Die Bundesvorsitzende und Spitzenkandidatin der Internationalen Linke, Ella Löwenstein-Boum, hat am Montag, den 30. Mai 2022 ihren ersten Wahlkampfauftritt in Weimar abgehalten. Nach einem Besuch des Deutschen Nationaltheaters und Staatskapelle Weimar, ging es für die Politikerin weiter zum ThüringenKolleg Weimar - einer Schule des Zweiten Bildungsweges. Dort stellte sich Löwenstein-Boum den Fragen der Schüler*innen und gab eine kurze Impulsrede zur Bildungspolitik.
Liebe Schüler*innen,
geschätzte Mitglieder des Lehrkörpers,
für politisch tätige Personen ist es keine Seltenheit Schulen zu besuchen und dort mit ihren politischen Mitbewerber*innen und Gegner*innen die zu Beschulenden von dem jeweiligen politischen Programm zu überzeugen und mit Glück für die Politik zu begeistern. So war die Schule auch der Ort, an dem ich politisiert wurde, wenn auch eher durch meine Peergroup, als durch Politiker*innen oder den Lehrkörper. Doch ist es für mich eine Besonderheit heute hier zu sein. Am ThüringenKolleg Weimar. Die Schulen des Zweiten Bildungsweges sind noch immer eine Besonderheit in der deutschen Bildungslandschaft, doch zeitgleich so elementar wichtig. Geben diese Bildungseinrichtungen doch jenen Menschen die Möglichkeit einen Abschluss nachzuholen, den sie in der „regulären Schullaufbahn“ aufgrund einer Vielzahl von möglichen Gründen vielleicht nicht erreicht haben oder erreichen konnten.
Bei einigen mag es daran gelegen haben, dass sie sich nach dem mittleren Schulabschluss für eine Ausbildung entscheiden, bei anderen mangelnde Motivation weiter die Schule zu besuchen, obwohl ihr zukünftiger Berufswunsch leichter oder gar nur mit einen besseren Abschluss erreicht werden kann, bei vielen hängt es aber, da bin ich mir sicher, auch damit zusammen, dass sie dem mit dem Schulbesuch verbundenen Druck nicht standhalten konnten. Denn eines muss an dieser Stelle festgehalten werden: Schule ist die Schule der Leistungsgesellschaft. Sind und Zweck der Schule ist es, die Schüler*innen oder wie manche Personen auch sagen die Erwerbstätigen von morgen auf den Wettbewerb am Arbeitsmarkt und im Arbeitsleben vorzubereiten. Das Lustige daran ist jedoch, wenn man dies ganz genau nimmt, müssten wir 16 verschiedene Formen und Ausprägungen davon haben, so lassen sich doch auch 16 verschiedene Bildungssysteme in unserer Republik ausmachen.
Die Debatte um den Bildungsföderalismus ist so alt wie dieser selbst. Immer wieder wird die Abschaffung dessen gefordert, meist von den progressiven Kräften der Gesellschaft. So auch von der Internationalen Linke. Es ist doch auch eher ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts. Ich kann die Bedenken der Länder nachvollziehen, die einer solchen Kompetenzverschiebung in Richtung Berlin eher skeptisch gegenüberstehen. Viele Stimmen postulieren ja bereits ein Ende des Föderalismus, wenn das Bildungssystem zentralisiert wird. Und diese Argumentation ist in meinen Augen nonsense.
Die Gleichwertigkeit der Abschlüsse wird bereits jetzt von den Ländern angestrebt. Dies lässt sich an den Bemühungen zentralisierter Abschlussprüfungen erkennen. Aber kann man dies wirklich ernst nehmen, wenn noch immer eine Ungleichheit in der Vorbereitung auf diese besteht? Wenn Abschlüsse de facto eine unterschiedliche Reputation haben, je nachdem wo man diesen gemacht hat? Ich bin der Auffassung, dass der Wohnort keine Rolle mehr spielen darf, wenn es darum geht, wie viel der eigene Abschluss wert ist, wenn man in den nächsten Lebensabschnitt startet. Sei es in eine Ausbildung oder eben das Studium. Gerade in letzterem Bereich hört man immer wieder die Kritik, dass es noch immer elementare Unterschiede gäbe, wie vorbereitet auf ein Studium die Akademiker*innen von morgen an die Uni kommen. Und diese Unterschiede hängen eben davon ab, wo die Studierenden ihr Abitur gemacht haben. Ich sage ganz klar, es darf keine Rolle mehr spielen, ob man sein Abitur an einer Gesamtschule in Paderborn, einem Gymnasium in Bremen oder München oder eben hier am ThüringenKolleg Weimar gemacht hat. Alle Abiturient*innen sollten die selben Inhalte vermittelt bekommen haben, in einem zentralisierten Bildungssystem.
Natürlich würde eine solche Zentralisierung einen gewaltigen Umbruch in der Bildungslandschaft der Bundesrepublik bedeuten. Natürlich ist ein solcher Transformationsprozess nicht von heute auf morgen zu bewältigen. Es ist aber unsere Verantwortung als Politiker*innen darauf hinzuarbeiten, auf gleichwertige Lebensverhältnisse hinzuarbeiten, und dazu gehören auch gleichwertige Abschlüsse.
In Zusammenhang mit einer Zentralisierung des Bildungssystems, steht man auch unmittelbar vor der Frage, wie dieses ausgestaltet werden soll. Hierbei können wir den Weg der Vergangenheit gehen und die Separation der Schüler*innen oder den der Integration aller in einem eingliedrigen Schulsystem gehen; einen Weg in die Zukunft wählen. Und auch hier gibt es von vielen Seiten Ressentiments. Die leistungsstarken Schüler*innen wären über kurz oder lang unterfordert, würden resignieren und könnten ihr volles Potenzial nicht entfalten. Oder dass leistungsschwächere Schüler*innen kurz über lang (noch weiter) abgehängt werden. Und ja es ist eine didaktische und pädagogische Mammutaufgabe, mit der man sich konfrontiert sähe. Die bisherige Form wie man Unterricht bisher kannte, würde sich diametral ändern. Doch mit Co-Teaching und Binnendifferenzierung wären erste wichtige Schritte bereits erprobt und müssten lediglich größer und weiter gedacht werden. Und bietet ein eingliedriges Schulsystem weitere Vorteile wie die Überwindung sozialer Barrieren. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass der Bildungserfolg von Schüler*innen noch immer elementar vom Elternhaus abhängt.
Lassen Sie uns, lasst uns mutig in die Zukunft schreiten. Lasst uns das Bildungssystem moderner und neuer denken. Dafür brauchen wir Eure und Ihre Stimme!
Herzlichen Dank.