DEBATTE VII/006 | Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung von Adelstiteln und -prädikaten als Namensbestandteil

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    DEBATTE ÜBER DRUCKSACHE VII/006

    Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung von Adelstiteln und -prädikaten als Namensbestandteil


    Die Debattendauer beträgt gemäß unserer Geschäftsordnung drei Tage.


  • Herr Präsident,

    meine sehr geehrten Damen und Herren,


    die Abschaffung von Adelstiteln ist bereits seit der Weimarer Republik rechtlich erfolgt, da diese Titel nur noch als Namenszusatz dienen. Dieser Antrag würde lediglich ein bürokratisches Monster schaffen und hunderttausende Behörden die Köpfe zum Rauchen bringen, da alle Nachnamen der betroffenen Personen abgeändert werden müssten. Des Weiteren müssten wir dann noch prüfen, ob der Name tatsächlich dem Adel entstammt, da nicht jeder "von und zu" ein Adeliger sein muss. Der Antrag ist durch die rechtliche Aufhebung der Adelsstände daher nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßname für unsere Verwaltungen und wird bei vielen Namensänderungen für große Verwirrung sorgen. Ich bitte daher Sie alle den Antrag geschlossen abzulehnen.

  • Florentin Plötz

    Hat den Titel des Themas von „ANTRAG VII/006 | Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung von Adelstiteln und -prädikaten als Namensbestandteil“ zu „DEBATTE VII/006 | Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung von Adelstiteln und -prädikaten als Namensbestandteil“ geändert.
  • Erhebt sich von ihrem Platz und geht zum Redepult


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleg*innen,


    An den Kollegen Müller eine kurze Vorbemerkung. Es ist eigentlich parlamentarischer Brauch, dass der*die Antragssteller*in das erste Wort hat.


    „Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue; es lebe die deutsche Republik“, kein anderer wie jener Satz, welche der damalige SPD-Reichstagsabgeordnete Philipp Scheidemann am 09. November 1918 sagte, spiegelt den Übergang vom reaktionären Kaiserreich in die erste deutsche Demokratie besser dar. Es war dieser Satz, welcher ein neues, ein demokratisches Zeitalter einleitete. Jetzt stehen wir hier, etwas mehr als 102 Jahre später im Reichstag, von wo aus dieser Satz gesagt wurde und debattieren über einen Antrag, welcher die letzten Überbleibsel dieses alten Systems, welches für die Urkatastrophe des 20. Jahrhundert entschieden verantwortlich ist, beseitigen soll.


    Das Grundgesetz erkennt alle Menschen vor Recht und Gesetz als gleich an, wie zuvor schon die Weimarer Reichsverfassung. Daran ändern auch diese Titel nichts, das kann und möchte ich nicht bezweifeln. Aber es gibt den Menschen die sie tragen anscheinend, zumindest wenn man den Diskurs der letzten Tage verfolgt oder das Wirken von Herrn Wildungen in den gesamten letzten Monaten das Gefühl, dem sei nicht so. Ich bin hier ganz entschieden und sage, dieses Gefühl hängt mit der Fehlentscheidung der politischen Verantwortlichen jener Zeit zusammen, dass ehemalige Titel als Adelsbestandteile erhalten bleiben. Und ich sage auch, gehen wir zusammen den Weg, welchen die Republik Österreich über ein Jahrhundert zuvor gegangen ist und begradigen wir diesen Fehler.


    Wir erleben in den letzten Tagen die Vergabe von Titeln, welche weder irgendeine Rechtskraft besitzen oder sonst etwas, nur damit sich eine Clique reaktionärer Politiker - und ich gendere hier bewusst nicht, weil es sich ausschließlich um Männer handelt - fleißig einen kleinen elitären Rahmen schaffen kann, in der sie ihre reaktionären Phantasien ausleben können. Auch das ist an sich noch kein ernsthaftes Problem, immerhin gibt es diesen Rahmen für Reaktionäre schon.


    Schaut in Richtung des Abgeordneten Dregger


    Es ist aber sehr wohl ein Problem, da hierdurch von dieser besagten kleinen Gruppe Honorationen und Würdigungen zugeteilt werden an Menschen, welche sich „um das Vaterland verdient gemacht haben“ aus deren Sicht und damit das staatliche Ordenswesen, welches wirklich dafür zuständig ist, untergräbt. Zudem frage ich mich, was an Fremdenfeindlichkeit, Homo-, Bi-, Trans-, und Interfeindlichkeit sowie Misogynie ein „Verdienst fürs Vaterland“ sein soll, aber vielleicht muss dazu adelig geboren wurden sein, um das zu verstehen.


    Herr Präsident,

    Herr Kollege Müller,


    ich bin ja froh, dass hier von Ihrer Seite aus auch ein Diskurs gesucht wird, der auf einer inhaltlichen Ebene stattfindet. Aber ich muss an dieser Stelle betonen, dass zwar die juristischen Vorrechte des Adels abgeschafft wurden, aber meine Ausführungen doch klar dafür sprechen, warum eben jene Adelstitel und -prädikate abgeschafft gehören. Ja, es wird einen Mehraufwand für die Verwaltung geben, aber dieser Aufwand ist ein notwendiger Aufwand, um den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und das Staatsprinzip der Demokratie zu wahren, achten und zu verteidigen. Es ist ein notwendiger und längst überfälliger Schritt.


    Herzlichen Dank!

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    werte Herrschaften,

    deutsches Volk,


    gerne hätte ich meinen parlamentarischen Einstand im Rahmen einer wichtigen, das Land bewegenden Debatte begangen. Stattdessen bin ich nun genötigt, zu einem Antrag der Freiheitsfeinde zu reden, dem jede Daseinsberechtigung fehlt.


    Nunmehr hundert Jahre ist es her, dass die Bürger dieses Landes rechtlich gleichgestellt und öffentlich-rechtliche Privilegien des Adels abgeschafft wurden. Seitdem sind noch existierende Adelstitel ein fester Bestandteil des Nachnamens. Seit hundert Jahren kommt in unserem geliebten Vaterland kein Bürger - jedenfalls niemand, der bei Verstand ist - auf den Gedanken, ein Adelstitel im Namen eines Menschen brächte diesem irgendwelche Vorteile rechtlicher Art. Nur eine ominöse Gruppierung im Bundestag hat sich dem Kampf gegen eine nicht vorhandene Ungleichheit auf die Fahne geschrieben. Es überrascht wenig, dass es sich bei dieser Gruppe um die Grünen handelt. Jeder vernünftige Menschen fragt sich, ob dieser Verein nichts besseres zu tun hat, als ein Scheinproblem zu erfinden und zur Lösung dieses in massiver Weise in die Persönlichkeitsentfaltung der Bürger einzugreifen. Zugegeben, hinsichtlich der Grünen ist diese Frage doch eher rhetorischer Natur.


    Herrschaften,

    nach deutschem Recht sind Adelsbezeichnungen Bestandteil des Namens und damit ebenso wie die Nachnamen Müller oder Schmidt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Der eigene Name hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die eigene Persönlichkeitsbildung und -entwicklung. Dabei ist es vollkommen irrelevant, was andere Bürger, ja, sogar was die Grünen von einem Namen halten. Der Name ist ein Teil der höchstpersönlichen Lebensgestaltung und nicht von einer gesellschaftlichen oder politischen Akzeptanz abhängig.


    In den skizzierten Teil des Persönlichkeitsrechts möchten die Freiheitsfeinde der Grünen nun eingreifen und dem Bürger gesetzlich vorschreiben, auf einen Teil seines Namens, auf einen Teil seiner Identität zu verzichten. Das stellt unstreitig einen massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, werden Menschen doch gezwungen, Teile ihrer persönlichen Identität zu verbergen, ja vielmehr ihre Persönlichkeitsentfaltung zu beschränken. Das kann man politisch fordern, wenn man sich als Feind einer freiheitlichen Gesellschaft bekennen möchte. In rechtlicher Hinsicht reicht eine Abneigung gegenüber bestimmten Namen gleichwohl nicht aus, um diesen harten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu rechtfertigen. Dass das Führen von Adelstiteln als Teil des Nachnamens in Deutschland seit mehr als hundert Jahren anerkannt ist und akzeptiert wird, macht den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gerade so schwerwiegend. Generationen von Deutschen haben in dieser Zeit einen Adelstitel im Nachnamen geführt, ihre eigene und die familiäre Identität ausgeformt und die ihnen nachfolgenden Generationen geprägt. Das soll nun unterbunden, das Erlebte aus dem öffentlichen Leben entfernt werden, weil sich einige Wolkenkuckucksheimbauer der Grünen darüber stören. Der Antragsteller offenbart mit dieser Sichtweise nichts anderes als eine Verachtung für die freiheitliche Gesellschaft, in der wir leben.


    Die von den Grünen erfundene Gefahr, das Führen eines einen Adelstitel beinhaltenden Nachnamens führe dazu, dass sich "Eliten" öffentlich als Bürger erster Klasse darstellten, taugt in der Sache nicht, um das begehrte Verbot zu rechtfertigen. Zunächst ist diese Gefahr in Anbetracht der über hundert Jahre währenden Akzeptanz der Gleichheit vor dem Gesetz neben dem Führen von Adelstiteln im Nachnamen erkennbar unbegründet. Zum anderen aber wäre es nicht einmal verboten, sich öffentlich dafür auszusprechen, dem Adel alte Privilegien wiederzugeben. Selbstverständlich dürfte diese Forderung auch öffentlich erhoben werden. Dieses Recht wird gar grundgesetzlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert. Die Grünen wollen mit einer Scheingefahr die Meinungsfreiheit in diesem Land nachhaltig beschneiden und erweisen sich damit als die größeren Feinde für unsere Demokratie als die Anhänger der Monarchie. Es hat den Staat nichts anzugehen, wie sich Menschen inoffiziell nennen. Selbst wenn die Grünen diese Forderungen oder die Vergabe von Adelstiteln als reaktionäre Gedanken alter weißer Männer - eine im Übrigen sehr diskriminierende Bezeichnung - bezeichnen, sei ihnen gesagt: Auch alten weißen Männern ist es gestattet, öffentlich "reaktionäre" Gedanken zu äußern. Unsere pluralistische Gesellschaft zeichnet sich gerade dadurch aus, dass in ihr verschiedene Meinungen und Weltbilder vertreten werden dürfen. Dieses Recht steht nicht unter dem Vorbehalt, dass den Grünen die jeweilige Meinung zusagt. Es ist absurd und beschämend, welches antidemokratische Weltbild dieser Verein im Parlament vertritt. Die Grünen sollten sich wahrlich schämen!


    Erneut zu betonen ist, dass der Adel im deutschen Recht keinerlei Privilegien besitzt. Die Traditionen werden nur noch im privaten Raum beispielsweise durch Vereine gelebt und an nachfolgende Generationen weitergereicht. Der Staat hat die private Pflege alter Traditionen weder gutzuheißen noch zu kritisieren - er hat sie zu hinzunehmen. Gleiches gilt selbstredend auch für die private Verleihung von Adelstiteln an Nichtadelige. Diese Praxis führt doch sogar dazu, den von den Grünen als elitär bezeichneten Kreis der Adeligen für die Gesellschaft zu öffnen. Sie wirkt mithin dem entgegen, was die Grünen in ihrem Antrag zuvorderst kritisieren. Umso unverständlicher ist der Angriff der Grünen auf die Vereinsfreiheit und die Privatautonomie. Während Adelsvereine den Aufstieg nach oben ermöglichen wollen, treten die Grünen - getrieben von einem pathologischen Hass gegen alle, die wohlhabender, respektabler, klüger und schöner sind als sie - für eine Nivellierung nach unten ein. Das ist absurd und entlarvend zugleich.


    Herrschaften,

    neben dieser grundsätzlichen Kritik am hier debattierten Vorhaben ist ferner auch die Beschreibung der Verdienste des Adels durch den Antragsteller erkennbar unzutreffend. Der Adel hat unser Land über Jahrhunderte geprägt - im Guten wie natürlich auch im Schlechten. Mitunter ihm verdanken wir die erfolgreiche Entwicklung unseres Vaterlandes. Während die Sonntagsredner der Grünen während der NS-Diktatur wohl die Füße still gehalten hätten, haben tapfere Adelige - man erinnere sich nur an Graf von Staufenberg - ihre Leben im Kampf für unser Vaterland und gegen die NS-Diktatur gelassen. Den Adel pauschal als verantwortlich für die Katastrophen des 20. Jahrhunderts darzustellen, ist daher nicht nur historisch falsch, es ist auch schäbig! Die zum Teil menschenverachtende organisierte Bekämpfung des Adels, die wir aus der französischen und der russischen Revolution kennen, kann und darf sich in einem freiheitlichen Staat wie Deutschland nicht wiederholen!


    Lassen Sie mich abschließend sagen, dass die momentan und auch weiterhin zulässige Praxis, einen Adelstitel als Teil des Nachnamens zu führen, weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt noch mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Dagegen greift der vorliegende Gesetzentwurf in nicht zu rechtfertigender Weise in unter anderem das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Vereinsfreiheit und wohl auch die Meinungsfreiheit ein. Auch ist äußerst zweifelhaft, ob dieses strafbewehrte Verbot mit dem strafrechtlichen Ultima-Ratio-Prinzip vereinbar ist. Dazu führt der Antragsteller nichts aus, sondern beschränkt sich darauf, sein freiheitsfeindliches Menschenbild kundzutun. Dem stelle ich mich vehement entgegen und kann nur alle Demokraten in diesem Haus auffordern, es mir gleichzutun.


    Danke, lang lebe Deutschland!

  • Werter Herr Präsident,


    ich beantrage eine Debattenverlängerung, damit die Freiheitsfeinde der Grünen noch die Möglichkeit haben, die von mir dargelegten Bedenken verfassungsrechtlicher Art auszuräumen!