Sondersitzung des Landtags zu Ehren des Besuchs des Bundespräsidenten Andreas Brandstätter

  • Meine sehr geehrten Damen und Herren,


    ich habe am heutigen Tag die Ehre im Bayerischen Landtag den Bundespräsidenten Andreas Brandstätter begrüßen zu dürfen. Der Bundespräsident hat mich darum ersucht, eine Rede vor dem Landtag halten zu dürfen. Ich bitte nun also unseren Gast an das Rednerpult zu treten und übergeben hiermit feierlich das Wort an Andreas Brandstätter

  • Schreitet zum Rednerpult und nimmt dort seine Maske ab. Nickt dem Landtagspräsidenten zu, schaut durch die Reihen und beginnt dann zu sprechen.



    Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

    werte Abgeordnete des Bayerischen Landtages,

    geschätzte Mitglieder der Staatsregierung,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    ich freue mich sehr, dass mir Landtagspräsident Fürst hier und heute die Gelegenheit gibt, vor dem Landtag zu sprechen und dieser Sitzung hier beizuwohnen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Herrn Fürst bedanken, der mich hier zu dieser Sitzung eingeladen und so herzlich empfangen hat. Er selbst ist ja eine große Personalie des bayerischen Parlamentarismus, fungiert er doch nun schon seit vielen Legislaturperioden als Landtagspräsident und übt diese Aufgabe immer sehr gewissenhaft aus. Sie, werter Herr Fürst, sind wirklich eine strahlende Persönlichkeit dieses Bundelandes und Ihr Einsatz und Durchhaltevermögen im Landtag ist eine Inspiration für viele Bürgerinnen und Bürger. An dieser Stelle darf und möchte ich meinen größten Respekt für diese Leistung zum Ausdruck bringen.


    Nachdem ich aber heute nicht hier bin, um persönliche Lobeshymnen zu singen, kommen wir nun zum sachlichen Teil: Der Freistaat Bayern nimmt, das darf und muss man anerkennen, eine besondere Rolle innerhalb des Gefüges der Bundesländer in Deutschland ein. Bayern ist ein verhältnismäßig großes und einwohnerstarkes Bundesland mit großer wirtschaftlicher Potenz. Auch deshalb besitzt der Freistaat bundespolitisch ein gewichtiges Mitspracherecht, deutlich wird das vor allem auch im Bundesrat. Entsprechend hat Bayern auch bundespolitisch eine besondere Verantwortung, aber auch eine besondere Vorbildrolle inne, die es nicht zu verkennen gilt und die man sich auch an Ihrer Stelle, werte Abgeordnete, immer wieder vor Augen führen sollte. Viele Bundesländer schauen zu Bayern auf, weil hier viel richtig gemacht wird – im Bereich der Fiskal-, der Wirtschafts- und der Bildungspolitik etwa. Diesen hohen Standard, sei es im wirtschaftlichen Bereich oder auch im Bildungssektor, den gilt es zu bewahren und zu halten. Das ist freilich nicht immer eine leichte Aufgabe, aber wer nach leichten Aufgaben Ausschau hält, ist im Parlament ohnehin nicht am richtigen Ort.


    Politisch wurde der Freistaat in den letzten Legislaturen immer mal wieder kräftig durchgerüttelt. War es vor einigen Monaten noch das Liberale Forum unter Felix Neuheimer, das Bayern ganz in seiner Hand hatte, so erstarkten nach der recht inaktiven Regierung Schaal die mitte-links-Kräfte in Bayern, die unter Ministerpräsident Holler viele progressive Akzente setzen konnten. Danach erstarkte mit der Allianz eine neue konservativ-liberale Kraft im Landtag, die nun in der letzten Legislaturperiode die Zügel im Freistaat übernommen hat. Trotz einer recht inaktiven Legislatur haben die Bayerinnen und Bayern der Allianz das Vertrauen noch einmal geschenkt, ihr eine zweite Chance gegeben. Diese Chance gilt es zu nutzen und den Status Quo nicht einfach weiterzuführen, entsprechend gefordert wird der neue Ministerpräsident und seine Regierung sein. Das gilt aber auch für die künftigen Oppositionsparteien. Es liegt auch an ihnen, diesen Landtag wieder mit Leben, mit Ideen und Diskurs zu füllen, wie es sich für ein Parlament gehört. Das, werte Abgeordnete, ist Ihre Aufgabe, für die Sie die Bürgerinnen und Bürger in dieses hohe Haus gewählt haben.



    Der Diskurs mit und über Bayern wird zurzeit dennoch geführt, wenn auch nicht im Landtag. Der Erlass der bayerischen Innenministerin zwecks Symbol der Antifa und des Hammers und Sichels ist bundesweit ein aktuelles und kontrovers diskutiertes Streitthema. Ich für meinen Teil möchte diese Gelegenheit hier wiederum dazu nutzen, für faire Dialoge zu werben. Es ist nicht sinnvoll und auch nicht zielführend jemanden in Diskussionen als Unterstützer von Terroristen, Terroristenfreund, Nazi oder Faschisten zu bezeichnen, wie man es mitunter erlebt. Ja, das Thema ist emotional. Aber auch emotionale Themen diskutiert man mit Anstand, mit Würde und mit Respekt. Das gehört sich so und das gehört sich ganz besonders für Politikerinnen und Politiker, die immer eine gewisse Vorbilfunktion innehaben.


    Ein Gespräch, das „Ins-Gespräch-Kommen“ ist aber nicht immer einfach und manchmal schlicht unmöglich. Vor allem an den politischen Rändern versucht man Probleme oft mit Gewalt und Terror zu lösen, anstatt mit Worten und Vernunft. Sie haben es wohl geahnt, werte Damen und Herren, ich muss aufgrund gegebener Anlässe am heutigen Tag über Extremismus in unserem Land zu sprechen. Heute, am 4. November 2021 jährt sich das Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrundes, genannt NSU, zum zehnten Mal. 11 Jahre lang wüteten Rechtsextremisten unbemerkt in unserem Land, verübten brutale Morde, Mordversuche, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle. Die meisten Morde passierten gerade hier, in Bayern. Diese ganze Geschichte ist ein behördliches, ein staatliches Versagen von unfassbarem und erschreckendem Ausmaß. Dass Neo-Nazis deutschlandweit organisiert Menschen terrorisieren, verletzen und ermorden können, ohne dass der staatliche Sicherheitsapparat ihnen auf die Schliche kommt, so etwas kann und darf es nicht geben. Dieser Skandal hat das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in unseren Sicherheitsapparat, in unsere Sicherheitsinstitutionen wie etwa die Polizei oder den Verfassungsschutz erschüttert – und das zurecht. Dieses Vertrauen in die Behörden musste und muss man sich erst wieder erarbeiten. Der Erfolg scheint bis dato mäßig zu sein. Dennoch gilt es diese Bemühungen fortzuführen und so ist es Aufgabe der Politik, für unsere Sicherheit in diesem Land zu sorgen, durch gut ausgerüstete und ausgebildete Sicherheitskräfte und entsprechende gesetzliche Bestimmungen, die ein Bekämpfen der Kriminalität effektiv ermöglicht.


    Dass so etwas wie NSU nie wieder vorkommen darf, ist uns allen klar – und dennoch ist die Gefahr des politischen Extremismus in Deutschland noch lange nicht gebannt und aktuell präsenter denn je. Gerade die jüngsten Ereignisse in Nordrhein-Westfalen und auch in Bayern zeigen das. Extremismus, werte Damen und Herren, gehört auf das Schärfste bekämpft, ob er nun von rechts kommt oder von links. Man darf an dieser Stelle die Fakten auch einmal aussprechen. Sie kennen sicher die Statistiken, werte Damen und Herren: Über 50 % der politisch motivierten Kriminaltaten in Deutschland sind dem rechtsextremistischem Spektrum zuzuordnen, ein Viertel dem Linksextremistischen. Und ja, es ist erwiesen, dass Rechtsextremismus zurzeit und immer noch die größte Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands ist. Aber es ist auch erwiesen, dass die linksextreme Szene immer gewaltbereiter wird. Summa summarum sprechen die Fakten eine klare Sprache: Extremismus von rechts und links muss besser, schneller und effektiver bekämpft werden - und dieses Thema drängt sich immer weiter auf.


    Gleichzeitig verbittet sich die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus jedoch. Es geht dabei nicht um die unbestreitbare Gefahr für Menschen und Sachgegenständen, die von beiden Seiten ausgeht, sondern um die Organisation, das Vorgehen, die Ideen und Ziele dieser Randgruppen. Rechtsextremismus und Linksextremismus unterscheiden sich in so vielen Bereichen, geeint sind sie nur durch ihre steigende Gewaltbereitschaft und ihre Missachtung unserer Verfassung und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Entsprechend unterschiedlich gilt es diese Formen des Extremismus zu bekämpfen und zu behandeln.


    Wenn ich nach Nordrhein-Westfalen schaue, dann war wohl eine Rede eines Vertreters einer Partei akuter Auslöser der Krawalle, die oftmals als verfassungsfeindlich betitelt wird, die durch ihren populistischen Sprachstil auffällt und die oftmals regelrechte mediale Hetzkampagnen gegen Regierungsvertreterinnen und -Vertreter oder Parteien fährt. Wenn dann nach einer solchen Rede Anhänger dieser Partei. oder zumindest Leute, die dieser Veranstaltung beigewohnt haben, versuchen, ein Regierungsgebäude gewaltsam zu stürmen, dann ist das in meinen Augen zumindest ein Grund zu hinterfragen, welche Anhänger man durch seine Programmatik und sein Auftreten in der Öffentlichkeit anspricht und welche man ansprechen möchte. Die zu beobachtende Entwicklung jedenfalls ist besorgniserregend und sollte allen Beteiligten zu denken geben.


    Aber auch hier in Bayern muss man sich fragen, ob der strittige Erlass bezüglich der Symbole Hammer & Sichel sowie dem Antifa-Logo ein geeignetes Löschmittel war, oder ob er nicht nur als weiterer Brandbeschleuniger diente. Die Auswirkungen jedenfalls, hat man mit den linksextremen Ausschreitungen gesehen. Gewaltsame Ausschreitungen im Namen der Antifa waren in Bayern vorher kaum existent. Eine mit den kürzlichen Geschehnissen vergleichbare Ausschreitung von Linksextremisten gab es in Bayern vorher meines Wissens nach nicht. Entsprechend warne ich an dieser Stelle eindringlich davor, im Bereich der Extremismusbekämpfung Symbolpolitik zu betreiben. Wer von der Antifa als Terrororganisation spricht, der verkennt, dass es sich bei der Antifa um eine Aktion, eine gesellschaftliche Bewegung handelt, nicht um eine Bündnis im Sinne einer strukturierten Organisation. Viele lokale Bewegungen ordnen sich der Antifa zu, darunter auch – und das gilt es nicht zu vergessen – einige autonome, gewaltbereite Gruppierungen. Jene losen, lockeren Gruppierungen werden vom Verfassungsschutz beobachtet, jene Gruppierungen sind es auch, die durch Gewalt an Polizistinnen und Polizisten und durch Sachbeschädigungen auffallen und deren Taten ich auf das Schärfste verurteile - und das sollten wir alle. Es ist angezeigt und notwendig, diesen Gruppierungen den Kampf anzusagen. Aber es gilt auch zu beachten, dass es im Bereich des Linksextremismus eben nicht so stramme und strukturierte Organisationen gibt wie im rechtsextremistischen Feld, wo diese Organisationen viel klarer erkennbar, ausforschbar und identifizierbar sind. Das sind Fakten, die man nicht verkennen darf und die ich an dieser Stelle erwähnen möchte, da ich die Herangehensweise für die Bekämpfung von Linksextremismus in Teilen sehr kritisch betrachte. Es ist bei manchen Maßnahmen eine gewisse Voreingenommenheit ebenso zu erkennen, wie das fehlende Abwägen von der Effektivität gewisser Maßnahmen im Kampf gegen Linksextremismus, die sich etwa als geeignetes Mittel gegen Rechtsextremismus dargestellt haben. Es ist nicht die Frage nach dem Ob, sondern nach dem Wie.


    Diese großen Differenzen und die Notwendigkeit der Differenzierung machen die Materie der Extremismusbekämpfung so komplex und schwierig. Entsprechend unterschiedlich sollte und muss jedoch die Herangehensweise bei der Bekämpfung sein. Die richtige Strategie ist dabei von immenser Bedeutung, denn eine falsche Strategie kann und wird in weiteren Ausschreitungen enden. Dies zu verhindern hat oberste Priorität.


    In diesem Sinne rege ich an dieser Stelle alle noch einmal dazu an, sich dieses Thema zu verinnerlichen und auch eigene Aussagen zu überdenken. Eine pauschale Einstufung der Antifa als Terrororganisation ist ebenso faktenfremd wie ein blindes Unterstützen dieser Bewegung. Ein objektiver, kritischer Blick ist stets angezeigt – dazu jedoch muss man sich frei machen von Vorurteilen und subjektiven Einstellungen. Nur dann gelingt ein faktenbasierter, neutraler Dialog, der auch zu verwertbaren Erkenntnissen und Lösungen führen kann.


    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, werte Damen und Herren, viel Erfolg auf der Suche solcher Lösungen für diese schwierigen, aber so wichtigen und entscheidenden Fragen. Ich hoffe ich konnte Ihnen auf diesem Wege einen kleinen Denkanstoß mitgeben und bedanke mich noch einmal ganz herzlich für die Einladung und für Ihr Zuhören und Ihr Interesse.


    Vielen Dank!

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