DEBATTE | XIII/009: Aktuelle Stunde zur zukünftigen Regierungsarbeit der Staatsregierung Böttcher

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    AUSSPRACHE

    Aktuelle Stunde zur zukünftigen Regierungsarbeit der Staatsregierung Böttcher


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    die Fraktion der Grünen hat eine Aktuelle Stunde beantragt, die die zukünftige Regierungsarbeit der Staatsregierung Böttcher zum Gegenstand haben soll. Diese dauert, den Regularien unserer Geschäftsordnung entsprechend, zweiundsiebzig Stunden lang an.
    Ich eröffne die Aussprache.


    gez. Dr. Christ

    (Präsidentin des Bayerischen Landtages)

  • Herr Präsident,


    meine Fraktion und ich sind – offengestanden – sehr irritiert angesichts der Art und Weise, wie der Regierungsbildungsprozess vonstatten gegangen ist. Von heute auf morgen haben sich die Regierungsparteien zusammengetan und vorgetragen, man volle fortan konzertiert zusammenwirken, um eine „handlungsfähige“ Staatsregierung zu bilden. Mir geht es dabei nicht darum, dass die Regierungsparteien dies getan haben, sondern vordergründig um das Wie. Alle Parteien haben sich zusammengetan, ohne überhaupt ein Wort mit den Grünen oder – soweit ich weiß – der SDP zu wechseln, wie man eine handlungsfähige und stabile Regierung für den Freistaat Bayern bilden kann. Abseits dessen, dass der Vorwand zur Regierungsbildung freilich sehr fadenscheinig ist, möchte ich dabei in den Vordergrund stellen, dass die Regierungsparteien bis heute keine Aussagen über weitere Perspektiven für die Zukunft unseres Freistaates getätigt haben. Von welchen Gedanken wollen sich die Regierungsparteien leiten lassen, was kann man von der Regierung erwarten? Viele Fragen – aber bisweilen keine Antworten.


    Meine Damen und Herren, genau die Klärung dieser Fragen gehört aber zwangsläufig zur Bildung einer gemeinsamen inhaltlichen und vertrauensvollen Basis, die für stabiles Regieren erforderlich ist. Wenn man hingegen nicht einmal eine Übereinkunft zur Klärung wichtiger politischer Fragen, die in Zusammenhang zu der aktuellen Inflations- und Energiekrise, zum Ukraine-Krieg, zur Klimakrise oder zu sozialen Fragen stehen, gefunden hat – wie will man denn dann stabil regieren? Gerade erst die grundlegende inhaltliche Übereinkunft beugt Streitigkeiten in der Regierung vor und sorgt dafür, dass diese auch tatsächlich handlungsfähig ist. Insoweit ist der Vorwand, man wolle für eine stabile und handlungsfähige Regierung sorgen, besonders fadenscheinig und sollte zwangsläufig Fragen aufkommen lassen. Mir scheint nämlich, dass den „Koalitionären“ nämlich nicht überhaupt nicht daran gelegen ist, für das Wohl unseres Freistaates zu sorgen, sondern, dass diese aus eigenem Machtinteresse konzertiert zusammenwirken und öffentliche, staatstragende Ämter als Spielplatz zur persönlichen Selbstverwirklichung missbrauchen. Sollte dem so sein, so lässt sich dieses Vorgehen nur als pervers bezeichnen.


    Werte Anwesende, die Bürgerinnen und Bürger in Bayern haben gewählt und nun steht eine Regierung. Und diese haben natürlich auch ein Interesse und vor allem voran ein Recht, zu erfahren, wozu ihre Stimmabgabe denn nun führen wird. Zehn Tage – ganze zehn Tage – ist es nun her, dass die Öffentlichkeit zum ersten Male Kenntnis davon erhalten wird, dass Allianz, CDSU, Piraten und BSV zusammen regieren wollen. Was daraus aber folgen wird – der Öffentlichkeit ist dies bisweilen verschlossen gewesen. Die „Koalitionäre“ scheinen plan- und ratlos. Wissen diese überhaupt selbst, ob überhaupt etwas und was sie umsetzen werden, was dem Freistaat in Zukunft erwarten wird? Es scheint derweil zweifelhaft. Jetzt wäre jedenfalls ein angemessener Zeitpunkt für die Regierungsparteien, dem Landtag und der Öffentlichkeit ehrlich Rede und Antwort zu stehen und ihre wesentlichen politischen Ideen, von denen sie sich politisch leiten lassen wollen, soweit vorhanden, vorzustellen, weswegen ich nach § 48 I unserer Geschäftsordnung das Erscheinen des Herrn Ministerpräsidenten Julian Böttcher beantrage.


    Besten Dank

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Damen und Herren Abgeordnete,

    Frau Kollegin Dr. Christ



    Die Gespräche zwischen Allianz-CDSU-vPiraten und BSV gingen 5 Tage vom 17. August bis zum 21. August. In dieser Zeit haben wir ein Vereinbarungspapier entworfen und Gespräche für die einzelnen Fachministerinnen geführt. Die Gespräche waren sehr harmonisch und wir sind die ganze Zeit im guten Austausch. Die Gesetzesentwürfe liegen bei den zuständigen Fachministerien und werden, wenn es so weit ist, den Partner vorgelegt und diskutiert.



    Wir haben Sie ja eingeladen und haben erstmal keine Antwort erhalten und danach gab es nur die Antwort wir werden mal schauen. Und wir als Bayern Allianz haben uns nach den Alleingängen der Grünen im Bund entschieden, dies eh ungern zu tun. Zum Punkt SDP wir wurden am Wahlabend noch eingeladen, aber weil ich die Tage darauf verhindert war, ging es nicht schnell genug und haben dann die Antwort erhalten wir gehen in Koalitionsverhandlungen mit den Grünen. Danach sind der SDP Bayern die Abgeordneten weggerannt und hätten so keine Mehrheit mehr gehabt.


    Wir als Partner haben uns dann dazu entschieden, wir müssen gegensteuern, sonst gibt es eine Regierungskrise in Bayern. Wir haben uns zusammengesetzt und haben das Vereinbarunspapier gemacht und die Regierungsgespräche geführt.



    Ich weiße diese Vermutung gekonnt zurück. Unser Bündnis ist auf jeden Fall interessiert für das Wohl im Freistaat und für die Bürgerinnen und Bürger. Währenddessen bei ihnen Rot-Grün gescheitert ist, haben wir vertrauensvolle und konstruktive Gespräche geführt. Wir haben eine Regierungskrise verhindert.


    Dieses Amt hat keinen Platz für Spielplätze und Machtinteressen oder anderen komischen Sachen. Hätte uns das Klima nicht gefallen, wäre dieses Bündnis auch nicht zustande gekommen. Bei der Allianz hat auch die Parteibasis positiv für dieses Bündnis gestimmt.



    Wenn mein Kabinett bald vereidigt ist, wird die Regierung die Arbeit richtig aufnehmen und werden fürs Wohl der Bürgerinnen und Bürger in Bayern arbeiten. Ich freue mich darauf.



    Dankeschön

    Ministerpräsident Bayern a.D.

    Bundesverteidiungsminister a.D.

  • Frau Präsidentin,

    meine sehr verehrten Damen und Herren,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    Bayern braucht Antworten. Nicht morgen, nicht übermorgen, sondern heute. Die neue Staatsregierung wird selbstverständlich ihre angemessene Einarbeitungszeit bekommen, aber die Sturheit, mit der hier dem Landtag und den Bürgerinnen und Bürgern die Pläne und Vorhaben der Regierung - wenn es denn solche gibt - vorenthalten werden, ist schon erstaunlich und durchaus dreist.


    Die Zeit drängt. Wir steuern auf eine der größten Krisen in der Geschichte des wiedervereinigten Deutschlands zu und was wir von der Staatsregierung dazu hören ist - mit Verlaub - nichts. Es gab eine für viele überraschend kommende kurze Pressekonferenz zur Regierungsbildung und ein ambitions- und inhaltsloses Papier zur neuen Arbeitsweise der Koalitionäre. Mehr nicht. Es stimmt, wir brauchen keinen seitenlangen Koalitionsvertrag, von dem am Ende sowieso nur ein kleiner Bruchteil umgesetzt wird. Und doch darf es nicht zu viel verlangt sein, zumindest ein kurzes Maßnahmenpapier im Angesicht der gegenwärtigen Herausforderungen vorzulegen. Fünf oder sechs Punkte, die den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern helfen sollen, ihren Alltag besser zu meistern. Stattdessen schweigen der Ministerpräsident und seine Minister seit Tagen, was inhaltliche Entscheidungen und konkrete Pläne angeht. Das wird dem Anspruch der Menschen nicht gerecht.


    Ich rufe Sie dazu auf, Herr Böttcher, zeigen Sie uns, dass Sie einen Plan haben. Dass Sie wissen, wohin das Schiff steuert. Holen Sie uns aus der Schwebe. Alles andere wäre ein Desaster für Bayern.


    Herzlichen Dank.

  • Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,


    mit dem Vortrag, den der Herr Ministerpräsident soeben abgegeben hat, gibt dieser sich und die ganze Regierung der Lächerlichkeit preis. Mehr Wesentliches als der Grundtenor "Stimmt nicht!" ist bei diesem nämlich nicht herumgekommen. Auch heute wissen wir nicht, was die Staatsregierung in grundlegenden inhaltlichen Fragen angedacht hat. Frau Kollegin Barley hat diesbezüglich vollkommen Recht: das wird dem Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Regierung in keiner Weise gerecht. Wenn Sie nicht einmal eine grobe Ahnung davon haben, was Ihre groben inhaltlichen Leitlinien sind - sonst könnten Sie, Herr Böttcher, hier singen wie eine Nachtigal -, wie wollen Sie dann stabil regieren? Uns hätten Sie einladen können, mehr als eine späte abstrakt gehaltene Frage haben Sie aber nicht geschafft, rüberzubringen. Und dann selbstgefällig zu behaupten, man habe den Freistaat vor einer Regierungskrise bewahrt, stellt - eingedenk dessen, dass eine Regierung, die nicht weiß, was sie inhaltlich will und droht, sich bei künftigen inhaltlichen Fragen, ohne sich ex ante einen inhaltlichen Fahrplan gegeben zu haben, womöglich zu zerstreiten, in keinem Aspekt einen Mehrwert zur geschäftsführenden Regierung Fürst bietet - eine Verarsche gegenüber dem Landtag und dem Volk dar. Schämen Sie sich.