Livestream zur Bekanntgabe der Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin | Isabelle Yersin

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    Aufgrund der aktuellen gesundheitlichen Situation, findet die Rede als Livestream-Übertragung statt. Die Zuschauer haben die Möglichkeit, der Kandidatin per Chat-Funktion Fragen zu stellen.




    Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    das Jahr 2020 nähert sich dem Ende. Es war ein Jahr, das sich viele von uns sicherlich ganz anders vorgestellt haben und es war ein Jahr, das uns so noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Anfang diesen Jahres erschütterte die Welt eine Nachricht: "Ein Virus sei ausgebrochen, erste Menschen seien erkrankt." Wer hätte ahnen können, dass ein nicht sichtbarer Gegner die fortschrittlichsten Nationen dieser Erde zum Stillstand bringen könne? Eine Lähmung trat ein, die Ernsthaftigkeit der Lage wurde verkannt, die Gefahr verleugnet, die Politik war überfordert - ein Kampf. Ein Kampf mit sich selbst, ein Kampf ums Überleben, ein Kampf mit dem Gewissen. Wie weit kann man als Gesetzgeber gehen, um die Bevölkerung aktiv vor einer akuten Gefahrenlage zu schützen? Die wohl prägendste Frage für die Politik in diesem Jahr. Eine Frage, die wir zum Glück nicht selbst beantworten müssen. Der Rechtsstaat zeigt uns hier klare Grenzen auf und bildet somit den Schutzwall um die freiheitlich demokratische Grundordnung. Dennoch ist es absolut verständlich als Gesetzgeber den Drang zu verspüren, aktiv in einer Situation, die aussichtslos zu scheinen mag, handeln zu wollen. Auch hier ein schmaler Grad zwischen Aktionismus und rational begründeter Handlungen. Wir waren gezwungen das Leben wie wir es kennen herunterzufahren und auf "Pause" zu drücken. Ein Vorgang, der uns im internationalen Vergleich über einen längeren Zeitraum in unserem Handeln bestätigt hat.


    Doch die Medaille hat zwei Seiten. Neben den Erfolgen, die wir durch unser beherztes Handeln erzielen konnten, gibt es auch Verlierer. Menschen deren Existenzen bedroht oder bereits zerstört wurden, Träume die geplatzt sind. All das sind Herausforderungen, denen wir uns neben den zum Alltag gewordenen Hindernissen während der Pandemie in Zukunft stellen müssen. Neben all diesen negativen Faktoren, stellt diese Ausnahmesituation aber auch eine Chance dar. Die Pandemie hat eine längst vergessene Eigenschaft in dieser schnelllebigen und von Egoismus geprägten Welt in uns reaktiviert: Die Solidarität. Sie zwang uns das eigene Wohl dem Wohle der Gemeinschaft unterzuordnen. Sie hat uns die Scheuklappen heruntergerissen und den Blick für das Wesentliche im Leben geschärft. Es liegt an uns, dieses so unfassbar wichtige soziale Bewusstsein beizubehalten.


    Gleichwohl wir wegen der Corona-Pandemie das öffentliche Leben heruntergefahren haben, drehte sich die Welt weiter. Probleme die vorher existierten, sind nicht verschwunden. Im Gegenteil! Sie werden wohl in den nächsten Jahren so präsent sein wie noch nie. Altersarmut, Arbeitslosigkeit, Rassismus und Intoleranz beherrschen Abseits der aktuellen Blase das Leben von Millionen Bundesbürger:innen.


    Letztendlich können wir alle nur "Lebe wohl 2020" sagen und zuversichtlich in das neue Jahr gehen. Auch wenn das Ende der Pandemie für den Moment noch sehr weit entfernt scheint, wir können das Ziel nun schon sehen. Ein Ziel, welches wir nur zusammen erreichen können. Jeder Einzelne muss seine eigenen Bedürfnisse noch einmal für die Gemeinschaft zurückstellen, nur dann werden wir dieses Ziel erreichen. Wir müssen diese Krise gemeinsam im Verbund meistern. Jedes Leben zählt und muss unter allen Umständen geschützt werden. Der Impfstoff ist der Startschuss, doch ohne Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft weiter aktiv gegen dieses Virus zu kämpfen, wertlos. Deshalb ist es wichtig, auf der Zielgeraden nicht leichtsinnig zu werden.


    Meine sehr geehrten Damen und Herren,


    an dieser Stelle möchte ich meine Kandidatur als Bundespräsidentin noch einmal offiziell machen. Eine Demokratie lebt Abseits von Diskurs auch von Diversität. Es ist also im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswert, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch keine Bundespräsidentin gab. Mit meiner Kandidatur möchte ich diesen Umstand ändern und einen leuchtenden Stern für all die Frauen darstellen, die sich aufgrund ihres Geschlechts täglich auf ein Neues beweisen müssen. Abseits meiner Ambitionen möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die Chance auf ein weibliches Staatsoberhaupt so greifbar wie noch nie zu sein scheint. Durch die Kandidatur der von mir sehr geschätzten Kollegin der Sozialdemokratischen Partei, kann es bei dieser Bundesversammlung keine Verlierer geben. Völlig unabhängig des Wahlausganges, werden wir einen Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik erreichen - und das stimmt mich äußerst glücklich. Diese Wahl ist ein erster - zugegebenermaßen, längst überfälliger - Schritt in Richtung eines modernen, weltoffenen und toleranten Deutschland. Trotz dieses historischen Ereignisses, möchte ich nun auf meine - so Sie denn wollen - erste Amtszeit eingehen.


    Mir ist es wichtig eine Bundespräsidentin zu sein, die sich aktiv in den gesellschaftlichen und auch politischen Diskurs einbringt. Ich möchte kein typischer "Grüßaugust" sein, wie viele vor mir. Die repräsentativen Aufgaben des Bundespräsidenten interpretiere ich offen gestanden anders. Das Amt des Bundespräsidenten stellt in gewissermaßen das Gewissen der Bundesrepublik dar. Das Gewissen wird im Allgemeinen als eine besondere Instanz im menschlichen Bewusstsein angesehen, die bestimmt, wie man urteilen soll und die anzeigt, ob eine Handlungsweise mit demjenigen übereinstimmt bzw. nicht übereinstimmt. Es drängt, aus ethischen, moralischen und intuitiven Gründen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Wendet man dies auf das Amt des Bundespräsidenten an, bedeutet das eine nie dagewesene Offenheit und Transparenz in der von Worthülsen geprägten Diplomatie dar. Ich werde mich nicht scheuen Fehler klar aufzuzeigen und auch anzusprechen, ich werde nichts beschönigen oder wortlos akzeptieren. Ich verspreche Ihnen bedingungslose Aufrichtigkeit. Geben Sie mir die Chance, Ihr Gewissen zu sein.


    Vielen Dank.

  • Es ist interessant, dass die Frau Bundesminister Rechtsstaatlichkeit als tragendes Prinzip der Bundesrepublik und Individualschutz aufgreift und hieraus Schranken des gesetzgeberischen Tuns ableitet. Gleichzeitig muss man doch aber feststellen, dass die Verordnungen der Bundesländer schon am Limit sind. Welche Einschränkungen hätten denn noch kommen sollen, vor denen das Rechtsstaatsprinzip Ihrer Meinung nach geschützt hätte? Faktisch sind den verordnungsgebenden Landesregierungen kaum Schranken gesetzt.


    Ein weiterer Punkt würde mich interessieren. Sie sagen, jedes Lebe müsse um jeden Preis geschützt werden. Halten Sie das nicht für eine naive Vorstellung? Ist Ihnen überhaupt bewusst, welche Implikationen dieser Programmsetz, würde man ihn konsequent verfolgen, für das gesamte Leben - auch abseits von Corona - bedeuten würde? Wenn ja, wie vereinbaren Sie bzw. planen Sie diese Naivität mit dem verantwortungsvollen Amt des Bundespräsidenten zu vereinbaren?

  • Frau Kollegin Yersin,


    eine sehr interessante Rede und Kandidatur. Auch wenn wir im Bundestag, was einige Abstimmungen gezeigt haben, nicht immer einer Meinung sind, so schätze ich Ihre aktive und engagierte Arbeit der letzten Wochen. Gleichermaßen finde ich gut, dass Sie auch zum Zwecke einer gemeinsamen parlamentarischen Arbeit auf uns Linke zugekommen sind und uns in diesem Sinne mit Offenheit und Respekt begegnen. Und das obwohl wir die kleinste Partei hier sind. Das sind meiner Meinung nach wichtige Wesensmerkmal für ein Staatsoberhaupt. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne viel Erfolg bei Ihrer Kandidatur.

  • Es ist interessant, dass die Frau Bundesminister Rechtsstaatlichkeit als tragendes Prinzip der Bundesrepublik und Individualschutz aufgreift und hieraus Schranken des gesetzgeberischen Tuns ableitet. Gleichzeitig muss man doch aber feststellen, dass die Verordnungen der Bundesländer schon am Limit sind. Welche Einschränkungen hätten denn noch kommen sollen, vor denen das Rechtsstaatsprinzip Ihrer Meinung nach geschützt hätte? Faktisch sind den verordnungsgebenden Landesregierungen kaum Schranken gesetzt.


    Ein weiterer Punkt würde mich interessieren. Sie sagen, jedes Lebe müsse um jeden Preis geschützt werden. Halten Sie das nicht für eine naive Vorstellung? Ist Ihnen überhaupt bewusst, welche Implikationen dieser Programmsetz, würde man ihn konsequent verfolgen, für das gesamte Leben - auch abseits von Corona - bedeuten würde? Wenn ja, wie vereinbaren Sie bzw. planen Sie diese Naivität mit dem verantwortungsvollen Amt des Bundespräsidenten zu vereinbaren?

    Ich verstehe nicht was an diesen Worten naiv sein soll, Herr Wolff? Natürlich muss jedes Leben geschützt werden. Ich spreche hier konkret von den Abgehängten unserer Gesellschaft. Geringverdiener, Obdachlose, Menschen die täglich - abseits einer florierenden Pandemie - um das nackte Überleben kämpfen. Gerade diese Menschen gilt es in einer Ausnahmesituation wie wir sie erleben als Gesetzgeber aufzufangen und uns bewusst dazu zu entscheiden jeden, unabhängig von Bildungsstand, Hautfarbe, Glaubensbekenntnis oder Jahresgehalt versuchen aktiv zu schützen. Ein Vorhaben dieser Art, sollte an keinen monetären Faktoren scheitern. Also Ja! Um jeden Preis. Das ist nicht naiv, Herr Wolff. Das nennt man bewusst leben und vor allem: Verantwortung übernehmen. Sie merken hoffentlich, was ich mit diesem Satz versucht habe zu sagen. Ich beneide Ihre Fantasie.

  • Ich verstehe nicht was an diesen Worten naiv sein soll, Herr Wolff? Natürlich muss jedes Leben geschützt werden. Ich spreche hier konkret von den Abgehängten unserer Gesellschaft. Geringverdiener Obdachlose, Menschen die täglich - abseits einer florierenden Pandemie - um das nackte Überleben kämpfen. Gerade diese Menschen gilt es in einer Ausnahmesituation wie wir sie erleben als Gesetzgeber aufzufangen und uns bewusst dazu zu entscheiden jeden, unabhängig von Bildungsstand, Hautfarbe, Glaubensbekenntnis oder Jahresgehalt versuchen aktiv zu schützen. Ein Vorhaben dieser Art, sollte an keinen monetären Faktoren scheitern. Also Ja! Um jeden Preis. Das ist nicht naiv, Herr Wolff. Das nennt man bewusst leben und vor allem: Verantwortung übernehmen. Sie merken hoffentlich, was ich mit diesem Satz versucht habe zu sagen. Ich beneide Ihre Fantasie.

    Wie erklären Sie sich dann, dass gefährliches Tun, von dem wir genau wissen, dass es jährlich Menschen das Leben kosten wird, nach wie vor im Grundsatz, selbst von Linken, geduldet wird? Soweit ich von einem Preis sprach, meinte ich damit nicht nur monetäre Aspekte. Selbstverständlich ist diese Vorstellung naiv. Faktisch müsste Ihre Auffassung zu einem gänzlichem Verbot von potentiell gefährlichen Produkten führen, denn wir müssen Leben ja um jeden Preis retten.

  • Es freut das wir beide schon eines gemein haben, beide wollen wir keine blossen "Grußauguste" sein, sondern aktive Präsidenten.

    Dr. Christian Theodor Felix Reichsgraf Schenk von Wildungen

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages,

    Präsident des bayrischen Landtages a.D.

    Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt a.D.

    Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat des Freistaates Bayern a.D.

    Ministerpräsident des Freistaates Bayern a.D.


    "Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."

    Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

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  • Abseits meiner Ambitionen möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die Chance auf ein weibliches Staatsoberhaupt so greifbar wie noch nie zu sein scheint. Durch die Kandidatur der von mir sehr geschätzten Kollegin der Sozialdemokratischen Partei, kann es bei dieser Bundesversammlung keine Verlierer geben. Völlig unabhängig des Wahlausganges, werden wir einen Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik erreichen - und das stimmt mich äußerst glücklich. Diese Wahl ist ein erster - zugegebenermaßen, längst überfälliger - Schritt in Richtung eines modernen, weltoffenen und toleranten Deutschland.

    Ich danke Dir, liebe Isabelle, dass du hierauf aufmerksam gemacht hast. In der Tat ist die Kandidatur zweier Frauen für das Amt der Bundespräsidentin ein wichtiges und lange überfälliges Signal für die Gleichberechtigung. Ich hoffe, unabhängig des Ausgangs der Wahl, dass damit ein Stein ins Rollen gebracht werden kann und viele weitere Frauen sich ermutigt und empowered fühlen wichtige Positionen zu übernehmen.


    Für die anstehende Wahl wünsche ich Dir viel Erfolg. Ich bin mir sicher, dass Deutschland, ungeachtet des Ergebnisses, eine fähige Bundespräsidentin erhalten wird.

  • Es freut das wir beide schon eines gemein haben, beide wollen wir keine blossen "Grußauguste" sein, sondern aktive Präsidenten.

    Im Gegensatz zu Ihnen jedoch, Herr Wildungen, vertrete ich ein Weltbild eines modernen Deutschlands, das sich seiner Vergangenheit und der damit einhergehenden Verantwortung bewusst ist. Ein Deutschland, das für Toleranz und Weltoffenheit steht. Ein Deutschland, auf das man tatsächlich stolz sein kann. Ich spreche hier von einem Stolz auf die sozialen- und gesellschaftlichen Errungenschaften, nicht den plumpen und antiquierten Stolz, der sich allein durch den reinen Fakt des Geburtsortes begründet, wie Sie ihn vertreten. Ein Vergleich unserer beider Personen ist nicht nur ekelerregend, sondern auch grob falsch, weshalb ich das Gefühl habe hier deutlich werden zu müssen: Die Ideologie die Sie vertreten ist schändlich, menschenverachtend und grundsätzlich abzulehnen. Ihre - erneute - Kandidatur, ist eine Farce.

    Abseits meiner Ambitionen möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die Chance auf ein weibliches Staatsoberhaupt so greifbar wie noch nie zu sein scheint. Durch die Kandidatur der von mir sehr geschätzten Kollegin der Sozialdemokratischen Partei, kann es bei dieser Bundesversammlung keine Verlierer geben. Völlig unabhängig des Wahlausganges, werden wir einen Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik erreichen - und das stimmt mich äußerst glücklich. Diese Wahl ist ein erster - zugegebenermaßen, längst überfälliger - Schritt in Richtung eines modernen, weltoffenen und toleranten Deutschland.

    Ich danke Dir, liebe Isabelle, dass du hierauf aufmerksam gemacht hast. In der Tat ist die Kandidatur zweier Frauen für das Amt der Bundespräsidentin ein wichtiges und lange überfälliges Signal für die Gleichberechtigung. Ich hoffe, unabhängig des Ausgangs der Wahl, dass damit ein Stein ins Rollen gebracht werden kann und viele weitere Frauen sich ermutigt und empowered fühlen wichtige Positionen zu übernehmen.


    Für die anstehende Wahl wünsche ich Dir viel Erfolg. Ich bin mir sicher, dass Deutschland, ungeachtet des Ergebnisses, eine fähige Bundespräsidentin erhalten wird.

    Vielen Dank, Lisa. Es ist gerade in Anbetracht der anderen Kandidaten wichtig, dass wir den Bürger:innen der Bundesrepublik zeigen, dass man als Politiker neben der Verantwortung, die das Amt mit sich bringt auch in einem offenkundigen Konkurrenzkampf gesittet und respektvoll miteinander umgehen kann und sollte. Auch ich wünsche Dir viel Erfolg!