Bundesrat
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Bundeskanzleri hat dem Präsidium eine Gesetzesvorlage zugeleitet, der Bundesrat hat nach Art. 76 II GG die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen. Diesbezüglich eröffne ich hiermit die Debatte, der Entwurf liegt Ihnen auf der Drucksache BR/096 vor.
Nach § 17 II GO BR setze ich die Debattenzeit auf 72 Stunden fest, die Debatte endet daher am 8. März 2022 um 22:55 Uhr.
Alles anzeigenBundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Marius Wexler
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe und zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Mijat Russ
Bundeskanzler
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Bundesrat
Drucksache BR/096
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe und zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften
A. Problem und Ziel
Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil den § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellte, für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020). Es hat hierbei klargestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben garantiert. Dieses Recht und diese Freiheit umfasse auch die Freiheit, sich für den Akt der Selbsttötung bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe in Anspruch zu nehmen, soweit diese angeboten wird. Das in § 217 Abs. 1 StGB verankerte strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung mache es Suizidwilligen jedoch faktisch unmöglich, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Zwar dürfe ein effektiver präventiver Schutz vor gefährlicher Formen der Suizidhilfe auch nach dem Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt werden, jedoch müsse der freiwillige Zugang zu Suizidhilfe im Einzelfall real eröffnet bleiben. Dies sei durch den § 217 Abs. 1 StGB nicht hinreichend gegeben.
Seit der Nichtigerklärung des § 217 StGB ist die assistierende Suizidhilfe in Deutschland faktisch erlaubt und es ermangelt dem deutschen Recht an konkreten normativen Regelungen hierzu. Die Nachfrage zur assistierenden Suizidhilfe ist seither deutlich gestiegen. Umso wichtiges ist es, eine mit dem Grundgesetz vereinbare gesetzliche Regulierung für die Suizidhilfe zu finden, um dem staatlichen Schutzauftrag zum Schutz des Lebens so gut wie möglich gerecht werden zu können, ohne das aus der persönlichen Autonomie folgende Recht auf selbstbestimmtes Sterben rechtswidrig einzuschränken.
B. Lösung
Der nachfolgende Gesetzentwurf soll diesem staatlichen Schutzauftrag gerecht werden, indem sichergestellt werden soll, dass der oder die Suizidwillige den Entschluss zur Beendigung ihres oder seines Lebens selbstbestimmt, frei und unabhängig gefasst hat. Hierfür sieht der Gesetzentwurf ein dreistufiges Verfahren vor, das durchlaufen werden muss, bevor eine Ärztin oder ein Art der oder dem Suizidwilligen ein Medikament verschreiben darf, dass zur gefahrlosen Selbsttötung geeignet ist.
1. Zunächst soll sich die oder der Sterbewillige einer Beratung unterziehen. Diese soll die oder den Sterbewilligen über Alternativen zur Selbsttötung und der Tragweite der Entscheidung für sich und das familiäre und freundschaftliche Umfeld aufklären. Je nach Ausführungen der oder des Sterbewilligen, soll auch über mögliche ärztliche Behandlungsmethoden, soziale oder wirtschaftliche Hilfen oder Möglichkeiten zur Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe informieren und ermutigen.
2. Nach abgeschlossener Beratung soll durch zwei unabhängige Ärztinnen und Ärzte ein psychiatrische Gutachten ausgestellt werden. Dieses soll abschließend bescheinigen, dass ein unumkehrbarer, begründeter Sterbewillen vorliegt und, dass die oder der Sterbewillige über die medizinischen Auswirkungen und mögliche Folgen und Nebenwirkungen des zu verschreibenden Medikaments zur Selbsttötung aufgeklärt worden ist.
3. Schließlich soll nach Ausstellung dieses Gutachtens eine Wartefrist von sechs Monaten verstreichen, bevor das Medikament zur Selbsttötung verschrieben und verabreicht werden darf. Diese Wartefrist soll als Bedenkzeit dienen. Wenn der Sterbewille der oder des Betroffenen auch nach diesen sechs Monaten noch besteht, ist davon auszugehen, dass es sich um einen unumkehrbaren und gefestigten Sterbewillen handelt. In Härtefällen, wenn die oder der Sterbewillige etwa für einen längeren Zeitraum unzumutbare Schmerzen aushalten müsste, soll von dieser Frist abgewichen werden können.
Dazu soll eine ausführliche Evaluierung des Gesetzes erfolgen, auch mithilfe zu führender Statistiken und anzufertigender schriftlicher Berichte.
C. Alternativen
Denkbar sind diverse alternative Verfahren zur gesetzlichen Regulierung der Suizidhilfe, mit und ohne Einbindung von Beratungsorganisationen sowie Ärztinnen und Ärzten.
D. Kosten
Es entstehen geringe, nicht näher bezifferbare Kosten
1. für die Länder, zur Förderung der Beratungseinrichtungen und
2. für den Bund, zur Führung der Bundesstatistik und zur Evaluierung des Gesetzes.
Anlage 1
Begründung
Siehe Vorblatt. Weitere Begründung erfolgt mündlich.