Der Blasphemieparagraf vor dem Obersten Gericht

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Berlin/Karlsruhe. Womit viele gerechnet hatten, ist jetzt amtlich. Der seit den 1970er-Jahren in seiner jetzigen Fassung geltende sogenannte Blasphemieparagraf, der die "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen" unter Strafe stellt, wird in Karlsruhe vor dem Obersten Gericht überprüft werden. Möglich macht dies eine Popularklage auf abstrakte Normenkontrolle, die von der Bundestagsabgeordneten Irina Christ (Grüne) - eine der schärfsten Gegnerinnen der Norm - eingelegt worden ist. Diese ist am Wochenende in Karlsruhe eingegangen, wie das Oberste Gericht gegenüber der Berliner Allgemeinen bestätigte (Az.: 3 BvT 3/22).


Leidenschaftliche Debatte im Bundestag


Kurz vor Ablauf der Legislaturperiode wurde leidenschaftlich im Bundestag über eine mögliche Abschaffung des § 166 StGB debattiert. Christ machte erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel geltend und führte aus, die Norm sei insbesondere zu unbestimmt, als dass sie verfassungsrechtlich tragbar sei. Der Begriff "beschimpfen" sei zu vage gehalten. Weiter hat sie Verstöße gegen die negative Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit geltend gemacht. Kerstin Siegmann (Grüne) entgegnete prompt und führte aus, die Norm sei notwendig, um Gewalt gegen religiöse und weltanschauliche Gruppen zu verhindern. Der Abgeordnete Matthias Linner (Grüne) pflichtete Christ in den Bedenken zum Bestimmtheitsgebot bei und führte aus, es sei im Zuge dieser Norm für Täter*innen nicht nachvollziehbar, ob ein bestimmtes Handeln strafbar ist. Ernesto Dutsche (I:L) hat seine Unterstützung für den Antrag kund getan, da die Norm nicht mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sei.


Der Inhalt der Klageschrift


Am Ende scheiterte der Gesetzentwurf mit fünf Nein-Stimmen bei vier Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen. Nun zieht Irina Christ nach Karlsruhe vor das höchste deutsche Gericht. Sie macht geltend, die Norm verstoße auf Grund der Unklarheit der Begriffe "beschimpfen" und "öffentlicher Friede" gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Artikel 103 II GG und beantragt, die Norm für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig zu erklären. Ferner stellt sie ein Richterablehnungsgesuch gegen die Richterin Juliane Siebert und beantragt, § 166 StGB im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen. Zu einer inhaltlichen Prüfung der Norm ist es bislang nie gekommen; in der Rechtswissenschaft ist diese jedoch hoch umstritten. Insoweit kann die Entscheidung in der Sache mit Spannung erwartet werden.

    Kommentare 5

    • Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Norm keineswegs umstritten, lediglich rechtspolitisch. Dass die Grünen das Ergebnis einer demokratischen Abstimmung nicht zu akzeptieren vermögen und nun versuchen, ein anderes Ergebnis auf dem Rechtsweg zu erzielen, ist angesichts der Umstände klar rechtsmissbräuchlich.

      • Tatsächlich gibt es schon verfassungsrechtliche Einwände. Inwieweit diese dann auch gerechtfertigt sind, wird das OG dann klären. Den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Handelns weise ich an dieser Stelle entschieden zurück.

      • Natürlich gibt es verfassungsrechtliche Einwände. Diese Feststellung ist ja nun denklogisch zwingend, weil Sie ebenjene erhoben haben. Dass Sie mit Ihrer Klage parteipolitische Zwecke verfolgen, zeigt schon die Tatsache, dass Sie gegen § 130 I StGB nicht dieselben Bestimmtheitszweifel hegen, nimmt die Norm doch in gleicher Weise wie § 166 I StGB Bezug auf den öffentlichen Frieden. Dass § 166 I StGB gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, wird in der Rechtswissenschaft jedenfalls an keiner führenden Stelle behauptet.

      • Naja, hinsichtlich § 130 I StGB beträfe dies auch die Formulierung "öffentliche[r] Frieden", die m. E. das Hegen von Bestimmtheitszweifeln rechtfertigen lässt. Sollte das OG die Formulierung "öffentlicher Friede" nicht akzeptieren, wird es auch einer Überarbeitung von § 130 I StGB und weiteren Normen, die diese aufnehmen, bedürfen. Ob die Bestimmtheitszweifel, sowohl den "öffentlichen Frieden" als auch die "Beschimpfung" betreffend, gerechtfertigt sind, wird - wie gesagt - das OG entscheiden.

      • hi wie kann ich einer patei beiterten