XII/002 | Pressefreiheit stärken - Julian Assange nicht ausliefern

  • Stimmen Sie dem Antrag auf Drs. XII/002 zu? 14

    1. Ja (7) 50%
    2. Nein (5) 36%
    3. Enthaltung (2) 14%

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    Präsident des Deutschen Bundestages

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    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Grünen auf Drs. XII/002. Die Abstimmung dauert 72 Stunden.



    60x60bb.jpgDeutscher Bundestag

    Zwölfte Wahlperiode



    Drucksache XII/002


    Antrag

    der Abgeordneten Dr. Irina Christ, Dr. Kerstin Siegmann und Dr. Mattias Linner sowie der Fraktion der Grünen


    Pressefreiheit stärken - Julian Assange nicht ausliefern


    Anlage 1


    Pressefreiheit stärken - Julian Assange nicht ausliefern


    Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:



    I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:


    1. Im Juni 2019 haben die Vereinigten Staaten von Amerika ein offizielles Auslieferungsgesuch für den australischen Investigativjournalisten Julien Assange an Großbritannien gestellt. Dieser hat im Jahre 2010 interne Dokumente von US-Streitkräften und -Behörden sowie darin enthaltene Kriegstagebücher des Krieges in Afghanistan und des Irakkrieges veröffentlicht, welche mutmaßlich Kriegsverbrechen und Korruption aufdecken sollten. Julien Assange drohen gemäß der Anklage der USA - unter anderem einer Anklage nach dem "Espionage Act" - eine theoretische Maximalstrafe von 175 Jahren. Schlimmstenfalls droht Assange die Todesstrafe, die nach dem "Espionage Act" erlaubt wird.


    2. Am 17. Juni 2022 hat die britische Innenministerin Patel den Auslieferungsbefehl gegen Julien Assange an die Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet hat.



    II. Der Bundestag vertritt zu diesem Sachverhalt folgende Auffassung:


    1. Die Pressefreiheit ist ein konstituierendes und wesentliches Merkmal eines demokratischen Rechtsstaates. Die Presse hat als "vierte Staatsgewalt" die Aufgabe, Legislative, Exekutive und Judikative zu beobachten, zu kommentieren, zu kritisieren und gegebenenfalls vorliegende Missstände aufzudecken. Das "Leaken" von als geheim bezeichneten Daten gehört dabei mittlerweile zum Kern investigativer journalistischer Recherchen. Das Aufdecken von staatlichem Fehlverhalten durch Journalistinnen und Journalisten dient der Information der Bevölkerung, die ein berechtigtes Interesse an rechtswidrigen oder sonstigen zweifelhaften Vorgängen staatlicher Organe innerhalb bzw. durch Staatsorgane und -Organisationen hat. Die Aufdeckung von Kriegsverbrechen ist zweifelsohne als staatliches Fehlverhalten zu werten.


    2. Die Zustimmung zur Auslieferung Assanges an die Vereinigten Staaten von Amerika sendet ein hochgradig abschreckendes Signal an Investigativjournalistinnen und -Journalisten, die sich in besonderem Maße auf die Achtung der Garantie der Presse- und Meinungsfreiheit verlassen können müssen. Nur eine Journalistin oder ein Journalist, die oder der ihrer oder seiner legitimen Tätigkeit - auch bei staatskritischer Berichterstattung durch die Veröffentlichung von ihr oder ihm zugespielten Informationen oder Material - ohne Angst vor rechtlichen Konsequenzen nachkommen kann, kann ihren oder seinen journalistischen Auftrag in vollem, im Lichte der Demokratie betrachtet erforderlichen und von Verfassung wegen garantierten Umfang wahrnehmen.


    3. Die Zusicherung der Vereinigten Staaten, dass Julian Assange ein "faires Verfahren" erwarten könne, ist unzureichend. Die beantragte Auslieferung ist offensichtlich und zweifelsohne in hohem Maße politisch motiviert. Dass Assange tatsächlich ein faires Verfahren bekäme, ist anzuzweifeln. Ebenso ist anzuzweifeln, dass Assange keine Verstöße gegen seine Menschenrechte bei einer Auslieferung zu befürchten habe. Schließlich ist die Auslieferung auch vor dem Hintergrund von Assanges aktuellem Gesundheitszustand - der auch psychisch, aufgrund der jahrelangen Verfolgung und psychischen Folter bedingt sein kann - unverhältnismäßig und aus menschlicher wie medizinischer Sicht nicht zumutbar.


    4. Das z. T. als Grundlage für die Anklage der USA dienende "Espionage Act" steht im Widerspruch zur Garantie der Presse- und Redefreiheit. Dazu bestehen nachvollziehbare Zweifel an einem fairen Verfahren nach Anklagen gemäß dieses Gesetzes, da die Jury aufgrund der Geheimhaltung der Informationen davon abgehalten werden könnte, die Motivation des Angeklagten zu berücksichtigen. Schließlich ist die im Gesetz gewählte Formulierung und die damit einhergehende Definition der "Spionage" aus dem Jahr 1917 auch nicht mehr zweitgemäß, sodass es in den vergangenen Jahren oftmals auch zu Anklagen von Whistleblowern statt von tatsächlichen Spionen kam.


    5. Die andauernde Inhaftierung von Assange aufgrund einer in hohem Maße politisch motivierte Anklage durch die Vereinigten Staaten von Amerika ist sowohl aus menschenrechtlicher Sicht als auch aus Sicht der Meinungs- und Pressefreiheit zu verurteilen. Die miserablen humanitären Bedingungen, die Assange in den Jahren seiner Inhaftierung über sich ergehen hat lassen müssen, sowie die unzureichenden Möglichkeiten, seine rechtliche Verteidigung vorzubereiten und zu verwirklichen, sind in hohem Maße zu kritisieren.




    Dr. Irina Christ und Fraktion



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    Präsident des Deutschen Bundestages

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    Die Abstimmung ist hiermit beendet und ich komme zur Ergebnisfeststellung:

    Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der Grünen, der Internationalen Linken und Teilen der Sozialdemokratischen Partei sowie der Allianz, gegen die Stimmen der CDSU, des FFD und Teilen der Sozialdemokratischen Partei und der Allianz, bei Enthaltung der PNS und den restlichen Teilen der Allianz angenommen.


    Insgesamt haben sieben Abgeordnete für den Antrag gestimmt.

    Es gab fünf Gegenstimmen.

    Zwei Abgeordnete haben sich enthalten.


    Der Antrag ist somit angenommen.