3 BvT 2/22 - Auslegungsstreitigkeit vierer Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft hinsichtlich der Auslegung des Artikels 34 II Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg

  • OBERSTES GERICHT

    – 3 BvT 2/22 –



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    Im Namen des Volkes



    In dem Verfahren

    über

    den Antrag festzustellen:



    Artikel 34 II Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg ist in Verbindung mit § 9 I Nummer 2, V Nummer 3 vDeutsches Gesetzbuch dahingehend auszulegen, dass die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren durch die Bürgerschaft mit mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen unter Berücksichtigung der Enthaltungen zu erfolgen hat.


    Antragsteller und Beteiligte zu 1.:


    1. Manuela Kotting-Uhl MdHB,

    2. Falko Hajduk MdHB,

    3. Enrico Maier MdHB,

    4. Ernesto B. Dutschke MdHB,


    Weitere Beteiligte:


    2. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg,

    vertreten durch ihren Präsidenten,
    den Abgeordneten Hajime Nagumo MdHB,
    Rathausmarkt 1, 20095 Hamburg,


    3. Senat der Freien und Hansestadt Hamburg,

    vertreten durch seinen Präsidenten,
    den Ersten Bürgermeister Lando Miller MdHB,
    Rathausmarkt 1, 20095 Hamburg,



    hat der Dritte Senat der Ersten Kammer des Obersten Gerichts


    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsidentin Christ-Mazur,


    Vizepräsident Neuheimer,


    Siebert


    gemäß § 15 II OGG in der Fassung der Bekanntmachung

    vom 23. Januar 2021 ( BGBl. I S. 8 )

    am 06. Juli 2022 beschlossen:


    Die Verhandlung über den Antrag der vier Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft ist durchzuführen.

    Der Verhandlungsbeginn wird für Freitag, den 08. Juli 2022, 18:00 Uhr, angesetzt.



    Christ-Mazur | Neuheimer | Siebert



    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    ich begrüße Sie im Obersten Gericht und eröffne hiermit die Sitzung des Dritten Senates der Ersten Kammer des Obersten Gerichtes zur mündlichen Verhandlung in dem Verfahren 3 BvT 2 aus dem Jahr 2022 über die Frage, wie Artikel 34 II Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt auszulegen ist.


    Für die Antragstellerinnen und Antragsteller anwesend: Dr. Joachim Holler

    Für den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg als dessen Vorsitzender: Lando Miller

    Für die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg als deren Präsident: Hajime Nagumo


    Zur Vorgeschichte: die Antragstellerinnen und Antragsteller begehren die Feststellung, dass die fragliche Norm so auszulegen ist, dass eine absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Hauses zur erfolgreichen Bestätigung erforderlich ist und haben diese Erwägung mit dem Telos und der Entstehungsgeschichte der Norm begründet. Der Senat hat in seiner Stellungnahme auf den Wortlaut der Verfassung - Anmerkung am Rande: die Geschäftsordnung ist mit Blick auf die Normenhierarchie keine taugliche Grundlage, eine Nichtbegründetheit zu begründen - abgestellt und somit die Begründetheit des Antrages verneint. Die Bürgerschaft hat auf Stellungnahme verzichtet.


    Unter anderem geht es in diesem Verfahren um die Frage, welche verfassungsrechtliche Rolle Artikel 34 II Satz 2 HV zukommt, und die Absichten des Gesetzgebers, die zu der jetzigen Fassung der Norm geführt haben. Es sei auf diese Verfassungsänderung (S. 3) in diesem Zusammenhang hingewiesen: https://www.buergerschaft-hh.d…g_und_anderer_gesetze.pdf


    Ich erteile Herrn Dr. Joachim Holler das Wort für einleitende Ausführungen.

    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • erhebt sich


    Frau Vorsitzende,
    Werte Damen und Herren,


    Gegenstand des Verfahrens ist die - der Meinung meiner Mandantinnen und Mandanten nach - fehlerhafte Feststellung des Bürgerschaftspräsidenten, dass die Senatorinnen und Senatoren Hamburgs gemäß Art. 34 Abs. 2 HV bestätigt worden sind. Die Bestätigung ist lediglich mit einfacher Mehrheit erfolgt, dabei fordert Art. 34 Abs. 2 HV, wenn man Wortlaut, Systematik und Herkunft der Norm betrachtet, die absolute Mehrheit zur Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren.


    Ich möchte an dieser Stelle keine großen Worte verlieren, da sich an den Ausführungen der Antragstellerinnen und Antragsteller seit dem Einreichen des Schriftsatzes nichts geändert hat. Ich darf dennoch noch einmal kurz die drei Säulen zusammenfassen, auf die sich die Argumentation der Antragstellerinnen und Antragsteller stützt.


    1. Der Wortlaut der Norm:
    Art. 34 Abs. 2 HV, der die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren fordert, steht in unmittelbarem Zusammenhang zum entsprechenden Absatz 1, der die Wahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters regelt. Absatz 1 fordert, für diese Wahl, ausdrücklich eine absolute Mehrheit. Dem Absatz 2 fehlt es an einer Klarstellung, welche Mehrheit für die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren erforderlich ist, doch ist aus der Systematik dieses Artikels davon auszugehen, dass auch diese Bestätigung durch eine absolute Mehrheit erfolgen muss. Eine andere Auslegung wäre inkonsistent und unlogisch. Hätte der Gesetzgeber eine abweichende Mehrheit vorstehen wollen, hätte er dies auch niedergeschrieben. Gerade das ist aber nicht passiert.


    2. Der Zweck der Norm:

    Sinn und Zweck, überhaupt eine Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren durchzuführen, kann nur die Überprüfung der Tatsache sein, ob die Bürgerschaft nicht nur mehrheitlich hinter dem Bürgermeister/der Bürgermeisterin steht, sondern auch hinter den berufenen Senatorinnen und Senatoren. Nur wenn der Senat als Ganzes - nicht nur der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin - eine parlamentarische Mehrheit hinter sich wissen kann, ist er in der Lage, die politischen Geschäfte der Freien und Hansestadt auch stabil zu führen. Die Bestätigung dient insoweit der Gewährleistung der politischen Handlungsfähigkeit und der Stabilität der Freien und Hansestadt Hamburg - dies ist der Zweck der Norm. Eine solche politische Kontinuität und Stabilität ist jedoch - unter normalen Umständen - nur gegeben, wenn auch die Mehrheit der Mitglieder der Bürgerschaft, also die absolute Mehrheit, hinter dem Senat als Ganzes stehen. Fehlt es dem Senat schon bei Amtsantritt an einer solchen ausreichenden Mehrheit, ist die politische Stabilität der Stadt gefährdet. Diesem Zustand will die Verfassung, auch im Sinne des Demokratieprinzips, entgegenwirken und fordert daher die explizite Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren und belässt es nicht lediglich bei der Wahl des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin.


    3. Historische Betrachtung:

    Schließlich stützt auch die Normhistorie die Argumentation der Antragstellerinnen und Antragsteller und unterstreicht die gerade genannten Ausführungen. Bis zum Jahr 1996 war in der Hamburger Verfassung explizit die Wahl eines jeden Senators und einer jeden Senatorin gefordert - durch die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft. Erst im Jahre 1996 vereinfachte man diese langwierige Prozedur zu einer gemeinsamen Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren. Man verzichtete aber darauf, für diese Bestätigung eine geringere Mehrheitshürde vorzusehen. Viel mehr sollte lediglich das Verfahren vereinfacht werden, nicht aber die notwendige Mehrheit geändert. Die Änderung war entsprechend formeller, nicht materieller Natur. Auch aus der Entstehung dieser Norm ist ersichtlich, dass die Hamburger Verfassung schon immer besonderen Wert darauf legte, den Senat insgesamt mit einer sicheren parlamentarischen Mehrheit auszustatten. Dieser Gedanke wohnt der Verfassung noch immer inne und erlitt auch durch die Verfassungsändert aus dem Jahre 1996 keinen Bruch.


    Vielen Dank!

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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Frau Vorsitzende, ich werde für den Senat kurz unsere Sicht erläutern.

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    Bundesminister für Gesundheit, Pflege und Bildung in der 13. Legislatur

    MdB des 13. & 14. Bundestags

    Senator für Arbeit, Digitalisierung und Gesundheit in der 6. Bürgerschaft

    Senator für Bildung und Berufsausbildung in Hamburg der 5. Bürgerschaft

    Leiter der Senatskanzlei Hamburg der 4. & 5. Bürgerschaft


    Schiedskommissar der SDP sowie Sprecher für Arbeit, Soziales & Familie

  • Werte Damen und Herren, Herr Dr. Holler,


    in Artikel 34 der HV ist wie Sie bereits gesagt haben in Absatz 1 für die Wahl des Ersten Bürgermeisters eine absolute Mehrheit gefordert, man spricht von "Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl". Sie gehen nun davon aus, dass dies dann auch logischerweise für den Absatz 2 gilt. Dieser Auffassung und Auslegung folgen wir nicht! Denn wir sehen auch den Artikel 19 der HV der besagt,


    "Zu einem Beschluss der Bürgerschaft ist einfache Stimmenmehrheit erforderlich, sofern die Verfassung nicht ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt"


    In Absatz 1 wird ein anderes Stimmenverhältnis vorgeschrieben, dies ist unserer Auffassung nach aber nicht auf den Absatz 2 anwendbar, selbst wenn dies der gleiche Artikel ist, handelt es sich um einen neuen Absatz. Formulierungen anderer Absätze können nicht einfach auf folgende übertragen werden. Dafür fehlt es im Absatz 1 einer Formulierung die dies zulässt oder fordert.


    Und ihre Aussage Herr Dr. Holler, dass der Gesetzgeber es niedergeschrieben hätte, wenn er eine andere Mehrheit als die aus Absatz 1 wollte, so hätte er dies getan. Dem kann ich zustimmen, genau das hat er getan. Der Gesetzgeber hat in Art. 19 niedergeschrieben dass die einfache Mehrheit gilt wenn nicht anders vorgeschrieben. Und in Absatz 2 des Art. 34 ist es eindeutig nicht anders vorgeschrieben. Somit müssen wir Art. 19 anwenden!


    Wir stützen uns auf die wörtlichen Formulierungen, daher kann ich zum Zweck der gewollt ist oder der Historischen Betrachtung nichts sagen. Für uns ist die Formulierung klar und deutlich auf eine einfache Mehrheit zurückzuführen, da es im besagten Absatz keine anderslautende Formulierung gibt.

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  • Vielen Dank, Herr Kuehl. Wichtiger Dreh- und Angelpunkt dieses Verfahrens ist die Frage, ob der Gesetzgeber willens war, das Mehrheitsquorum herabzusetzen, oder ob es möglich ist, dass die Nichterwähnung eines Quorums in der einschlägigen Norm planwidrig erfolgt ist. Das ist anzunehmen, wenn es der Gesetzgeber schlichtweg übersehen hat, eine einschlägige Regelung zu treffen, dies aber getan hätte, wenn er dergleichen bedacht hätte. Wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber bewusst eine explizite Erwähnung des Quorums im Wortlaut zur Anwendung von Artikel 19 HV weggelassen hat, würde die Analogie als in der ständigen Rechtsprechung anerkannte Auslegungsmethode, wie sie die Antragstellerinnen und Antragsteller begehren, anzuwenden, ausscheiden. Schließlich ist die Judikative nicht rechtsetzend, sondern rechtsprechend, und hat im Zuge der Auslegung im Sinne der Gewaltenteilung die gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren.


    Aus diesem Grund würde ich einfach mal beginnen, zu fragen: Herr Holler ( Dr. Joachim Holler), woran machen Sie fest, dass es der gesetzgeberische Wille nicht war, das Mehrheitsquorum herabzusetzen, wenn man so will? Könnten Sie das einmal bitte substantiiert darlegen?


    An Herrn Kuehl ( Jacob Kuehl): Herr Holler hat ausgeführt, es sei Telos, also Sinn und Zweck, der einschlägigen Vorschriften, eine handlungsfähige Regierung zu gewährleisten, weswegen der fraglichen Norm, um deren Auslegung es hier geht, besonderer verfassungsrechtlicher Status, wenn man so will, zukomme. Wie sehen Sie das? Ist es Telos der Norm, eine handlungsfähige Regierung hervorzubringen und zu gewährleisten?

    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Sicherlich ist es der Sinn und Zweck eine handlungsfähige Regierung hervorzubringen. Aber ist dies nicht bereits durch die Wahl eines Ersten Bürgermeisters mit absoluter Mehrheit getan? Wieso sollte man den Senat noch einmal besonders mit einer absoluten Mehrheit bestätigen, wenn der Vorgesetzte, also Erster Bürgermeister dies bereits ist? Im Bund wird der Bundeskanzler mit absoluter Mehrheit gewählt, nicht jedoch nochmal die Minister, da diese vom Bundeskanzler als gewählter "Chef" bestimmt bzw. vorgeschlagen werden.


    Ist es also in Hamburg nicht eher eine Tradition die Bestätigung des Senats zu vollziehen, als eine Gewährleistung einer handlungsfähigen Regierung? Wenn der Erste Bürgermeister keine Mehrheit hinter sich hätte, wieso wurde er dann kurz vorher gewählt und schlägt dann seine Senatsmitglieder vor?


    Ich bin der Ansicht, es ist durch die Wahl eines Ersten Bürgermeisters gewährleistet dass es eine handlungsfähige Regierung gibt. Andernfalls müsse ein Misstrauensvotum gestellt werden um ihn zu entlassen.

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  • Ist es also in Hamburg nicht eher eine Tradition die Bestätigung des Senats zu vollziehen, als eine Gewährleistung einer handlungsfähigen Regierung? Wenn der Erste Bürgermeister keine Mehrheit hinter sich hätte, wieso wurde er dann kurz vorher gewählt und schlägt dann seine Senatsmitglieder vor?

    Welche Funktion dürfte die Norm denn dann haben?

    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Einen rein traditionellen Charakter, wie das Hand heben bei einer Eidesleistung.

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  • Frau Vorsitzende,


    gerne gehe ich auf Ihre Frage ein:


    Betrachtet man die Verfassungsänderung vom 20. Juni 1996, so muss man sich auch die Frage nach dem Grund dieser Änderung stellen. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die Wahl eines jeden einzelnen Senators entfallen zu lassen und an die Stelle dieser Wahlen eine gemeinsame Bestätigung aller Senatorinnen und Senatoren durch die Bürgerschaft zu setzen. Es ist unschwer zu erkennen, dass der Zweck dieser Verfassungsänderung darauf zielt, das Verfahren zur Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren zu vereinfachen. Die Durchführung einer eigenen Wahl für jeden Senator und jede Senatorin ist eine langwierige Prozedur. Werden dann einzelne vorgeschlagene Senatorinnen oder Senatoren nicht gewählt, muss eine erneute Wahl erfolgen. Das alles war ein organisatorisch aufwendiger Ablauf, den man zu vereinfachen gewillt war.


    Man muss aber auch festhalten, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren komplett entfallen zu lassen. Wie Herr Kuehl bereits erwähnte, werden ja z. B. auch Bundesministerinnen und Bundesminister nicht durch den Bundestag bestätigt. Aber - und das halte ich für einen essentiellen und streitsentscheidenden Punkt - der verfassungsändernde Gesetzgeber hat bewusst an dieser Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren festgehalten - wenn auch in einer leicht abgewandelten Art und Weise. Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte die politische Stabilität des Senats als Ganzes weiter sicherstellen und diesen mit einer parlamentarischen Mehrheit ausstatten.


    Würde man demgegenüber, wie es der Senat annimmt, davon ausgehen, dass mit der Verfassungsänderung nicht nur eine Änderung der Verfahrensmodalität, sondern auch der erforderlichen Mehrheit angestrebt war, muss man sich konsequenterweise die Frage stellen, welchen Zweck der Gesetzgeber hiermit verfolgt hätte. Und an dieser Stelle bricht die Argumentation des Senats. Die Änderung der erforderlichen Mehrheit entbehrt schlicht jeglicher Logik. Warum würde man an der Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren überhaupt festhalten wollen, wenn dann eine einfache Mehrheit, die die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse in der Bürgerschaft gar nicht widerspiegeln kann, für eine solche Bestätigung ausreichen sollte? Der Zweck der Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren, nämlich die Gewährleistung politischer Stabilität und Kontinuität während einer Legislaturperiode, kann durch eine Bestätigung mit einfacher Mehrheit schlicht nicht erreicht werden. Jegliche Daseinsberechtigung dieser Abstimmung über die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren ginge verloren, wenn man der Argumentation des Senats vorliegend folgen würde.


    Daran vermag auch die Ausführung des Herrn Kuehl, die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren durch die Bürgerschaft sei aus rein traditioneller Natur erhalten worden, nichts zu ändern. Es ist nicht ersichtlich, um welche Form der "Tradition" es sich hierbei handeln sollte und inwieweit das Ersetzen einer Wahl eines jeden einzelnen Senators und einer jeden einzelnen Senatorin durch eine gemeinsame Abstimmung mit geänderten Mehrheitserfordernissen ein Erhalten einer Tradition darstellen könnte. Der genannte Vergleich mit der Eidesleistung ist mithin vorliegend ohnehin unstatthaft, da das Heben der Hand bei der Eidesleistung durch die Verfassung nicht gefordert wird. Die Darstellung hinsichtlich des traditionellen Aspekts ist bisher jedenfalls unzureichend und nur wenig überzeugend.


    Vielen Dank!

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  • Ob das beabsichtigt war, mag ich nicht zu beurteilen. Jedoch wollte man scheinbar wie Herr Dr. Holler erklärte das Verfahren vereinfachen und beschleunigen. Der Erste Bürgermeister wird mit absoluter Mehrheit gewählt, wieso sollte dann dessen Auswahl an Senatoren keine Mehrheit finden? Das wäre zugleich ein Misstrauen an die Entscheidungen des Ersten Bürgermeisters und würde dessen Wahl in Zweifel ziehen.

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  • Nun, es könnte schon sein, dass die Präferenzen hinsichtlich des Bürgermeisters und dessen Senatoren abweichen können.


    Ich hätte zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Fragen mehr. Sind die Beteiligten gewillt, sich gegenseitig untereinander Fragen zu stellen? Oder besteht anderweitiger Redebedarf? Eine kurze Rückmeldung, ob Fragen offen sind, wäre wünschenswert - hierum wird gebeten.


    Dr. Joachim Holler

    Jacob Kuehl

    Hajime Nagumo

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  • Frau Vorsitzende,


    Fragen an die weiteren Beteiligten habe ich keine, ich möchte aber auf die Aussage von Herr Kuehl noch einmal eingehen.


    Es ist durchaus möglich, dass der Bürgermeister bei der Wahl zwar eine Mehrheit erfährt, der Vorschlag der Senatorinnen und Senatoren aber nicht. Gerade in Hamburg haben wir doch gesehen, dass die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren nicht durch eine absolute Mehrheit erfolgt ist. Insoweit ist diese Behauptung, es sei doch ohnehin anzunehmen, dass der Vorschlag auch dieselbe Mehrheit finden würde, schon widerlegt.


    Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal an die Berufung von Herrn Bourgeois als Bundesminister des Kabinetts Müller erinnern. Diese in der Öffentlichkeit hochumstrittene Personalie hätte - wenn es im Bund auch eine Bestätigung der Ministerinnen und Minister gäbe - wohl auch keine Mehrheit gefunden. Es ist bei Koalitionen üblich, dass die Koalitionspartner das Vorschlagsrecht für die Ministerinnen und Minister bzw. in diesem Falle Senatorinnen und Senatoren haben. Dass hier von einem Koalitionspartner eine umstrittene Personalie vorgeschlagen wird, welche dann gerade nicht mehr die Mehrheit des Vertrauens der Mitglieder des Parlaments erfährt, scheint zwar nicht der Regelfall aber keineswegs ausgeschlossen zu sein. Ich erinnere daran, dass durch den Personalvorschlag Bourgeois das Kabinett Müller quasi sein Ende fand. Hätte es eine Bestätigung der Bundesministerinnen und Bundesminister durch den Bundestag gegeben, hätte diese Regierungskrise möglicherweise verhindert werden können. Gerade für einen solchen Fall sieht die Hamburger Verfassung die Notwendigkeit einer Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren durch absolute Mehrheit vor. Nur so kann - am Beginn der Regierungszeit - auch tatsächlich versichert werden, dass der Senat mit einer parlamentarische Mehrheit ausgestattet ist.


    Vielen Dank!

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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Frau Vorsitzende, ich habe keine Fragen und verzichte zu replizieren.

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