[Kleine Anfrage] TH003/004 Verhalten Thüringens in der bundesweiten Debatte über einen potenziellen zweiten Lockdown

  • Folgender Antrag wurde durch die freie Bürgerin Emmi Seidel eingereicht:



    Der Ministerpräsident hat 72 Stunden Zeit zur Beantwortung der kleinen Anfrage.

  • Vielen Dank Frau Seidel, für diese wichtigen Fragen.


    1. Hat der Ministerpräsident in den vergangenen Wochen und Tagen die öffentliche Debatte über einen potenziellen zweiten Lockdown verfolgt? Wenn ja, wie sieht seine persönliche Meinung beziehungsweise die Meinung der Staatsregierung zu diesem Thema aus, insbesondere in Bezug auf den Freistatt Thüringen?


    Ja ich habe die Debatte verfolgt, mich im besonderem aber auch privat mit dem Thema auseinandergesetzt. Meiner Meinung nach hat Thüringen im ersten Lockdown positive Erfahrungen machen können und kann sich auf Erfahrungen berufen. Der erste Lockdown, dass kann man anhand der Zahlen nachvollziehen, war aus heutiger Sicht zu hart. Einzelne Maßnahmen müssen einfach immer wieder hinterfragt werden, gerade am Anfang konnte man natürlich nicht alles wissen. Dennoch sind wir jetzt an einem Zeitpunkt, an dem die Zahlen weiter in die Höhe schießen, als wir es uns leisten können. Wir müssen immer bedenken, dass die Zahl von wenigen Tausend Infektionen unser Gesundheitssystem nicht belasten, innerhalb von wenigen Tagen kann sich das aber alles ändern. Ich begrüße die gemeinsame Strategie, welche wir gemeinsam in der Konferenz mit den Ministerpräsidenten in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsminister beschlossen haben, fürchte jedoch, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind. Der Meinung dass wir aktuell einen Lockdown wie im Frühjahr benötigen, bin ich allerdings nicht.


    2. Welche der folgenden im Moment debattierten neuen Verschärfungen der Corona-Regelungen wird der Ministerpräsident unterstützen respektive ablehnen? (Bitte einzeln darauf eingehen!)


    -Offenhalten der Schulen und Kitas unter allen Umständen

    Ist das für uns wichtigste und Schließungen werden aktuell nicht in Betracht gezogen. Unser Landesgesundheitsminister hat bereizts Konzepte, wie wir Kontakte im Härtefall deutlich reduzieren könnten und trotzdem Präsenzunterricht stattfinden kann.


    -Weitgehende Verschärfung der Kontaktbeschränkungen (in der Öffentlichkeit nur noch maximal 10 Personen aus maximal 2 Hausständen)

    Die Kontakminimierung ist sehr wichtig und einfacher zu handhaben. Dennoch düfen deshalb Zwischenmenschliche Beziehungen nicht zerstört werden. Diese vorgegebene Regelung welche ihrerseits erwähnt wurde, halte ich daher für richtig und ist auch für Thüringen denkbar.


    -Schließung fast sämtlicher Einrichtungen im Bereich Freizeit und Kultur (z.B. Theater, Kinos, Opern, Spielhallen)

    Sollte es die Situation in den kommenden Tagen erfordern, werden wir diese Maßnahmen wohl oder übel durchsetzen müssen. Dies darf aber nur geschehen, wenn wir Konzepte erarbeitet haben, wie wir die Restaurants, Theater, Kinos usw. retten können. Doch vorallem braucht es hier den Bund, der hier vorallem Kosten übernehmen muss. Die Frage wird sein, wie hoch sich der Staat verschulden wird und wie diese getilgt werden. Es ist denkbar, dass wir einen Corona-Solidaritätszuschlag erheben müssen.


    -Weitgehendes Verbot des Freizeit- und Amateursportbetriebs


    Kritisch. Sport und köperliche Betätigung ist eigentlich sehr wichtig für unsere Gesundheit und darf daher nicht in den Hintergrund geraten. Wenn, dann braucht es einfach noch stärkere Hygienekonzepte mit deutlich weniger Kontakten. Zur Finanzierung wie oben.



    -Verbot touristischer Reisen


    Das streben wir nicht an und wäre auch schwer möglich. Jedoch sind Hotelschließungen und Aufnahmeverbote denkbar. Den Aufenthaltsort von Personen können wir als Land Thüringen aber schwer bestimmen. Die Außengrenzen sind ja nun eher nicht unser Problem.


    -Schließung des gesamten Gastronomiebereichs

    Das gleiche wie bei Kunst und Kultur. Gaststätten haben es allerdings noch etwas einfacher, einige haben schon im ersten Lockwown Straßenverkauf und Lieferdienste eingerichtet, das sollten wir bei Schließungen unterstüzten.


    3. Welche wirtschaftlichen Folgen befürchten der Ministerpräsident und die Staatsregierung, sollten die in Frage 2 aufgelisteten Maßnahmen einsetzen?

    4. Wie gedenken Ministerpräsident und Staatsregierung eine Pleitewelle unter Gastronomen und Selbstständigen zu verhindern, sollten die in Frage 2 aufgelisteten Maßnahmen einsetzen?

    Ich sehe in dieser Krise nicht nur wirtschaftliche Schäden. Es sind Menschen. Menschen, die ihre Liebsten nicht mehr sehen dürfen, weil sie aus einem Bundesland kommen oder im Krankenhaus keine Besuche möglich sind. Menschen, deren Existenzlage bedroht ist, weil sie nicht arbeiten können, obwohl sie wollen. Menschen, die Angst haben vor der Zukunft. Besonders vor diesen Folgen fürchte ich (wieder). Aus wirtschaftlicher Sicht hatten wir im ersten Lockdown die Chance, etwas Neues entstehen zu lassen, haben aber zu wenig gemacht, diese Chance können wir vielleicht jetzt wieder nutzen. Dennoch wird es, egal welche Maßnahmen wir jetzt treffen, zwangsweise mindestens zu einzelnen Schließungen kommen und wir müssen darauf vorbereitet sein, stattlich einzugreifen. Nötigenfalls wäre eine Übergangszeit, in der die Betriebe staatlich übernommen sind denkbar, damit die Beschäftigten nach der Krise diese wieder aufbauen können, das sind aber alles Punkte, über die wir zusammen in der Konferenz diskutieren müssen, ich will einen zu großen Flickenteppich vermeiden.

    5. Werden sich der Ministerpräsident und die Staatsregierung etwaigen mehrheitlichen Beschlüssen einer Bund-Länder-Konferenz fügen oder aufgrund der teilweise etwas moderateren Zahl der Neuinfektionen im Land auf einen Sonderstatus des Freistaates Thüringen drängen?

    Das kommt natürlich ganz auf die Beschlüsse dieser an, deshalb kann ich ihnen das vorneweg selbstverständlich nicht sagen. Wir bemühen uns jedoch wie gesagt darum, möglichst einheitlich zu entscheiden. Trotzdem ist Thüringen etwas eigenes und muss so betrachtet werden. Gerade haben wir knapp 7000 Infektionen in Thüringen, das ist recht wenig, jedoch sind die 7 Tagesinzidenszen in über 11 Städten und Gemeinden, u.a. in Jena und Erfurt bereits überschritten, wir müssen trotzdem wachsam bleiben.



    Für detailliertere medizinische Fragen bitte ich darum meinen geschätzen Kollegen, den Gesundheitsminister Kai Baum zu befragen, welcher zu diesen Fragen Stellung beziehen kann.

  • Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen, Herr Ministerpräsident. Ich habe keine weiteren Nachfragen.

  • Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,


    ich habe da noch zwei Fragen:


    • Wie schätzt die Staatsregierung die finanziellen Ausfälle für Thüringen ein? Sind Gelder vom Bund zur Unterstützung zu beantragen und wenn ja, wie werden Sie eeingesetzt?
    • Wie werden die Anordnungen zum Lockdown durch Polizei u.ä. Kräften kontrolliert, gerade im Privatbereich?

    Herzlichen Dank

  • Auch wenn es etwas unüblich ist, beantworte ich natürlich gerne ihre Fragen.


    Es wird nötig sein, sollten härtere Maßnahmen gegriffen werden, Unterstützung durch den Bund zu erhalten. Wir müssen sie dann in den jeweiligen Branchen einsetzen um a) Menschen direkt zu helfen, damit sie nicht in Armutsverhältnisse rutschen und b) die Betriebe zu retten, um mittelfristig unsere Wirtschaft wieder aufzunauen.


    Die Polizei kontrolliert besonders in der Öffentlichkeit, größere Private Einschnitte halte ich für nicht angemessen, sollter der Polizei nicht ausdrücklich eindeutige Umstände dazu verleiten, Maßnahmen durchzusetzen, z.B. bei Partys oder dergleichen.

  • Herr Ministerpräsident,

    weshalb nur der Bereich Amateur-und Freizeitsport, trauen Sie sich an den Profisportbereich nicht heran oder wie soll man die Sache verstehen

    Dr. Christian Theodor Felix Reichsgraf Schenk von Wildungen

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages,

    Präsident des bayrischen Landtages a.D.

    Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt a.D.

    Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat des Freistaates Bayern a.D.

    Ministerpräsident des Freistaates Bayern a.D.


    "Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."

    Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

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  • Victoria Mechnachanov

    Hat das Thema geschlossen