– Pressemitteilung –
IIIIIIIII Christ zu EZB-Leitzinsentscheidung: "Eine maßvolle Anhebung erachte ich in Anbetracht der derzeitigen wirtschaftlichen Lage für sinnvoll"
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Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen und Wirtschaft, Irina Christ, hat sich am heutigen Freitag in einem Pressestatement zu der gestrigen Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft, wie seit dem 16. März 2016, bei 0,0 Prozent zu belassen, wie folgt geäußert: "Die Bundesregierung sieht die Entscheidung der EZB, den Leitzins bei 0,0 Prozent zu belassen, mit eher gemischten Gefühlen. Wissen Sie, die derzeitige wirtschaftliche Lage ist recht angespannt. Auf der einen Seite haben wir eine Inflationsrate in Höhe von 7,3 Prozentpunkten in Deutschland für den Monat März - im Euro-Raum beträgt diese 7,5 Prozent -, auf der anderen Seite ist aber Stand jetzt von negativem Wirtschaftswachstum, also einem Sinken der Wirtschaftsleistung, auszugehen."
"Die Zahlen belegen deutlich: Wir sind in einer Stagflation angekommen"
Eine Stagflation habe Einzug gehalten, so Christ weiter. Hierzu führte sie weiter aus: "Wir haben die äußerst hohen Inflationsraten einerseits. Andererseits, so legen es Daten der Deutschen Bundesbank nahe, ist die Konjunktur am Schwächeln. Der sogenannte 'Wöchentliche Aktivitätsindex' der Bundesbank, kurz WAI, lag für die vergangenen Wochen bei - 0,6 - die trendbereinigte Wirtschaftsaktivität ist also in den vergangenen Wochen um 0,6 Prozentpunkte zurückgegangen. Trendunbereinigt ist von einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 0,9 Prozentpunkte, auf das Jahr hochgerechnet um 3,6 Prozentpunkte, auszugehen. Die Zahlen belegen deutlich: Wir sind in einer Stagflation angekommen."
Ferner führte Christ aus: "Die Gesamtsituation ist also recht vertrackt, gerade in diesen Wochen bedarf es einer faktenorientierten, maßvollen und ausgewogenen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dafür wird die Bundesregierung einstehen. Insoweit ist es natürlich begrüßenswert, dass die EZB da recht behutsam vorgehen möchte und sich nicht von vorneherein auf einen bestimmen Kurs in der Geldpolitik festlegen möchte. Nichtsdestotrotz halte ich eine maßvolle Zinswende, eine maßvolle Anhebung in Anbetracht der derzeitigen wirtschaftlichen Lage für sinnvoll."
Es sei in der Finanzpolitik notwendig, verschiedene Faktoren und Standpunkte zu beleuchten, um schlussendlich ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Dass die Großinvestitionsbereitschaft einiger Unternehmen durch einen erhöhten Leitzins (sowie damit verbundene teurere Kredite aufgrund erhöhten Refinanzierungsbedarfs der Banken) und damit auch das Wirtschaftswachstum zurückgehen würden, sei klar. Es sei allerdings Kernauftrag der Europäischen Zentralbank, für Preisniveaustabilität und Währungsstabilität zu sorgen, dessen Erfüllung solle oberste Priorität für die EZB haben. "Preisniveaustabilität ist bei einer Inflationsrate von 7,5 Prozent im Euroraum überhaupt nicht gegeben", so Christ. "Inflation ist längerfristig gesehen soziales und wirtschaftliches Gift. eine Gefahr für den Wohlstand und die Staatsfinanzen - insbesondere bei den Ausmaßen, die wir zurzeit sehen. Einige EU-Länder, etwa im Baltikum, haben bereits sogar zum Teil deutlich zweistellige Inflationsraten. Jetzt ist es geboten, den Kampf gegen die Inflation aufzunehmen und insbesondere Menschen in der Nähe oder jenseits des Existenzminimums, selbstredend aber auch den überwiegenden Teil der Bevölkerung, beizustehen. Deswegen hat die Bundesregierung eine umfassende Einkommenssteuertarifreform beschlossen und bereits heute in den Bundesrat eingebracht. Die Koalitionsparteien wollen den Grundfreibetrag deutlich anheben und die Tarifeckwerte anpassen, um für deutliche Entlastung bei der Einkommenssteuer zu sorgen, die dann dem überwiegenden Teil der Bevölkerung zu Gute kommen wird. Zudem, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart, soll unter anderem die Höhe der Leistungen im Rahmen des Arbeitslosengelds II an die Inflationsrate gekoppelt werden, um die Kaufkraft der Menschen, die leider nur wenig haben, zu stärken. Mit Blick auf die fiskalisch begrenzten Möglichkeiten des Staates halten wir aber auch eine Erhöhung der Tabaksteuer, die immerhin 15 Milliarden Euro bringt, sowie die Erhöhung des Reichensteuersatzes von 45 auf 49 Prozent und die Einführung eines Superreichensteuersatzes in Höhe von 56 Prozent für Einkommensmillionäre aber für dringend geboten."
Letzten Endes sei aber vor allem die Erhöhung des Zinssatzes für das Hauptrefinanzierungsgeschäft ein geeignetes Mittel, um der Inflation Einhalt zu gebieten. Mit Blick auf die Möglichkeit steigender Arbeitslosenraten im Zuge eines Konjunktureinbruches sei es aber geboten, diese maßvoll durchzuführen. Auch die Befürchtungen, eine Leitzinssatzerhöhung könne eine erneute Schuldenkrise in hochverschuldeten südeuropäischen Staaten, etwa Griechenland, hervorrufen, sei der Bundesregierung bewusst. "Die Bundesregierung weiß um die Befürchtungen, eine Zinswende könne erneute Schuldenkrise, etwa in Griechenland, hervorrufen - auch mit Blick auf erhöhte Zinssätze für griechische Staatsanleihen. Dergleichen gilt es selbstredend zu vermeiden. Mit Blick auf einige ernsthafte Reformen in Griechenland, die unter anderem eine Vereinfachung der Verfahrensabläufe durch Digitalisierung beinhalten, dem harten Sparkurs der letzten Jahre sowie dem Umstand, dass Griechenland in diesem Jahr nicht viel Geld leihen möchte, halte ich dergleichen für unwahrscheinlich. Auch die bisherigen Kreditschulden dürften mit Blick auf die sehr langen Laufzeiten - teilweise bis 2060 - und die geringen Zinsen kein allzu großes Hindernis darstellen. Eine Zinserhöhung, natürlich mit Maß und Mitte, erscheint daher sinnvoll und ist notwendig, um eine manifestierte Inflation, die es nicht geben darf, zu verhindern.", so Christ.