache sein kann. Gegebene Strukturen sind nicht deswegen schlecht, weil sie bestehen oder die eigenen Interessen nicht oben an der Hierarchie stehen. Wer glaubt, die Hierarchien einer Gesellschaft und eines Landes entstünden ausschließlich qua gewaltsamer Aneignung, der hat die Entwicklung der letzten 70 Jahre verpasst, die es dem Einzelnen - wie nie zuvor in der deutschen Geschichte - ermöglicht, sich und dadurch die Gesamtheit zu bereichern und zwar durch eigene Leistung, Kreativität und Gestaltungsmacht. Dass nicht jeder Mensch auf der gleichen Ebene der Hierarchie stehen kann, erschließt sich von selbst. Ansonsten müsste man, was kaum nachvollziehbar wäre, infrage stellen und bestreiten, dass jede Person gleich viel kann und - im übertragenen Sinne - gleich viel verdient. Die Vorstellung von Gleichheit ist eine Märchenvorstellung und das wird sie auch immer bleiben, solange wir in einer freiheitlichen Demokratie leben. Wenn sich daran etwas ändern sollte, dann wird es diese Gleichheits-Gestion sein, die bei konsequenter Umsetzung ein erhebliches Sprengstoffpotential birgt, welche einen erheblichen Anteil hieran tragen wird. Schließlich ist Ungleichheit eine zwangsläufig notwendige Bedingung für jede Freiheitsausübung. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Autorin kritisiert nicht den Freiheits-, sondern den Gleichheitsanspruch, den gewisse Gruppen im Rahmen ihrer von der politischen Linke geforderten und geförderten Identitätspolitik erheben.


Nachdem diese allgemeine Grundlage geklärt ist, wenden wir uns der geschlechtsbezogenen Identitätspolitik zu. Besonderes Unverständnis erregt, insbesondere bei mir als Frau, der Feminismus der Neuzeit. Eine niedliche Ideologie. Meckern, Trotz und irrsinnige Forderungen aus Prinzip. Gleichheit postulieren, Ungleichheit vorleben. Mit der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau ist das Bedürfnis für eine feministische Bewegung entfallen. De facto verhält es sich aber so, als bekäme die Bewegung wieder neuen Zulauf. Zudem scheint es, als werde das Auftreten jener BerufsnörgelerInnen zunehmend aggressiver. In der Tat zeichnen sich Feministen des 21. Jahrhunderts durch ihren Willen zur (Un-)Gleichheit aus. Besonders störend empfinde ich an den Vertretern dieser Ideologie, dass sie psychologisch anerkannte Fakten ignorieren und sich als Opfer eines chauvinistischen Weltsystems inszenieren, womit sie sich selbst und ihre eigene Kraft delegitimieren. Wer immer andere für das eigene Versagen verantwortlich macht und die Welt verändern will, so scheint es, sollte zunächst mit den eigenen Fehlern beginnen.


Zu den Fakten. Es ist infolge zahlreicher psychologischer Studien bewiesen, dass Männer und Frauen in weiten Teilen gleich sind, in vielen Teilen aber wesentliche Unterschiede aufweisen. Das betrifft beispielsweise die Aggressivität und das Temperament. Einen Feministen, der sich für die Gleichstellung der Anzahl männlicher und weiblicher Gefängnisinsassen ausspricht, hat sich komischerweise bisher nicht gefunden. Ferner divergieren die Interessen erheblich: Während sich Frauen eher für Menschen interessieren, erstreckt sich das Interesse von Männern eher auf Sachen. In den Big-Five zeichnen sich, über alle Kulturkreise hinweg, psychologische Unterschiede zwischen Mann und Frau ab. Das, so das Narrativ, sei aber nur auf gesellschaftliche Einflüsse zurückzuführen. So sollen etwa bereits Kinder durch die Auswahl bestimmter Farben ihrer Spiel- und Anziehsachen zu einem bestimmten Verhaltens- und Denkmuster erzogen werden. Auch diese Behauptung ist unschwer zu falsifizieren. Denn die größten Unterschiede zwischen Mann und Frau wurden in jenen Ländern festgestellt, die eine besonders intensive Gleichstellungspolitik betreiben, so vor allem die skandinavischen Länder. Insoweit muss man von biologischen Unterschieden ausgehen. Freilich sind diese nichtsdestoweniger nicht sonderlich groß, aber auch nicht völlig unbeachtlich. Werden jene Erkenntnisse entweder ausgeblendet oder gar geleugnet, muss sich die feministische Bewegung den Vorwurf von Doppelmoral gefallen lassen. Sie wird insofern auch zum zahnlosen Tiger, als sie einen Feind - das angebliche männliche Patriachart - bekämpft, den es nicht gibt, der vielmehr, wie es der Gesellschaft umgekehrt vorgeworfen wird, konstruiert ist.


Ich wiederhole mich an dieser Stelle deshalb, weil es von so entscheidender Bedeutung ist, die Folgen jener Argumentationslinien zu verstehen. Erstens delegitimieren sich die Anhänger des Feminismus selbst, wenn sie die Verantwortlichkeit für alles Schlechte, was ihnen in der Welt widerfährt (kaum zu glauben, dass das Leben nicht rosa-rot und bunt ist!), einem exklusiven Club an Männern (Oder geht es generell um alle Männer, also auch den Bettler auf der Straße? Das wäre ja noch bedenklicher.) zuschreiben. Soweit andere für das eigene Schicksal verantwortlich sein sollen, folgt daraus die eigene Unfähigkeit, für sich selbst einzutreten. Dann stellt sich aber wiederum die Frage, warum die Hierarchie zugunsten solcher Menschen verändert werden sollte, die unfähig sind, Verantwortung zu zeigen und zu übernehmen. Das sind auch keine Charaktereigenschaften, die ein Politiker aufweisen sollte, obgleich es bedauerlicherweise vieler solcher schwachen Menschen an dieser Stelle der Gesellschaft gibt. Zweitens, und das ist noch viel bedeutsamer (Was schert es mich, wie geringschätzig andere sich selbst behandeln?), wird durch jene Gleichstellungs-Gestion ein Klima geschaffen, in der die Gruppenzugehörigkeit über den Menschen bestimmt. Damit führt sich der Feminismus selbst ad absurdum. Er anerkennt die (vermeintlich) größeren Unterschiede zwischen Gruppen von Menschen (Mann - Frau), als zwischen den Gruppenmitgliedern selbst (Frau-Frau; Mann-Mann). Entscheidend ist nicht dein Charakter, deine Leistungen oder deine Geschichte, sondern dein Geschlecht. Dass dieses Merkmal aber Anhaltspunkt für eine Diskriminierung (durch alle anderen außer Frauen) ist, war doch selbst die Kritik des Feminismus. Letztlich muss man auch hier sagen, dass die Kernthese der systembedingten Ungleichheit von Mann und Frau in erster Linie von Feministen des 21. Jahrhunderts selbst behauptet wird. Nicht zuletzt ist es ein freiheitsfeindliches Denken, wenn die Gruppenzugehörigkeit über der Individualität steht.


Nicht besser verhält es sich des Weiteren mit der neusten Erfindung menschlicher identitätsbezogener Nomenklatur: Dem sog. sozialen Geschlecht. Hierbei hat sich eine nicht mehr überschaubare Vielzahl von möglichen Bezeichnungen entwickelt, die wiederzugeben hier nicht möglich oder zweckmäßig ist. Sie sammeln sich unter der Bezeichnung "nicht-binäre" Menschen. Es geht im Grundsatz darum, dass eine Person selbst festlegen soll, welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlt oder ob sie überhaupt einem Geschlecht angehören will. Sinnvoll kann das etwa sein für Personen, die sich biologisch nicht auf Grund der genetischen Struktur einem Geschlecht zuordnen lassen. Dabei handelt es sich aber um ausgesprochen wenig Menschen, die keineswegs die Mehrheit nicht-binärer Menschen bilden. Mithin handelt es sich in erster Linie um männliche und weibliche Personen, die mit ihrem biologischen Geschlecht bzw., genauer, mit der Art und Weise wie dieses gesehen wird, unzufrieden sind. Natürlich steht es jedem Menschen frei, sich zu fühlen, wie auch immer er möchte, so wie es jedem Menschen überlassen bleibt, welchem Fußballverein er beitritt oder ob er sich als "Punk" bzw. "Goth" identifiziert. Das ist die freiheitliche Seite der Medaille. Einer Gleichstellung von biologischem und gleichsam vergeistlichem Geschlecht kann aber nicht gefolgt werden. Einerseits kann niemand einen Anspruch darauf haben, zu definieren, wie er von der Gesellschaft gesehen oder angesprochen wird; das bestimmt sich über das biologische Geschlechter. Andererseits würde es das menschliche Zusammenleben maßlos überfordern, müsste man sich nun zugunsten einer kleinen Minderheit umstellen, zumal dem Einfallsreichtum ja keine Grenzen gesetzt sind. Jeder kann sich zu jederzeit fühlen, als was er will. Daran kann niemand gehindert werden. Soweit ersichtlich wird in Deutschland hieran auch niemand gehindert. Aber niemand kann erwarten, dass sich der Rest der Welt um diese vergeistlichte, also nach außen nicht erkennbare, Geschlechtsidentität schert.


Identitätspolitik ist ein ertragsreiches Betätigungsfeld der politischen Linke, denn sie richtet sich (scheinbar) gegen bestehende Ordnungen, womit das Linke, vermeintlich progressive und freiheitliche, Profil geschärft werden kann. Vor diesem Hintergrund erscheinen etwa Forderungen nach einem "bunten" oder "diversen" Zusammenleben grotesk und sogar zynisch. Eine andere Frage ist natürlich, ob die Macher der heutigen Linke mächtig genug sind, ihre eigene Sackgasse zu erkennen, oder ob sie selbst zum Werkzeug degradiert worden sind. Ich weiß nicht, welche Vorstellung schlimmer ist.


N u n t i u s | V e r i t a t i s

Charlotte Braun

    Kommentare 6

    • Ein sehr lesenswerter Beitrag, werte Frau Kollegin!

    • Juhu, mein Mittagessen macht wieder einen Abgang.

      • Es wundert nicht, dass Sie dem Inhalt dieses journalistischen Beitrags geistig nicht gewachsen sind und deshalb auf einem solch unterirdischen Niveau reagieren. Haben Sie Angst vor der inhaltlichen Debatte?

      • Sich darüber beschweren, dass jemand auf einem "unterirdischen" Niveau regiere, und dann geistige Schwäche vorwerfen. Sie merken es wirklich nicht, oder?

      • Ihr Unvermögen, sich inhaltlich mit dem Beitrag auseinanderzusetzen, ist offenkundig.

      • Wenn Sie meinen...