[Debatte] I/008 - Winternotprogramm 2021/2022 reformieren; niedrigschwelligen, dezentralen und ganztägigen Schutz vor Corona und Kälte ermöglichen

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    gemäß Geschäftsordnung eröffne ich als letzte Amtshandlung zu diesem Antrag für 72 Stunden lang die Debatte.

    Das Wort erhält Herr Schulz.



  • *schreitet zum Rednerpult, nimmt seine Maske ab und trinkt einen Schluck Wasser*


    Sehr geehrte Frau Präsidentin,

    geschätzte Senatsmitglieder,

    liebe Kolleginnen und Kollegen


    Als erstes möchte ich mich bedanken, da dies meine erste Rede vor der Bürgerschaft ist.

    Ich bin unglaublich froh meiner Heimatstadt auf diese Weise dienen zu können.

    Vielen Dank für meine Berufung,


    Meine sehr geehrten Damen und Herren,

    Der Winter in unserer Stadt ist hart und es ist schlimm genug, dass ich mit meiner Anfrage die Regierungsfraktionen zum Handeln animieren musste.

    „Winter is coming!“ schrieb schon ein berühmter Autor unserer Zeit.

    „Nichts ist so sicher wie der Winter.“ besagt ein altes sauerländer Sprichwort.


    Es spricht für die derzeitige Aktivität des Senats und der Regierungsfraktionen, dass man sich Anfang November, wenn nachts schon Minusgrade herrschen, Gedanken über die Obdachlosen dieser Stadt macht, nachdem man mit der Nase von der Opposition auf die Problematik gestoßen wurde.


    Hochgeschätzter Senat,

    dieser Antrag hätte viel früher kommen müssen – vielleicht im September?! Ist das der Anspruch des Senats? Möchte man dann reagieren, wenn die Opposition, was meine Parteizugehörigkeit angeht, sogar außerparlamentarische Opposition, ein Problem entdeckt? Zeigt sich hier nicht, die wahre Ideenlosigkeit des Senats?


    Nun denn, sprechen wir über den Antrag.

    Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wichtige Maßnahmen zur effizienten Vermeidung von Kälteopfern fehlen ganz.

    Ganze Bereiche des obdachlosen Lebens werden völlig ausgeklammert.

    Die einfachste Frage: Was machen die Obdachlosen tagsüber?


    Meine sehr verehrten Damen und Herren,

    in den letzten Jahren war es nichts ungewöhnliches, dass wir im Winter mit extremer Kälte und schweren Niederschlägen in unserer schönen Hansestadt zu kämpfen hatten.

    Die meisten von uns, wollen im Winter nicht mal eine Stunde vor die Tür und lieber zu Hause auf dem Sofa rumlungern.

    Stellen Sie sich nun vor, Sie haben kein zu Hause. Stattdessen werden Sie jeden Tag nach dem Aufstehen in die Kälte geschickt und dürfen bis zum Abend zusehen was Sie machen oder wo Sie sich aufhalten.

    Und allabendlich dürfen Sie sich dann wieder in eine Schlange stellen, nach 10 – 14 Stunden auf der Straße, um zu hoffen, dass der Senat in seiner grün-sozialen Großzügigkeit ein Bettchen für Sie hat.

    Es sei denn, Sie haben sich tagsüber, im Schneegestöber bei -16 Grad, eine Pneumonie oder irgendwelche Erkältungssymptome eingefangen, denn dann müssten Sie in ein Einzelzimmer und davon sind noch weniger da.

    Dies ist nur eine Problematik die der Antrag verschweigt. Weitere Problematiken würden meine Redezeit als berufener Bürger zu sehr strapazieren.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,

    Dieser Antrag zeigt nichts von dem Plan den ein Senat für die Zukunft haben sollte. Er zeigt nichts von der Zuversicht, die eine regierende Fraktion haben sollte.

    Dieser Antrag wirkt wie der Antrag einer Opposition und mit ihm zeigt der Senat wieder einmal, wie wenig Interesse er an aktiver Regierungsarbeit für die schwächsten Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt hat. Statt zuzugeben, dass man keine Ideen hat, wird nach einer Anfrage schnell und halbherzig ein Antrag verfasst.


    Dieser Antrag ist viel zu wenig, daher bitte ich Sie ihn zurückzuziehen, ihn noch einmal durch zuarbeiten und um wichtige fehlende Punkte zu ergänzen. Gerne stehen Ihnen dabei die Internationale Linke und ich beratend zur Seite.




    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

    Mors - Mors

  • Geht von seinem Platz zum Redepult, legt sein Redemanuskript und ein Heft auf dem Pult ab und setzt im Anschluss seine FFP2-Maske ab


    Sehr geehrte Frau Präsidentin,

    sehr geehrte Kolleg*innen,


    ich hätte nicht gedacht, als ich diesen Antrag eingereicht habe, dass ich meine Rede dazu mit einer Ausführung zur Staatstheorie beginnen müsste. Aber der Kollege Dutschke scheint den Unterschied zwischen der Exekutiven - in unserem schönen Hamburg der Senat - und der Legislative - die Bürgerschaft und damit auch die berufenen Bürger*innen - nicht zu kennen oder nicht kennen zu wollen. Anders kann ich mir nicht erklären, weswegen Kollege Dutschke den Senat für den Zeitpunkt der Antragsstellung und die Inhalte dieses Beschlussantrages kritisiert, obwohl dieser eindeutig nicht als Antragssteller*in fungiert und sogar zum Handeln auffordert!


    Der vorliegende Antrag ist, im Falle einer Annahme durch die Abgeordneten der Bürger*innenschaft, der Start eines Paradigmenwechsels im Bezug auf das „Hamburger Winternotprogramm“.


    Anders als der Kollege Dutschke an dieser Stelle postuliert, geht dieser Antrag ganz eindeutig auf die Problematik ein, dass das Winternotprogramm bisher lediglich bei Nacht Unterkunft und Schutz vor Kälte und Corona bietet. Dafür möchte ich gleich die erste Forderung zitieren:


    Der Senat wird aufgefordert,


    1. sicherzustellen, dass das Winternotprogramm 2021/2022 allen obdachlosen Menschen ganztägig Schutz vor Kälte und Corona bietet,


    Ganztägig ist hierbei das entscheidende Adjektiv. Wir müssen davon abkommen zu sagen, dass obdachlose Menschen nur in der Nacht Minusgraden ausgesetzt sind. Ich würde also für die Zukunft empfehlen Anträge zukünftig genauer zu studieren, bevor man angeblich fehlende Punkte anprangert, welche Teil des Antrages sind.


    Dieser Antrag zieht die notwendigen Konsequenzen aus Fehlern der vergangenen Jahre und besonders jenen des letzten Pandemiewinter. Es wird eine dezentrale Unterbringung in Einzelzimmern vor. Dies ist eine Reaktion auf entsprechend hohe Ansteckungszahlen aus dem vorherigen Jahr in Unterkünften des Winternotprogramms. Es ist unsere Verantwortung als Politik Menschen davor zu schützen sich weiterhin mit dem Corona-Virus zu infizieren. Denn eines dürfen wir nicht vergessen, Impfdurchbrüche sind keine Seltenheit. Und auch nicht alle wohnungslosen Menschen haben am Impfprogramm des Hamburger Senats teilgenommen.


    Doch nicht nur die Angst vor Ansteckungen haben dafür gesorgt, dass im vergangenen Jahr die Zahlen der Unterbringung in einer Unterkunft des Winternotprogramms gesunken ist. Viele Menschen, die in diesem wichtigen städtischen Programm Schutz gefunden hätten, haben dieses gemieden, weil eine zeitgleiche Unterbringung ihrer vierbeinigen Freund*innen nicht möglich gewesen ist. Auch hier wird der Senat aufgefordert entsprechende Kapazitäten zu schaffen, um dieses Dilemma zu beseitigen.


    Es ist Zeit, dass das Hamburger Winternotprogramm niedrigschwellig umgesetzt wird. Bisher bestehende bürokratische Kosten können in der Umsetzung besser eingesetzt werden. Auch können wir nicht riskieren, dass sich Menschen weigern dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, weil ihre Daten an andere Behörden übermittelt werden könnten und entsprechende Konsequenzen folgen könnten. Der Gedanke des Humanismus muss hier im Zentrum stehen.


    Frau Präsidentin,

    Herr Kollege Dutschke,


    ich freue mich ja über konstruktive Diskussionen. Aber diese haben für mich im Parlament stattzufinden. Politik hat für den Bürger*innen transparent stattzufinden und ist diesen gegenüber auch zu erklären. Es besteht für sie eine Möglichkeit Optimierungsvorschläge in den parlamentarischen Diskurs einzubringen.


    Hebt die Geschäftsordnung der Bürgerschaft hoch


    Dieses wunderbare Regelwerk kennt hierfür passende Optionen. Stichwort: Änderungsanträge. Ein Blick in die Geschäftsordnung hätte gereicht, nehme ich Ihnen aber nicht übel.


    Herzlichen Dank.


    setzt sich wieder, nachdem er seine FFP2 Maske aufgesetzt hat, wieder auf seinen Platz

  • Sehr geehrte Frau Prösidentin,
    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
    Herr Kollege Schulz,

    ich danke Ihnen für die Schilderung des Problems. Wir stimmen in vielen Punkten überein. Die Sache ist verdammt wichtig.
    Dennoch muss ich an Ihrer Rede einiges kritisieren und auch widersprechen.

    Ja, Sie haben Recht. Ich sprach offen den Senat und die Regierungsfraktion an.
    In meiner letzten Anfrage hatte der Erste Bürgermeister dieser Stadt berichtet, dass der Senat sich um das Winternotprogramm kümmere.
    Da Sie Teil der Regierungspartei sind, bin ich davon ausgegangen, dass Sie mit dem Senat zusammenarbeiten würden.
    Wenn dies nicht der Fall ist, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Ich bin überrascht von der inner-senatischen Oppositionsarbeit und wundere mich ein wenig über die Vorgänge.

    Sie sagen also,. dass es undemokratisch wäre, wenn wir den Antrag außerhalb des Parlaments umformulieren würden, um ihn dann erneut vor die Bürgerschaft zu bringen und so die besten Ergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt erzielen. Sehr interessant.
    Wenn dies ihr Verständnis von parlamentarischer Willensfindung ist, dann kann ich verstehen warum ihre Fraktion bis her so inaktiv ist.

    Kommen wir zur Sache.
    Die Formulierung "ganztägige Öffnung" ist, um ein Zitat unseres geschätzten Herrn Bundestagspräsidenten zu verwenden, "unkonkretes Wischi-Waschi-Tri-Tra-Tru-Lala."
    Hier würde ich gerne genauere Informationen haben. Es tut mir leid, wenn meine Rede dahingehend missverständlich formuliert war.

    Trotzdem möchte ich die Frage aus dieser Rede unmissverständlich wiederholen: "Was machen die Obdachlosen tagsüber?"
    Dies verschweigt der Antrag. Klar er spricht von einem Schutz vor Corona und Kälte, aber da die derzeitigen Unterkünfte keine Gemeinschafts- oder Sozialräume bieten, bleibt ihnen nur übrig in ihren Betten für Monate zu verharren. Sie bekommen da allerdings nichts zu essen und auch keine Sozialleistungen, also sind sie gezwungen die Unterkunft zu verlassen. Darauf wollte ich aufmerksam machen und wenn Sie dies missverstanden haben, tut es mir leid. Ich werde in zukünftigen Reden mich dahingehend besser ausdrücken, dass auch Sie mich unmissverständlich verstehen.

    Zum Thema Änderungsantrag kann ich abschließend nur sagen, dass ich es vorziehe mit politischen Partnern und Konkurrenten gemeinsame Lösungen zu finden und einen entzerrten Dialog zur bestmöglichen Lösungfindung zu führen mit der alle zufrieden sind. Wenn Sie es vorziehen, dass wir alle gegeneinander arbeiten und kein konstruktives miteinander möglich ist, weiß ich wo ich stehe.

  • Ando Hov

    Hat das Thema geschlossen