Der Parteiencheck zur 18. Landtagswahl in NRW

Grüne/vPiraten:

Seit nunmehr vier Legislaturperioden stellen die Grünen bzw. Piraten den Regierungschef in NRW. Die gemeinsame Liste hat dabei mittlerweile Tradition; unter Politikern der linken Mitte wie Sascha Ende oder Georg Gisy gab es ohnehin kaum nennenswerte Differenzen. Die Krise in der Allianz vergangenes Jahr, die den Rücktritt Liebmanns zur Folge hatte, war für die grünen Piraten ein Glücksfall. So zog die grüne Katharina Haßelmann dreimal in Folge mit wechselnden Mehrheiten, mal links mal bürgerlich, in die Staatskanzlei ein. Nach dem überraschenden Rückzug ebendieser in ihrer dritten Amtszeit folgte ihr Carmen Schmidt, die leider weder in Aktivität noch an Charisma an ihre beiden Vorgängerinnen anknüpfen konnte. Der politische Rückzug Endes und Gisys schwächte die grünen Piraten zusätzlich. Und erst nach zähen Verhandlungen konnte sich Theo Pahlke an die Spitze NRWs durchsetzen. Jedoch tritt Pahlke nicht erneut als Spitzenkandidat an; stattdessen übernimmt Bernd Hacke, der aber im Wahlkampf durchaus mit Aktivität glänzen kann, nicht nur am Ballermann. Doch die Lage ist für die grünen Piraten kritisch; man ist geschwächt und nach vier Legislaturperioden ausgezehrt, die Konkurrenz ist groß und vielfältig wie nie.

Fazit: Die grünen Piraten haben sich lange auf dem sicheren Wahlsieg ausgeruht, wenn sie wieder in die Regierung kommen wollen, müssen sie zeigen, dass sie nicht ausgebrannt sind.


SDP:

Auch die Sozialdemokraten haben in NRW eine gewisse Tradition. Und im Gegensatz zur Bundespartei, in der es in den vergangenen Wochen einigen Wirbel gab, ob man jetzt Mitte, links oder konservativ sei, muss sich der Landesverband dieser Frage nicht stellen; er zählt seit jeher zum linken Rand der SDP. So zählte auch Juliane Linke zu einer der größten Fürsprecherinnen eines Linksrucks innerhalb der Bundespartei. Zuletzt Aufsehen erregte Linke, welche immerhin Innenministerin ist, als sie sich bei Gezwitscher äußerte, die sog. "Klimakleber" nicht zu kriminalisieren sondern in den Dialog zu treten, was insbesondere von Vertretern der bürgerlichen Parteien kritisch aufgenommen wurde, als auch einer vorherigen Aussage ihres Ministerpräsidenten Pahlke (Grüne) entgegen stand. Politische Leistungen innerhalb der Landesregierung konnten allerdings auch die SDP Ministerinnen und Minister nicht verbuchen. Auch im Wahlkampf war die SDP bislang nicht präsent, ein Wahlprogramm ist bisweilen nicht veröffentlicht. Die Sozialdemokraten könnten darauf vertrauen, dass die Wählerinnen und Wähler die linke Integrität im Zusammenhang mit der Bundeskrise der SDP honorieren. Wenn es ihnen gelingt, den schwarzen Peter der inaktiven Landesregierung noch den grünen Piraten zuzuschieben, könnte sie selbige womöglich sogar überholen.

Fazit: Die SDP gehört zu einer festen Größe in NRW. Entscheidend für den Wahlerfolg wird sein, inwieweit man sich von der Landesregierung abheben kann und ob die Wählerinnen und Wähler den Sozialdemokraten ihren jüngsten Linksruck ankreiden.


Allianz:
Auch wenn die Allianz in den vergangenen Legislaturperioden immer eine feste Größe im Landtag hatte; aktiv gesehen hat man sie dort nicht allzu oft. Dabei wäre ein Potential durchaus vorhanden gewesen; als Heimatverband des Bundeskanzler a.D. und nun Bundespräsident Augstein und des als ausgeglichenen Parteivorsitzenden Ernst Haft, noch dazu ohne öffentlich kontrovers wahrgenommene Persönlichkeiten hätte die NRW-Allianz gute Chancen sich als solider Konterpart zu SDP und grünen Piraten aufzustellen. Doch diese Wege wurden bislang nur sehr zögerlich beschritten; Augstein war stets im Bund aktiv - obendrein ruht seine Parteimitgliedschaft nun - und Haft mangelte es an öffentlich wahrgenommener Präsenz. Bisher zeigen sich auch kaum Ansätze, diese Entwicklung zu verändern; ein Wahlprogramm oder Wahlkampf sucht man auch hier vergeblich. Zudem mangelte es in der Vergangenheit an einer entsprechenden Zahl bürgerlicher Partner im Landtag, das könnte sich in dieser Legislaturperiode womöglich ändern (s.u.).

Fazit: Wenn es der Allianz gelingt, aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwachen, könnte sie insbesondere den Sozialdemokraten die Stirn bieten, eine Stärke wie zu Zeiten Liebermanns oder Willenburgs scheint aber weit ab des realistischen.


CDSU:

Was der Allianz die letzten Legislaturen nicht gelungen ist, könnten womöglich die Christdemokraten jetzt schaffen. Die Geschichte der CDSU in den letzten Legislaturperioden ist eigentlich die eines schleichenden Abbaus; unter Allianz und grünen Piraten war man Juniorpartner, insbesondere mit dem damaligen Minister von Hohenelmen-Lützburg auch sehr präsent. doch dann schrumpfte der Landesverband zugunsten der bayerischen Kollegen und schlussendlich reichte die CDSU zur 17. Landtagswahl nicht mal mehr eine Liste ein. Doch dann bescherte ausgerechnet der Linksruck der SDP und die folgenden Austritte von Samira Ashfahdi und Altkanzler Lando Miller den Christdemokraten in NRW personelle Verstärkung. Das veröffentlichte Wahlprogramm und der Wahlkampf lassen keinen Zweifel daran, dass die CDSU sich als die konservative Kraft und damit als größte Konkurrenz zu den grünen Piraten und Sozialdemokraten sieht. Dass dies in Form ehemaliger Mitglieder des Bundesvorstandes der SDP geschieht, entbehrt nicht einer gewissen Unglaubwürdigkeit als auch einer massiven Portion Ironie für die SDP, war doch der Landesverband NRW ein starker Fürsprecher des Linksrucks der SDP (s.o.).

Fazit: Die Chancen der CDSU stehen gut, hat die Allianz auch viel Raum gelassen für bürgerliche Opposition. Das formulierte Ziel, die grünen in der Staatskanzlei abzulösen könnte man jedoch vorsichtig als etwas überambitioniert bezeichnen.


BürgerUnion:

Neben dem Zuwachs für die CDSU hatte der Linksruck der SDP auch ein weiteres Ereignis zur Folge; die Gründung der BürgerUnion, einer One-Woman-Show der ehemaligen SDP-Generalsekretärin Ivanova. Als erste Partei veröffentlichte die BürgerUnion ein ambitioniertes Wahlprogramm, Wahlkampfauftritte und selbstverständlich ihre Spitzenkandidatin Tatjana Ivanova. Wie Ashfahdi (CDSU) jüngst bestätigte, gab es sogar angefachte Gespräche über eine gemeinsame Liste. Das Projekt hätte Potential gehabt; haben Grüne und vPiraten doch bereits vor einigen Legislaturperioden gezeigt, wie man sich so den Posten als stärkste Kraft effektiv sichert. Doch laut Ashfahdi war der CDSU das Projekt nach dem Weggang Ivanovas zu instabil. Doch entgegen der Einschätzung der Journalistin Schreiner-Odenthal ist die BürgerUnion wohl nicht tot, und tritt nun unter Spitzenkandidat Kevin Kaczmarcyk an. So werben aktuell drei bürgerliche Parteien um die Gunst der Wähler. Die Landtagswahl wird die erste Feuerprobe der jüngsten deutschen Partei und könnte das Kräfteverhältnis im Landtag interessant verschieben.

Fazit: Sollte es für eine bürgerliche Regierungsmehrheit reichen, wird die BürgerUnion ein willkommener Partner sein und ihr könnte der Durchstart in die Landesregierung gelingen. Bei knappen Verhältnissen könnte sie hingegen eine willkommene Alternative für bspw. SDP oder grüne Piraten anstelle der CDSU werden.


I:L:

Einige Politikexperten wähnten die Internationale Linke schon im Grab auf dem Friedhof der vergangenen Parteien. Parteiurgestein Ernesto Dutschke sucht man seit Monaten vergebens auf öffentlichen Bühnen, der ehemalige Bundesvorsitzende Goldhammer hat sich nach mehrmaligem Scheitern zur Wahl als Oberster Richter ebenfalls zurückgezogen. Und der Innenminister a.D. van der Speed ist im Zuge des Linksrucks in die SDP eingetreten, was für Spekulationen sorgte, ob verbleibende Internationale Linke ihm folgen würden. Doch entgegen der Ankündigung van der Speeds, Dutschke würde sich äußern, kam erstmal nichts. Doch dann tauchte Ella Löwenstein-Boum wieder aus dem privaten Rückzug auf und warb in einer flammenden Rede um eine stärkere Zusammenarbeit im linken Spektrum. Manch einer deutete dies als Aufruf zu gemeinsamen Listen oder tatsächlich Fusionen. Doch kurz darauf reichte Löwenstein-Boum nun als kommissarische Vorsitzende der I:L die Liste selbiger für die Landtagswahl ein.

Fazit: Eine Stärkung der Linken dürfte insbesondere von der SDP wohl begrüßt werden. Im Falle einer linken Mehrheit könnte man wohl sicher auf die I:L zählen. Die grünen Piraten könnten angesichts der letzen Erfahrungen einer gemeinsamen Regierung eher zurückhaltender sein.


Unser Ausblick:

Die Landtagswahl am Sonntag dürfte eine der spannendsten des gesamten Jahres werden. Nachdem NRW, wie Hamburg und Thüringen die letzten Wochen und Monate in der öffentlichen Wahrnehmung weit hinter Bayern zurückgegangen ist und auch die Landesregierung hier sich nicht mit Ruhm bekleckert hat, steht das Land nun vor einem aufblühenden Neuanfang der Sachpolitik. Einen ersten Vorgeschmack bekamen wir bereits diese Woche, als Löwenstein-Boum (I:L) und Ashfahdi (CDSU) bereits leidenschaftlich über einen Gesetzentwurf für eine Ausbildungsumlage debattierten, obwohl beide nicht einmal stimmberechtigt sind. Wenn das das Niveau ist, auf dem die kommende Legislaturperiode stattfindet, dann haben wir definitiv einiges, auf das wir uns freuen können. Die Wählerinnen und Wähler haben eine Auswahl wie lange nicht mehr: sechs Parteien aus dem gesamten Spektrum stehen auf dem Wahlzettel.

Auch die Regierungsbildung dürfte dementsprechend interessant werden, auch weil es bisher keinerlei Ausschlüsse oder klare Fronten gibt. Und NRW hat schon mit mancher Regierung über politische Lager hinweg überrascht.


Wir freuen uns auf neues politisches Leben in Düsseldorf. Die Wahl wird in jedem Fall ein Sieg der parlamentarischen pluralen Demokratie.

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