Regenborn kommentiert: Krieg im Schatten des Krieges

Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um die Darstellung einer persönlichen Meinung des Ex-Bundeskanzler und Regenbogenverlag-Chefs Alex Regenborn. Die Inhalte dieses Artikels sind daher auf die Meinung des Autors zurückzuführen und erheben nicht den Anspruch einer neutralen Berichterstattung.


Bielefeld. Während die Ukraine in den letzten Tagen einige, wichtige Erfolge im von Russland gestarteten Angriffskrieg verzeichnen konnte, drängt sich unweit Europas bereits ein neuer alter Konflikt auf. Dabei wird deutlich, wie widersprüchlich die Außenpolitik Europas und Deutschlands ist und wie gerne die Gesellschaft wegschaut, wenn etwas nicht um die Ecke passiert.



Der Konflikt

Doch über welchen Konflikt rede ich hier überhaupt? Es ist ein alter und komplizierter Konflikt. Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach dauert nun seit Jahrzenten an. Zuletzt entwickelte sich die Situation vor ziemlich genau zwei Jahren in einen heißen Krieg, als Aserbaidschan Armenien angriff und weite Teile des armenisch besetzen Gebiets zurück erobern konnte.


Damals war es ausgerechnet Russland, das eine vollständige Rückeroberung verhinderte und einen Waffenstillstand durchsetzte. Armenien konnte angesichts der militärischen Stärke Aserbaidschans und des daraus resultierenden Drucks wenig anderes tun, als nachzugeben. Auch, weil Aserbaidschan mit der Türkei – einem NATO-Mitglied – einen mächtigen Verbündeten hat, der schon 2020 seine Finger im Spiel hatte.


Dadurch, das Russland nun aber in der Ukraine beschäftigt ist, nutzt der aserbaidschanische Präsident die Gunst der Stunde und erhöht den Druck auf Armenien. Mit Raketen. Die Reaktion des Westens ist dabei quasi nicht existent – bzw. schießt sie Armenien, einem deutlich demokratischeren Regime als Aserbaidschan, in den Rücken.



Schweigen und Gaskäufe

Der Westen schweigt nicht nur medial nahezu, er unterstützt Aserbaidschan sogar. Trotz zahlreichen, belegten Bestechungen deutscher und europäischer Politiker durch Aserbaidschan, kam Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen erst im August in den Schurkenstaat und beschloss eine Energiepartnerschaft. Mit einem Staat, der das Wort Demokratie noch weniger in den Mund nehmen darf, als Putin. Es ist absurd.


Die fehlende mediale Repräsentation des Konflikts spiegelt sich auch in der Gesellschaft wieder – wahrscheinlich weiß nur ein Bruchteil, von dem neu entbrannten Konflikt. Solidaritätsbekundungen, Friedenforderungen und Co. sind nicht vorhanden – nicht einmal arrogante Forderungen an Armenien, nachzugeben, gibt es. Ich wiederhole mich, es ist absurd.



Veröffentlicht am 15.09.2022 um 06:00 Uhr.

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    Kommentare 8

    • Armenien ist ein Verbündeter Russlands. Und so tragisch der wieder aufflammende Konflikt auch sein mag, in der jetzigen Situation wäre es vonseiten des Westens absolut töricht, Armenien den Rücken zu stärken. Aber mei, da hat Europa halt wieder was wichtiges verschlafen und zugelassen, dass sich Armenien mit Putin ins Bett legt.

      • Aserbaidschan, denen wir den Rücken stärken, ist doch ebenso ein Verbündeter Russlands. Das Argument läuft ins Leere.

      • Also das ist faktisch falsch. Aserbaidschan ist ganz bestimmt kein Verbündeter Russlands. Die Beziehungen haben sich in den Jahren unter Putin zwar verbessert, aber oberstes Gebot ist die eigene Unabhängigkeit und sogar eher in Richtung Westen tendiert. Also wenn man das Land unbedingt politisch einordnen will, dann muss man es mindestens als "neutral" betrachten und in Baku sind die Menschen sogar aus Solidarität zur Ukraine auf die Straßen gegangen.

      • ... und wurden massiv von Polizei und Sicherheitsbehörden behindert.


        Bitte bei der ganzen Wahrheit bleiben, Herr Bundeskanzler.

      • Seit wann spielt es in einem solchen Krieg, wie Aserbaidschan ihn führt, eigentlich eine Rolle, wie gut das angegriffene Land Beziehungen zu ner Schutzmacht hat, ohne die es heute ggf. gar nicht mehr existieren würde. Und wieso tauschen wir unsere Gases von einem Kriegstreiber auf Platz 124 des Demokratieindex gegen den einen Kriegstreiber auf Platz 141 des Demokratieindex ein?


        Das ist doch wirklich absurd. Unter diesen Umständen kann man die EU doch nicht als Wertegemeinschaft betiteln, wenn sie diese schneller ablegt, als sonst was.

      • Ich habe nicht den Krieg gerechtfertigt sondern einfach eine falsche Behauptung klar gestellt. Aserbeidschan ist kein Verbündeter Russlands, Punkt. Und aktuell beziehen wir auch kein Gas aus Aserbeidschan. Worauf Sie hier anspielen ist ein Abkommen der EU, nicht der Bundesrepublik Deutschland.