TH 004/003 - Thüringer Gesetz zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2


  • Für die antragstellende Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Elias Jakob Lewerentz das Wort.


    Drei Tage Debatte bis zum Mittwoch, 05. Januar, 21:46 Uhr.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    wir haben uns dazu entschieden, die Verordnung noch einmal in Gesetzesform zu gießen, parlamentarische Partizipation zu gewährleisten und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen darzulegen.


    Mehr ist dazu nicht zu sagen.


    Herzlichen Dank.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Herr Präsident,

    geschätzte Kollegen,


    es ist ja erfreulich, dass die Staatsregierung endlich auf meinen vielfachen Ratschlag reagiert und sich endlich dem Thema mangelnder bzw. fehlender demokratischer Legitimation der Corona-Maßnahmen annimmt, wenngleich es zumindest diskussionswürdig ist, ob Mängel eines Bundesgesetz durch ein Landesgesetz gleichsam geheilt werden können. Indessen kann dem vorgelegten Entwurf in entscheidenden Teilen nicht zugestimmt werden, was im Folgenden dargelegt werden soll:


    1.

    Zu Beginn möchte ich auf einige Redaktionsversehen aufmerksam machen. Beschlossen werden soll ein Parlamentsgesetz. Deshalb sollte das Wort "Verordnung" nicht vorkommen. Ebenso wird etwa § 14 obsolet. Wenn das Parlament das Gesetz beschließen soll, braucht es folgerichtig auch keiner Beteiligungsklausel.


    2.

    Der Gesetzesentwurf mag zwar den Vorwurf mangelnder parlamentarischer Beteiligung zu entkräften. Das ändert aber nichts daran, dass einige Teile der Corona-Maßnahmen nach meinem Dafürhalten grob fehlerhaft sind; die Fehler der Staatsregierung sollten sich in Beschlüssen des Landtages nicht fortsetzen. Insbesondere möchte ich meine Einwände gegen die beigefügte Begründung vortragen.


    a)

    Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn der Landtag seine Maßnahmen begründet. Tatsächlich handelt es sich um den ersten eigenständigen Begründungsversuch einer Landesregierung, den wir in vB zur Kenntnis nehmen können. Das möchte ich an dieser Stelle loben. Nicht unterstützen kann ich jedoch die Absicht der Regierungsfraktionen, die Maßnahmen der Staatsregierung ad hoc in die Form eines Parlamentsgesetzes zu gießen. Dieses Parlament sollte vielmehr als Forum dienen, eine grundsätzlichere Strategie zu erarbeiten, wofür ich ausdrücklich werben möchte. Entgegen den Aussagen in der Begründung zum Gesetzesentwurf ist eine langfristige Strategie nämlich nicht ersichtlich.


    b)

    Die Schwere der Grundrechtseingriffe findet bedauerlicherweise keinen Ausdruck in der Begründung sowie dem Zweck dieses zu diskutierenden Entwurfes. Nach dem Grundsatz audiatur et altara pars ist es unzulässig, sich auf eine Seite der Medaille zu konzentrieren, ohne die gegenteilige Position in den Blick zu nehmen. Konkret fehlen Ausführungen zu den beschränkten Interessen sozialer, wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Natur. Ich hatte bereits schon einmal darauf hingewiesen, dass durch den Lockdown selbst ebenfalls Leib und Leben von Menschen beeinträchtigt wird. So ist etwa die Aussage der Welthungerhilfe zu verstehen, der Lockdown der westlichen Welt wirke als "Brandbeschleuniger" für Armut und Hunger in den Schwellen- und Entwicklungsländer. Aber soweit müssen wir gar nicht schauen. Auch hierzulande sind konkrete Beeinträchtigungen der Gesundheit spürbar. Denken wir an verschobene Operationen. Denken wir an die ganz erhebliche psychischen Belastungen, welchen die Menschen durch das abprubte Herunterfahren des nahezu gesamten sozialen und gesellschaftlichen Lebens ausgesetzt werden. Denken wir aber auch an die zahlreichen Freiberufler, insbesondere Künstler, Gewerbetreibende und Unternehmer, die Adressat faktischer Berufsverbote werden und deswegen vor den Scherben ihrer Existenz stehen, ohne dass bis dato ein Rechtsanspruch auf staatliche Entschädigung besteht. Corona ist kein Sonderfall und konfligiert, wie alle anderen gesellschaftlichen Herausforderungen auch, mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Notwendigkeit. Gerade deswegen sollte neben die Diskussion, welche Maßnahmen sinnvoll und verhältnismäßig sind, eine Debatte darüber treten, wie wir die Folgen unseres Handelns abfedern und minimieren können.


    c)

    An diesem Punkt entzündet sich nicht zuletzt auch die Frage, nach einem konkreten Ziel der Infektionsschutzpolitik. Wir können uns - so hoffe ich aufrichtig - wenigstens darauf verständigen, dass wir in dieser Art und Weise nicht ewig weiter machen können. Wir brauchen eine langfristige Perspektive, wie die von Corona ausgehende Gefahr minimiert und alle Freiheitsrechte der Bürger wiederhergestellt werden können. Sie sagen zwar, es gebe eine Perspektive. Die kann ich jedoch weiß Gott nicht erkennen. Woran machen Sie denn die Lockerungen nun fest? An der Anzahl der Infizierten? An der Inzidenz, dessen Aussagekraft im Übrigen höchst fragwürdig ist, wurde diese doch erst im Wege eines politischen Basarhandels aus der Taufe gehoben? An der Auslastung der Krankenhäuser? Meine Damen und Herren, die Menschen werden diesen Weg nicht lange mittragen, wenn Sie nicht endlich anfangen, Exit-Szenarien zu entwickeln und zu kommunizieren. Unlängst haben nicht unbedeutende Wissenschaftler wie Prof. Dr. Streeck oder Prof. Dr. Schmidt-Chanasit darauf hingewiesen, dass wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Moralisierende Ausführungen, wie sie derweil von der einen oder anderen Seite zu hören sind, helfen hier nicht weiter. Es wird der Zeitpunkt kommen müssen (!), an dem wir Corona nicht mehr als ungeheure Bedrohung, sondern als allgemeines Lebensrisiko betrachten müssen. Für manche mag das zynisch klingen. Allerdings entspricht dies der Praxis, wie wir auch mit anderen Bedrohungen für Leib und Leben umgehen und auch umgehen müssen.


    Wir wissen doch alle, dass eine Mehrheit dieses Hauses der Verlängerung der Maßnahmen vorbehaltslos zustimmen wird. Eine bloße zeitliche Befristung ist aber auch kein Plan, um das so deutlich anzusprechen. Was soll das für ein Leben sein, in dem alles immer und immer wieder geöffnet und wieder geschlossen wird? Welche sozialen und gesellschaftlichen Implikationen sich hieraus ergeben, das werden wir erst in der Zukunft mit Gewissheit feststellen können. Klar ist aber eines. Corona stellt die massivste Zäsur der vergangenen Jahrzehnte deutscher Politik dar und die Politik muss sich dem annehmen und kann nicht einfach sagen, wir machen das so, weil wir meinen die Zahlen geben das her und weil Herr Wiehler, Herr Dr. Drosten und das RKI das so sagen.


    Insofern vermisse ich eine eigene Schlussfolgerung der Antragsteller aus den vorgelegten Daten. Es mag sein, dass die aktuelle Lage in den Krankenhäusern ungünstig ist. Kapazitätsprobleme gab es aber retrospektiv betrachtet immer mal wieder. Das ist eine Gefahr, aber keine Corona-spezifische Gefahr. Umso verwunderlicher ist es dann zu betrachten, dass Kapazitäten in der intensivmedizinischen Versorgung, wie sich aus den Darstellungen des DIV(-Registers) ergibt, seit Sommer des vergangenen Jahres sukzessive abgebaut werden. Hallo? Der Staat baut Intensivbetten ab und begründet seine Eingriffe dann damit, dass die Auslastung so hoch sei? Außer Acht bleibt - leider - nach wie vor, dass die Hospitalisierung vor allem bei älteren und vor erkrankten Menschen besonders hoch ist. Fakt ist, Corona ist - statistisch signifikant - vor allem für Alte und vor erkrankte Menschen gefährlich. Das belegen nicht zuletzt auch die Sterbestatistiken, wonach 80% der an oder mit Corona Verstorbenen betagten Alters sind. Daraus können wir doch als Entscheidungsträger nur eine logische Schlussfolgerung ziehen: Hier muss unser absoluter Fokus liegen! Stattdessen verbieten wir pauschal alles, ohne überhaupt zu wissen, ob etwa Restaurants, Einkaufsläden oder Kultureinrichtungen ein signifikanter Infektionstreiber sind. Anfang November gab es deshalb einen riesen Aufschrei wegen des in Kraft gesetzten Lockdown lights. Nunmehr ist davon aber nichts mehr zu hören. Warum nicht? Wenn die Zahlen es mittlerweile hergeben, die beispielhaft zuvor genannten Einrichtungen als Infektionstreiber anzusehen, dann bitte ich ausdrücklich, dies dem Parlament mitzuteilen.


    d)

    Beenden möchte ich meine Rede mit einer abschließenden Stellungnahme zur nächtlichen Ausgangssperre, an der die Regierungsfraktionen festhalten wollen. Vorab möchte ich dem Parlament mitteilen, dass ich einen Antrag gegen § 3b der Corona-Schutzverordnung beim Obersten Gericht eingereicht habe. Bislang steht eine Entscheidung aus, so dass ich es zumindest für fragwürdig halte, diese Regelung in das hier zu beschließende Gesetz aufzunehmen, ohne die Entscheidung zu kennen. Begründet habe ich den Antrag im Wesentlichen mit der fehlenden demokratischen Legitimation, einer inneren Widersprüchlichkeit der Regelung und der fehlenden Verhältnismäßigkeit. Aus diesseitiger Sicht ist es schon erstaunlich, eine wortgleiche Parallelregelung dieser grob fehlerhaften Ausgangssperre in dem vorgelegten Entwurf wiederzuentdecken.


    Die Antragsteller meinen, es handele sich um eine lediglich flankierende Maßnahme, welche den bisherigen Infektionsschutzansatz unterstreiche und einer relevanten Infektionsgefahr begegne, indem es private Zusammenkünfte, die jedenfalls nach Meinung der Antragsteller erfahrungsgemäß nach 22 Uhr stattfänden unterbinde. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil - wie ich bereits in meinem Antrag ausgeführt habe - nicht der Aufenthalt in der Öffentlichkeit verboten wird, sondern lediglich das Verlassen des eigenen Wohnraums. Die Ausgangssperre führt dazu, dass an sich zulässiges Verhalten, wie das Treffen von maximal fünf Personen aus zwei Haushalten, nach 22 Uhr faktisch unter Bußgeldandrohung pönalisiert wird. Das muss verwundern, ist die Infektionsgefahr vor und nach 22 Uhr doch exakt dieselbe. Bei Lichte betrachtet, könnte die Ausgangssperre sogar dazu führen, dass zulässige Treffen risikoreicher werden. Wenn sich Personen zukünftig vor 22 Uhr, noch dazu in einem geschützten Raum, treffen und dort bis um 5 Uhr verweilen müssen, ist damit die Saat für eine ausschweifende Party gelegt. Infolgedessen werden keine Lüftungen durchgeführt und Abstände nicht eingehalten. Dies ist übrigens, im Gegenteil zu Treffen im Freien, wegen der Unverletzlichkeit der Wohnung noch sehr viel schwerer zu kontrollieren.


    Warum soll ich mich nachts nicht mit einem Freund treffen können, wenn es doch tagsüber erlaubt ist? Auch das Spazierengehen nach 22 Uhr zu verbieten, ist von keiner infektionsschutzrechtlich fundierten Erwägung getragen. Sehr geehrte Damen und Herren, das macht doch keinen Sinn! Warum sollte man Menschen, die sich tagsüber treffen dürfen, dies nachts im Freien verbieten? Im Freien ist die Infektionsgefahr sogar geringer, als in der eigenen Wohnung. Das Ausgangsverbot ist kein ergänzender Beitrag zur Mobilitäts- und Kontaktbeschränkung, sondern grober Unfug. Es ist mir übrigens neu, dass die bloße Mobilität schon eine Infektionsgefahr begründet. Wen juckt es, wenn ich nach 22 Uhr in meinem Auto auf einen Parkplatz fahre und dort die Aussicht genieße? Wen soll das schützen?


    Kein Argument ist die bloße Kontrollierbarkeit. Die Maßnahmen, welche sich auf §§ 28, 32 IfSG und hier in Verbindung mit Art. 80 Abs. 4 GG stützen, haben sich am Zweck der Ermächtigung zu orientieren. Die Tatsache, dass ich eine Maßnahme kontrollieren kann, belegt noch keinen effektiven Nutzen. Ein gegenteiliges Ergebnis stellt einen beachtlichen Ermessensfehler dar.


    Des Weiteren ist es zwar schön, dass es der Staatsregierung und den Regierungsfraktionen wichtig ist, alle erforderlichen Situationen einer Ausnahme von der Ausgangssperre zu unterwerfen. Leider ergibt sich das nicht aus der Verordnung, so dass sich Grundrechtsträger bei Wahrnehmung ihrer grundrechtlich verbrieften Freiheiten dem Risiko ausgesetzt sehen müssen, Beschuldigter in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren zu sein, das bisweilen mit astronomischen Geldbußen enden kann; das Überfahren einer roten Ampel ist dagegen wahrlich ein Kavaliersdelikt.


    e)

    Schließen möchte ich mit der Anregung, den Antrag als Gelegenheit zu einer Grundsatzdebatte zu verstehen und nicht ad hoc das bisherige Konzept der Staatsregierung ohne Auseinandersetzung in der Sache zu übernehmen. Aus diesem Grund muss ich sogar die Fristenregelung jedenfalls für weniger intensive Maßnahmen kritisieren. Dem Infektionsschutz ist nicht gedient, wenn wir heute den Antrag beschließen, das Gesetz planmäßig am 8. Januar - 3 Tage Debatte und Abstimmung - in Kraft tritt, dagegen am 10. Januar wieder außer Kraft treten soll. Dies gilt es ebenso zu überarbeiten.


    Vielen Dank

  • Änderungsantrag


    des Abgeordenten Dr. Konrad Wolff


    Es wird beantragt, § 3b des Thüringer Gesetzes zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2-E ersatzlos zu streichen.

  • Die Debatte ist unterbrochen. Wir stimmen über den Änderungsantrag ab!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Stimmen Sie dem Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Wolff zu? 8

    1. Ja (3) 38%
    2. Nein (4) 50%
    3. Enthaltung (1) 13%

    Änderungsantrag


    des Abgeordenten Dr. Konrad Wolff


    Es wird beantragt, § 3b des Thüringer Gesetzes zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2-E ersatzlos zu streichen.

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Die Frage ist , weshalb Sie sich der Vernunft verweigern. Vernünftig wäre es dem Antrag von Dr. Wolff zuzustimmen!

    Dr. Christian Theodor Felix Reichsgraf Schenk von Wildungen

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages,

    Präsident des bayrischen Landtages a.D.

    Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt a.D.

    Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat des Freistaates Bayern a.D.

    Ministerpräsident des Freistaates Bayern a.D.


    "Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."

    Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

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