[Hamburg] Große Demonstration für Demokratie

  • Auf dem Rathausmarkt in Hamburg kamen am Abend rund 10.000 Landsleute zusammen, um anlässlich des jüngsten Eklats im Hamburger Landesparlament für demokratische Teilhabe zu demonstrieren. Unter anderem sprach der Allianz-Abgeordnete Grauweiler zu den anwesenden Landsleuten:


    Liebe Landsleute,


    in den letzten Wochen haben zurecht tausende Menschen gegen Rechtsextremismus und für unsere Demokratie demonstriert. Ich habe diese Versammlungen mit großem Respekt begleitet. Zugleich kursierte in der öffentlichen Debatte die Sorge, dass diese Proteste von Linksextremisten unterwandert werden könnten. Für manchen entstand der Eindruck, die Proteste dienten nur als Vorwand, um legitime Meinungsäußerungen im politischen Diskurs einzuschränken. Lassen Sie mich anlässlich der heutigen Versammlung klar sagen: Unsere Zusammenkunft ist der beste Beweis dafür, dass Deutschland bereit ist, sich gegen jedweden Angriff auf unsere demokratische Verfasstheit zur Wehr zu setzen. Danke, dass Sie alle so zahlreich erschienen sind!


    Was wir heute in unserem Landesparlament, der Bürgerschaft, erleben mussten, hat jede Vorstellungskraft gesprengt. Nach langjähriger Tätigkeit in der Justiz bin ich in die Politik gegangen, um all denen eine Stimme zu verschaffen, die links- und rechtsradikales Gedankengut ablehnen und sich nach einer Politik der Vernunft und des Ausgleichs sehnen. Zugleich bin ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass in unserer so pluralistischen Stadt auch ein legitimes Verlangen nach einer linken Kraft im Parlament existiert. Das Ringen um die besseren Ideen für die Zukunft unserer Stadt sollte im kollegialen Miteinander erfolgen. Hart in der Sache, aber fair im Umgang. Fair, das sollte aus meiner Sicht auch bedeuten, dass die parlamentarische Diskussion unter Einhaltung der Spielregeln zu erfolgen hat, die uns unsere so tolle Verfassung auferlegt. Was wir jedoch heute im Parlament erlebt haben, hat mit einer fairen Diskussion rein gar nichts zu tun.


    Der Hamburger Senat hat einen durchaus umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt, um ein sogenanntes Pilotprojekt zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu initiieren. Die inhaltlichen Bedenken gegen das Gesetz möchte ich an diesem Abend außen vor lassen. Wenngleich es in sich widersprüchlich ist, die Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens durch die temporäre Einführung eines gerade unter Bedingungen stehenden Grundeinkommens zu erforschen, so stehen wir heute zusammen, um gegen die inakzeptable Behandlung der Opposition durch die regierungstragende I:L-Fraktion zu protestieren. Es soll verhindert werden, dass wir die gravierenden inhaltlichen Bedenken gegen das Gesetz während der Lesung des Gesetzes vorbringen. Zu diesem Zweck - ein anderer oder gar sachlicher Grund ist nicht ersichtlich - beantragte die I:L, die Debatte sofort zu beenden und umgehend über das Gesetz abzustimmen. Ein sachlicher Diskurs soll so unterbunden werden. Von uns Abgeordneten zu verlangen, binnen weniger Stunden zu einem umfangreichen Gesetzentwurf Stellung zu nehmen, ist völlig inakzeptabel. Dabei ignoriert die I:L nicht nur bewusst, dass die Bürgerschaft kein sogenanntes "Vollzeitparlament" ist, nein, die I:L ignoriert auch die verfassungsrechtlich zwingenden Vorgaben zur ordnungsgemäßen Behandlung eines Gesetzentwurfs. Im Detail: Art. 7 Abs. 1 HmbVerf statuiert den Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe der Abgeordneten an der parlamentarischen Willensbildung. Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Parlament abzustimmen, sondern auch über den jeweiligen Antrag zu beraten. Es genügt dabei nicht, dass die Abgeordneten den Antragsinhalt lediglich zur Kenntnis nehmen können, sie müssen die enthaltenen Informationen auch verarbeiten können. Kurzum: Die Abgeordneten müssen auch die Chance haben, sich eine inhaltlich fundierte Meinung zu einem Antrag bilden zu können. Die Beratungszeit muss also so bemessen sein, dass die Abgeordneten auch die Möglichkeit haben, sich in den Antragsgegenstand einzuarbeiten. Gegen diese Vorgaben wird verstoßen, wenn die Debatte über einen umfangreichen Gesetzentwurf nur einen Tag oder sogar nur wenige Stunden dauern soll. In jedem Fall ist eine Verkürzung der Beratungszeit mit den o.g. Maßstäben unvereinbar, wenn sie nicht sachlich begründet werden kann.


    Bürgermeister Dutschke hat mir gegenüber behauptet, der Antrag wäre gestellt worden, um eine Blockade des Gesetzes bis zur nahenden Neuwahl zu verhindern. Meine Damen und Herren, das ist schlicht absurd. Die von uns beantragte Debattenverlängerung hätte zur Folge, dass das Gesetz spätestens in sechs Tagen von der Mehrheit der Bürgerschaft beschlossen werden könnte. Eine darüber hinausgehende Hemmung geht von unserem Antrag nicht aus. Die nächste Bürgerschaftswahl aber findet erst in rund zwei Wochen statt. Wie soll unser Antrag den Beschluss des Gesetzes also verhindern können? Das ist unmöglich.


    Liebe Landsleute,

    lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal betonen: Wir stehen heute nicht hier, um uns inhaltlich zu dem streitgegenständlichen Gesetz zu positionieren. Wir stehen hier, weil wir der festen Überzeugung sind, dass jedes Mitglied der Bürgerschaft die Chance haben sollte, sich eine Meinung zu einem Gesetzentwurf zu bilden. Eine sorgsame parlamentarische Beratung ist elementar für unseren demokratischen Willensbildungsprozess. Dieses Recht aller Abgeordneten steht nicht zur Disposition einer Parlamentsmehrheit. Wir rufen die I:L dazu auf, ihren demokratiefeindlichen Geschäftsordnungsantrag zurückzuziehen oder gegen ihn zu stimmen, um den Weg frei zu machen für eine faire und angemessene Beratung des vom Senat vorgelegten Gesetzentwurfs. Noch ist es nicht zu spät; noch kann der Angriff auf die parlamentarische Demokratie abgewendet werden.


    Vielen Dank!


    auf Benedikt Grauweiler folgten weitere Redner. Zum Abschluss sang die Menge gemeinsam die deutsche Nationalhymne.

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    8324-rsz-1rsz-1btlogo-png  Mitglied des Deutschen Bundestages & Präsidium


    8328-rsz-wappenzeichen-nrw-farbig-rgb1-png Minister der Justiz, für Umwelt und Klimaschutz NRW

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