[DEBATTE] IX/039 - Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Triage-Gesetzes und zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften

  • Sehr geehrte Abgeordnete,


    der folgende Antrag steht für exakt 72 Stunden zur Debatte:


  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    gerne äußere ich mich als einzelner Abgeordneter zu dem vorgebrachten Anliegen der Fraktion der Grünen.


    Den vorgebrachten Entwurf halte ich in § 5 jedoch für zu weitgehend. Faktisch wird dort vieles, was für die Beurteilung in einer Triage relevant ist, als unzulässig deklariert. Das selbstredend wegen dem Geschlecht, der Rasse, dem Wohnort u. ä. keine Benachteiligung erfolgen darf, ist klar, es ist teils ohnehin durch unsere Verfassung vorgegeben, somit schadet es nicht, es auch hier gesondert aufzunehmen, wenn die Antragsteller dies für erforderlich halten.



    Aber aus medizinischer Sicht sind Alter, Vorerkrankungen, auch solche, die als Behinderung zu klassifizieren sind, und Impfstatus - alles Kriterien deren Einfluss auf die Triageentscheidung die Antragsteller verbieten wollen - höchst relevant, letzteres insbesondere bei einer durch Impfung vermeidbaren Infektion.



    Sie einfach außer Acht zu lassen, ist m. E. nicht angemessen, denn basierend darauf würde anderen Menschen, welche in der Triage-Situation miteinander konkurrieren, die erforderliche Behandlung ohne umfassendes Bewertungskonzept verweigert.



    Die aktuelle Situation, welche dazu führen könnte das Behandlungsplätze nicht ausreichend zur Verfügung stehen und eine Triage teilweise erforderlich werden würde, ist insbesondere dadurch ausgelöst, dass es eine andauernd hohe Belastung der Krankenhäuser durch Covid-19-Patienten gab und gibt. Seit nunmehr ziemlich genau einem Jahr haben wir jedoch nunmehr sichere Impfstoffe gegen das Covid-19 Virus, welche selbst bei den Mutanten mit sehr hoher Wirksamkeit schwere Verläufe verhindern.



    Das aktive und regelmäßig nicht nachvollziehbare Ablehnen einer solch schützenden Möglichkeit, muss nach meinem Dafürhalten auch Berücksichtigung bei einer Triage-Entscheidung haben, zumindest bei Covid19-Patienten.


    Impfverweigerer betonen in lauter Regelmäßigkeit die Eigenverantwortung als relevanten Punkt bei der Debatte um die Impfung und um Schutzmaßnahmen. Wer sich jedoch aktiv gegen einen leicht und kostenlos zu erlangenden Schutz entscheidet, muss im Extremfall, also den Fall mangelnder Behandlungskapazitäten, auch eigenverantwortlich die Folgen seiner Verweigerungshaltung tragen.


    Sollte es wirklich darauf hinauslaufen, dass eine flächendeckende Triage von Covid-19-Patienten notwendig wird, sollte die aktive Impfverweigerung und damit die nicht Mitwirkung an der eigenen Gesunderhaltung sowie die mutwillige Inanspruchnahme des seit Monaten überlasteten Gesundheitssystems ein weiteres, in der medizinischen Triage-Entscheidung zu berücksichtigendes, Kriterium sein.



    Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

  • Herr Präsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    mit dem vorgelegten Gesetz wollen wir jegliche Ungleichbehandlung im Falle der Notwendigkeit der Triage vorbeugen. Lediglich die Erfolgsaussichten der Behandlung soll darüber entscheiden, wer im Falle der Triage behandelt wird.


    Es geht uns hier in erster Linie darum dem Beschluss vom 16. Dezember des Erste Senat des Obersten Gerichts nachzukommen, der mehr Vorkehrungen zum Schutze der Menschen mit Behinderung bei der Zuteilung von knappen intensivmedizinischer Behandlungsressourcen fordert.


    In diesem Sinne haben wir zulässige Verfahren der Triage erarbeitet. Wir schießen kategorisch zwei Arten der Triage aus.


    Zum einen die präventive Triage. Wenn diese angewandt wird, werden einem Patient, der geringe Überlebenschance hat, die knappen intensivmedizinischen Ressourcen im vornherein verweigert, da sie für andere freigehalten werden, die höhere Überlebenschancen haben. Diese Art der Triage schließen wir aus, denn in diesem Fall stehen die Ressourcen der Behandlung ja noch zur Verfügung. Man würde den Patient also grundlos benachteiligen.


    Zum anderen die ex-post-Triage. Wenn diese angewandt wird, wird die Behandlung eines Patienten, der geringe Überlebenschance hat, nach dem Beginn der Behandlung abgebrochen, da die Ressourcen für einen Patient mit höheren Überlebenschancen benötigt werden. Unter Berücksichtigung der Menschenwürde ist in diesem Fall klar, dass eine Abbruch der Behandlung zu Gunsten eines anderen die Würde des Menschen vernachlässigt, denn beide Menschenleben sind gleich viel wert, sodass der Abbruch der Behandlung nicht zulässig ist.


    Des weiteren haben wir Kriterien erarbeitet auf Grund derer keine Bewertung der Patienten vorgenommen werden darf. Hier zu nennen sind das Alter, das Geschlecht, der Wohnort, die Nationalität, die ethnischen Herkunft, die religiösen Zugehörigkeit, die sozialen Stellung, der Versicherungsstatus, eine Behinderung, physischen oder psychischen Erkrankungen und der Impfstatus. Alle diese Kriterien müssen ausgeschlossen werden, denn auf Grund der Merkmale darf gem. Art. 3 Abs. 3 GG niemand benachteiligt werden. Alle Kriterien lassen sich im weitesten Sinne dort finden.


    Sehr geehrter Abgeordneter von Gröhn,


    sie mögen recht haben mit ihrer Behauptung, dass die aktuell sehr hohe Zahl an in Krankenhäusern behandelten Menschen im Zusammenhang mit einer Coronainfektion vor allem durch die Ungeimpften hervorgerufen wird. Aber trotzdem sind auch die Ungeimpften Menschen, die auf Grund ihrer unveräußerlichen Menschenwürde auch nicht benachteiligt werden dürfen. Freilich klingt das in den Ohren von Menschen, die sich vernünftiger Weise impfen haben lassen, ungerecht, denn es sind wie oben schon angesprochen hauptsächlich die Ungeimpften, die den Geimpften die Betten wegnehmen.

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Kolleginnen und Kollegen,

    meine Damen und Herren,


    Zunächst möchte ich nochmals auf die Wichtigkeit und Notwendigkeit dieses Gesetzes hinweisen. Der Beschluss des Ersten Senats v. 16. Dezember 2021, Az. 1 BvR 1541/20 des OG macht ganz klar und deutlich, dass wir eine Regelung benötigen, die vor Diskriminierung im Falle der Triage schützt. Diesem Beschluss werden wir durch den vorliegenden Entwurf gerecht.


    Gerne gehe ich auf die Einwürfe des Kollegen Dr. von Gröhn ein, in ihrer Rede meinten sie:

    Zitat


    "Aber aus medizinischer Sicht sind Alter, Vorerkrankungen, auch solche, die als Behinderung zu klassifizieren sind, und Impfstatus - alles Kriterien deren Einfluss auf die Triageentscheidung die Antragsteller verbieten wollen - höchst relevant, letzteres insbesondere bei einer durch Impfung vermeidbaren Infektion. Sie einfach außer Acht zu lassen, ist m. E. nicht angemessen, denn basierend darauf würde anderen Menschen, welche in der Triage-Situation miteinander konkurrieren, die erforderliche Behandlung ohne umfassendes Bewertungskonzept verweigert."


    Auf ihren Einwand hin, möchte ich dabei auf das Urteil des Obersten Gerichts verweisen. Dort wird darauf verwiesen, dass "die Aussicht, die akute Erkrankung zu überleben" als geeignetes Beurteilungskriterium dienen kann (Rn. 116).



    Ich zitiere weiter: "Würde hingegen auf eine längerfristig erwartbare Überlebensdauer abgestellt, würden Menschen, die aufgrund von Behinderungen tatsächlich oder vermeintlich eine kürzere Lebenserwartung haben, regelmäßig nicht oder nachrangig behandelt, zumal die stereotype Wahrnehmung von Behinderungen zu vorschnellen Schlüssen auf eine kürzere Lebensdauer verleiten kann. Dann wäre die weitere Lebensperspektive ausschlaggebend, nicht aber die Aussicht, die aktuelle Erkrankung zu überleben. Es ginge dann gerade nicht um das Überleben der akuten Erkrankung, sondern um die Maximierung von Lebenszeit." (Rn. 117)


    Für die Beurteilung dürfen Alter, Behinderung, Vorerkrankungen, Behinderungen nach diesen Maßgaben gerade nicht herangezogen werden, soweit diese nicht in konkretem Zusammenhang mit der kurzfristigen Aussicht stehen, die akute Erkrankung durch die zuzuteilenden intensivmedizinischen Ressourcen zu überleben.


    Es wäre allerdings denkbar in § 5 Abs. 2 folgenden Satz anzufügen: "Die Kriterien aus Nr. 1, 9, 10 und 11 dürfen im Beurteilungsverfahren herangezogen werden, wenn die Erfolgsaussicht der Behandlung durch diese maßgeblich und unzweifelhaft beeinflusst wird." I


    Ich möchte aber nochmals betonen, dass eben gerade diese im Entwurf vorgebrachten unzulässigen Zuteilungskriterien notwendig sind, um der Rechtsprechung des OG (BVerfG) Rechnung zu tragen.


    Vielen Dank!