Debatte IX/03|Aufhebung des Erlasses zur Zurschaustellung demokratiefeindlicher Symbole vom 29.10.2021

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    ich rufe nun die Debatte zur Aufhebung des Erlasses zur Zurschaustellung demokratiefeindlicher Symbole vom 29.10.2021 auf.

  • Herr Präsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    es ist nun schon eine Zeit lang her, als aus dem nichts zumindest für meine Person der Erlass zur Zurschaustellung demokratiefeindlicher Symbole verkündet wurde. In diesem wurde aus Gründen, die ich für meinen Teil nicht nachvollziehen kann, das Symbol des Marxismus-Leninismus Hammer und Sichel verboten. Gut weniger überraschend wurde auch das Symbol der Antifa verboten, was halbwegs nachvollziehbar ist, von mir aber nicht unterstützt wird.


    Nun möchte ich mich also zum Verbot des Antifa Symbols äußern. In der Ausführungen der damaligen Innenministerin Kathrin Hirsch wird auf die Demokratiefeindlichkeit und den Willen der Staatszersetzung der Antifa verwiesen. Dem möchte ich an dieser Stelle entschieden widersprechen. Es wird hier fälschlicherweise angenommen die Antifa sei eine homogene Maße an Menschen, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Bundesrepublik in ihren Grundfesten zu erschüttern. Auch wird angenommen, dass Antifaschisten nur ein Hobby haben und zwar das Zerstören und Plündern. Dies entspricht genau so wenig der Wahrheit, wie Grundannahme, dass alle Asylsuchenden nur in den deutschen Sozialstaat einwandern und die Islamisierung des Abendlandes vorantreiben wollen.


    Ich möchte nun die Staatsregierung über die eigentlichen Absichten der Antifa aufklären. Die Antifa ist lediglich eine Bewegung der politischen Linken, die sich nicht durch eine zentrale Leitung oder zentrale Hauptquartiere auszeichnen, sondern durch viele einzelne lokale Gruppen, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen. Sie werden lediglich durch die gemeinsame Geisteshaltung gegen den Neofaschismus und Geschichtsrevisionismus geeint. Für diesen Kampf, den eigentlich die Staatsregierung ausfechten sollte, muss den Mitgliedern der Antifa gedankt werden.Es ist folglich also falsch, wenn man annimmt, dass es die Antifa gibt. Es gibt also ein breites Spektrum innerhalb der Antifa. So werden beispielsweise auch Gruppen der Antifa durch das Bundesprogramm „Demokratie Leben“ unterstützt, was deutlich zeigt, dass es gemäßigte Teil der Antifa gibt, die sich für den Staat engagieren. Von es kann also hier nicht die Rede von einer Gruppe die Rede sein, die den Staat zersetzen will. Ganz im Gegenteil sie kämpfen erbittert für den Staat gegen den Neofaschismus. Allerdings wäre es auch falsch zu behaupten, dass alle Teile der Antifa friedlich in ihren Ortsgruppen zusammen kommen und über den Weg in eine bessere und sozialer Welt nachdenken. Natürlich gibt es auch gewaltbereite Teile, wie wir sie vom G20 Gipfel in Hamburg oder von den Straßenschlachten aus Berlin Kreuzberg zum ersten Mai kennen.


    Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sowohl friedliche als auch gewaltbereite Teil der Antifa gibt. Nachdem die Antifa keine zentral organisierte Organisation ist, sondern nur in Form vieler kleiner einzelnen Gruppen existiert, gibt es also nicht die Antifa. Es ist also falsch alle Anhänger*innen der Antifa als gewaltbereit und den Rechtsstaat zersetzend zu bezeichnen. Auch findet dadurch das Engagement vieler Ortsverbände keine Anerkennung, sondern wird diesen durch das allgemeine Verbot des Symbols, was klar eine Ablehnung dieser Bewegung ausdrückt, verwehrt. Man kann also von dem Verbot sagen, dass der Staatsregierung ein großer Schlag gegen den Kampf gegen Neofaschismus und für die Demokratie gelungen ist. Zu diesem beglückwünsche ich die Staatsregierung ganz herzlich.


    Das Verbot des Symbols der Antifa ist ein logischer Anlass, wenn man fälschlicher weise die Antifa für ausschließlich gewaltbereit hält. Wer würde denn Zeichen einer gewaltbereiten Gruppe nicht verbieten? Wohl niemand. Aber wer würde Zeichen verbieten die kaum im Zusammenhang mit dieser Gruppe stehen. Wahrscheinlich auch niemand. Dies hat aber die Staatsregierung getan, indem sie das Symbol von Hammer und Sichel verboten hat.


    Auch in diesem Fall möchte ich Licht in das Dunkle bringen. Hammer und Sichel können in vielen Wappen kommunistischer oder sozialistischer Länder oder Parteien gefunden werden. Dadurch wird der Marxismus-Leninismus, der in den Parteien oder Staaten vertreten wird zum Ausdruck gebracht. Es gibt hier also keinen Bezug zur Antifa. Ursprünglich forderte Lenin eine Revolution des Proletariats, um die Diktatur des Proletariats zu ermöglichen. Man kann also aus dieser Ideologie eine Bedrohung der Demokratie ableiten. Aber die große Zeit des Sozialismus ist spätestens seit 1991 vorbei. Es gibt auf der Welt nur noch recht wenige sozialistisch regierte Staaten. Die meisten davon sind im Begriff langsam, aber stetig unterzugehen (China und Nordkorea ausgenommen). Die marxistisch leninistischen Parteien fordern auch schon lange nicht mehr den Umsturz, sondern fordern lediglich einen Umbau des Staates nach Vorbild der Leninschen Ideen. In machen Ländern Europas sind die kommunistischen Parteien zunehmend in die Mitte des politischen Spektrums gerückt und vertreten heute eher sozialdemokratische Einstellung. So gehören die kommunistischen bzw. sozialistischen Parteien beispielsweise in Frankreich oder Portugal zum politischen Alltag und stellten auch im Verlauf der jüngeren Geschichte immer wieder Teile der Regierung. Vom Kommunismus oder Sozialismus geht also in der heutigen Zeit keine Gefahr mehr für die Demokratie aus.


    Eine Revolution des Proletariat ist in weite Ferne gerückt und Hammer und Sichel werden kaum von der Antifa verwendet, weshalb sich die Frage stellt, ob man in der Staatsregierung mit einer vermeintlich drohenden Revolution rechnet oder ob die Mitglieder der Staatsregierung einfach nur der Meinung sind, dass es wieder einen Kampf der System zwischen Kapitalismus und Kommunismus braucht.


    Für beide Verbote liegen unserer Meinung nach keine aussagekräftigen Gründe vor. Der einzige Grund hier für scheint zu sein, dass hier einmal wieder der linker Rand des politischen Spektrums grundlos diffamiert werden soll. Diese Verbote sind wahrscheinlich am Kabinettstisch entstanden, als den Ministern auf gefallen ist, dass die Legislatur bald vorbei ist und noch nichts brauchbares auf dem Tisch gelegen ist. Ich bitte die Staatsregierung also beim nächsten Mal nicht einfach irgendwelche sinnlosen Verbote zu verhängen, sondern etwas brauchbares zu verabschieden und fordere deshalb die Aufhebung des Erlasses


    Es ist deshalb das einzig Richtige, wenn dieser fatale Fehler der Staatsregierung nun durch die Zustimmung zu diesem Antrag korrigiert wird.

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    es gibt viele Themen, die die Menschen in Bayern so wirklich bewegen. Schwierige Gesundheitsversorgung auf dem Land, Schutz von Wald und Wiesen, Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, die proaktive Gestaltung der Verkehrs- und Energiewende, beste Bedingungen für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, die Erholung der Kultur, nachhaltiger Tourismus, Förderung des Breitensports - die Menschen in Bayern politisieren sich an vielen Sachentscheidungen. Es gibt so viel, worüber wir hier diskutieren sollten, weil es den Menschen in Bayern wichtig ist. Die Antifa ist ganz sicher keines dieser Themen. Fragen wir die Menschen in den Landkreisen Rottal-Inn, Aichach-Friedberg oder Haßberge, was sie so wirklich umtreibt. Die Antifa? Ich weiß ja nicht. München, Nürnberg, Fürth - dann haben wir von den etwa 700 bekannten Linksextremisten wahrscheinlich schon einen ordentlichen Teil abgedeckt. Wir haben in Bayern viele Probleme, Linksextremismus zähle ich nur bedingt dazu.


    Doch lassen Sie mich zunächst eine Unterscheidung treffen. Antifa und Linksextremismus können nicht synonym verwendet werden. Weil es Linksextremismus partiell verharmlosen würde. Wir müssen doch trennscharf in dieser Sache arbeiten. Ein antifaschistischer Lesekreis in Landshut ist keine Gefahr für die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung. Das möchte man vielleicht bei einigen Vertretern der Allianz nicht wahrhaben wollen, aber ja, auch ein antifaschistischer Lesekreis in Landshut ist die Antifa. Die Antifaschistische Aktion kann man nämlich nicht auf einen Nenner herunterbrechen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wurde mal gebeten, sich darum zu kümmern, weil gefragt wurde, ob die Antifa eine kriminelle oder terroristische Organisation im Sinne von §§ 129, 129a StGB sein kann. Es fehlt aber gerade an diesen klaren organisatorischen Strukturen. Daher sei es eben auch nur möglich einzelne Gruppen zu überwachen, zu verfolgen, zu bestrafen. Sehen Sie, hier sind wieder bei diesen ominösen Einzelfällen. In anderen Fällen sind bürgerlich-konservative Kommentatoren deutlich umsichtiger mit dem Phänomen "Einzelfall" umgegangen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Der antifaschistische Lesekreis in Landshut jedenfalls darf jetzt keine Sticker, Fahnen oder T-Shirts mit dem Logo der Antifa tragen. Das ist jetzt verboten. Findige antifaschistische Gastronomen sollten sich gut überlegen, ob sie ein Antifa-Café im unterfränkischen Miltenberg eröffnen sollten, oder ob sie das jetzt vielleicht doch eher im 30 Minuten entfernten südhessischen Erbach tun. Dort dürften sie sogar eine Antifa-Fahne aufhängen. Dieses Gedankenbeispiel krankt an zwei Variablen. Variable 1: Niemand käme auf die Idee im unterfränkischen Miltenberg ein Antifa-Café zu eröffnen, weil die Menschen dort ganz andere Sorgen haben, und sich ein Antifa-Café dort vermutlich nur bedingt rechnet. Variable 2: Was bringt uns dieser Erlass, wenn er nur in Bayern gilt? Er ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben wurde. Mensch mein Gott, dann überlegen die sich jetzt hier halt neue Symbole oder nehmen Symbole, die nicht verboten wurden. Das bringt uns zum nächsten Punkt.


    Jetzt nehmen wir mal an, dieser Erlass trifft die Linksextremen in Bayern erheblich. Also erstens war dieser Erlass ja mal absolut kontraproduktiv. Manchmal muss man Geister nicht rufen, nur um zu zeigen, wie toll man dann durchgreifen kann, wenn man sie gerufen hat. Da ging es richtig zur Sache in München. Da wurden Sicherheitskräfte verletzt, da wurden Menschen beschimpft und bedroht, da entstand ein erheblicher Sachschaden. Warum entstand dieser Sachschaden? Ich sage mal ganz einfach: Dieser Sachschaden entstand, weil die Staatsregierung zeigen wollte, wie entschlossen sie gegen Linksextremismus vorgehen kann, wenn sie denn will. Kathrin Hirsch hat also die linksextremen Geister gerufen, die linksextremen Geister haben nicht auf sich warten lassen. Tolle Nummer, was machen wir als nächstes? Verbieten wir Moscheen in Bayern, weil es radikale Muslime gibt? Wie können wir Reichsbürger eigentlich am besten provozieren? Was hat die Staatsregierung für Querdenker und Neonazis in petto? Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Erlass hat uns in der Bekämpfung von Linksextremismus mal so überhaupt gar nicht nach vorne gebracht. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir müssen uns mit den Feinden unserer Demokratie anlegen und es ist auch absolut richtig unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Sie müssen aber doch gut begründet sein und sie müssen vor allem einem Sachzweck dienen! Es ist niemand linksextrem geworden, weil die Antifa-Rita aus Neu-Ulm ihren Antifa-Sweater trägt. Niemand wird dadurch zum Linksextremen. Mir ist auch noch nicht aufgefallen, dass Antifa-Socken jetzt bei C&A ein toller Renner wären. Sehen Sie, wenn wir Linksextremismus bekämpfen wollen, dann lassen Sie uns bitte woanders anfangen. Wir müssen die Aussteigerprogramme evaluieren, wir müssen schauen, wo die Landesmittel und die Bundesmittel hingehen. Herr Fürst, ich weiß nicht, ob das immer so super ist, wenn wir mit Bundesmitteln "lockere, organisatorische Strukturen" wie die der Antifa und ihren Einzelgruppen fördern. Da müssen wir jedenfalls gut dahinter sein. Wir müssen sensibilisieren und wir müssen ganz sicher auch noch mal in die Curricula gehen. Wir brauchen bessere und fundamentalere Aufklärung über Sowjetunion und DDR. Wir müssen kommunistische und sozialistische Ideologien im Unterricht stärker besprechen, genauso wie wir nationalsozialistische Ideologien besprechen. Wir müssen Denklogiken offenlegen und den allgemeinen Bildungsstand in dieser Hinsicht erhöhen. Wir müssen uns die Gewaltpotenziale und die Gewaltstrukturen genau anschauen, brauchen umfassende und gute Lagebilder und gut geschulte Sicherheitsbehörden. Wir brauchen aber keinen Provokationserlass. Wissen Sie, Konfrontation tut nicht immer Not. Wir hätten hier auch die Klügeren sein können. Müssen wir aber nicht, können wir jetzt auch nicht mehr. Ein brennendes Auto kann man nicht mehr löschen und wenn man es löscht, bleibt halt trotzdem ein kaputtes Auto. Das wissen wir als Landespolitik nach den Erlebnissen in München ganz sinnbildlich, die BMW- und Mercedes-Fahrerinnen in München wissen es jetzt vermutlich ganz praktisch. Das war jedenfalls keine gute Lösung.


    Die nächste Kurve bringt mich jetzt zum Antrag. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel jetzt wieder heraus? Ich glaube, wir müssen diesen Erlass zurücknehmen. Ich halte ihn für grundfalsch. Spiritus kippt man schließlich nur auf Kohle, wenn man weiß, dass man die Flammen kontrollieren kann.


    Um es mit Nico Santos zu sagen: Liebe Staatsregierung, This is what you get when you play with fire!


    Dem Antrag ist zuzustimmen. Wir brauchen bessere Lösungen in der Extremismusbekämpfung.


    Herzlichen Dank!

  • Stimmen Sie dem Änderungsantrag zu? 6

    1. Ja (1) 17%
    2. Nein (5) 83%
    3. Enthaltung (0) 0%

    Sehr geehrte Damen und Herren,


    kurz vor Ladenschluss ist noch Änderungsantrag eingegangen, über welchen wir jetzt abstimmen. Die Debattenzeit ist gehemmt bis zur Verkündung des Abstimmungsergebnisses