Schwelender Macht- und Richtungskampf in der SDP – Jan Friedländer angezählt

Rückblick: Spektakulärer SDP-Bundesparteitag im Herbst


Es ist ein kühler Montagabend - im Oktober, kaum verwunderlich. Bielefeld. Bundesparteitag der Sozialdemokraten am 18. Oktober 2021. Alex Regenborn, zu diesem Zeitpunkt Bundeskanzler einer SDP-Minderheitsregierung, sollte feierlich zum Kanzlerkandidaten gekürt und die Wiederwahlkampagne in Schwung gebracht werden. Das geschah zwar auch, aber von „feierlich“ konnte nicht mehr die Rede sein. In zwei Reden gaben Egon Schuhmacher und Parteiurgestein Sylvie Jachère-Wessler latent Kritik von sich. Der Tenor: Die Partei entfernte sich zu sehr von der bürgerlichen Mitte, vergäße diese und wäre nicht mehr mehrheitsfähig. Wenige Tage zuvor gab es bereits parteiinterne Spannungen, als der sogenannte „Düsseldorfer Kreis“ ausgerufen wurde. Die Antwort des eher linken Parteiflügels ließ nicht lange auf sich warten: auf dem Parteitag wurde die sogenannte „Sozialistische Plattform“ ausgerufen – die Anhänger des Düsseldorfer Kreises sahen sich sogleich gezwungen, diesen nur wenige Tage später öffentlich zu machen. Die Reaktion der Öffentlichkeit ließ nicht lange auf sich warten: insbesondere Anhängerinnen und Anhänger der Grünen zeigten sich irritiert von der Spaltung. Man bemühte sich in der SDP um Schadensbegrenzung, doch das PR-Desaster war bereits angerichtet, die Wunden bereits entstanden. Tage später erreichte die SDP noch knapp 36 Prozentpunkte in den Umfragen – Höhen, von denen sie heute noch träumen könnten. Nach der Wahl traten Alex Regenborn und Vizeparteichefin Ricarda Fährmann zurück, nachdem die Gespräche mit den Grünen gescheitert waren. Später sollte die Große Koalition zwischen SDP und Allianz unter Herbert Müller zerbrechen und die größte Austrittswelle, die die Partei jemals erleben sollte, die SDP heimsuchen. Grund einerseits vor allem das impulsive, zunehmend autoritär geprägte Verhalten des Altkanzlers, andererseits aber auch der Druck aus der Partei heraus – auch hier haben sich die Fronten entlang der beiden Anhänger*innenschaften gebildet.


Der Schein trügt: vom schwelenden Macht- und Richtungskampf in der SDP


Nachdem die einst so stolze Sozialdemokratische Partei auf dem Boden lag, scheint es jetzt wieder aufwärts zu gehen. So sehen es jedenfalls zwei Umfrageinstitute: vPhoenix und OWAZ – vor allem das letztere Medium gilt allerdings als SDP-nah – sehen die SDP zwischen 28 und 30 Prozent. Nachdem Jan Friedländer nach Angaben der Zeitung „Der Donnerstag“ zum Bundesvorsitzenden der SDP gewählt worden ist, mag er einigen als aussichtsreicher Kanzlerkandidat gelten. Doch Jan Friedländer hat vor allem mit zwei Problemen zu kämpfen: in der Bevölkerung ist er eher unbeliebt und landet unter anderem in der neuesten Erhebung der Berliner Allgemeine mit 24,1 Prozent hinter Marko Kassab (Allianz) mit 31 Prozent und Kerstin Siegmann (Grüne) mit ebenfalls 31 Prozent zurück. Das könnte ihm und seiner Partei einerseits zum Verhängnis werden.


Doch neben seinen persönlichen Umfragewerten haben er und die Sozialdemokratische Partei mit einem noch viel größeren Problem zu kämpfen: in der Partei schwelt ein neuer Macht- und Richtungskampf. Es gibt nicht wenige, wie man aus SDP-Kreisen hört, die mit dem neuerlichen Kurs der Partei nicht einverstanden sind. So wurde in der Partei darüber abgestimmt, ob die Auslieferung von Assange verurteilt werden soll. Eine Mehrheit lehnte dies, wie Parteichef Jan Friedländer und Ex-SDP-Chef Stefan Herzinger, ab. Hundert Milliarden Sondervermögen und weitere Projekte, die bei Mitgliedern, die eher dem linken Flügel der Sozialdemokratie angehören, nicht gut ankommen. Und vor allem geht es aber auch um Köpfe: Jan Friedländer, Lando Miller, Stefan Herzinger, das sind Figuren, die bei den unzufriedenen Mitgliedern der SDP nicht gut ankommen.


Nur eine Stimme Vorsprung für Lando Miller im zweiten Wahlgang des möglichen Showdowns


Wie unzufrieden diese sind, zeigt sich schon an Gerüchten über eine Abspaltung, etwa durch Gründung einer neuen Partei oder durch Übertritt zur Internationalen Linken, wie es aus informierten Kreisen heißt. Und darüber könnte Jan Friedländer wieder stolpern. Dass diese Gruppe nicht klein ist, zeigt die Wahl des Generalsekretärs der SDP, die nun in die dritte Runde gehen wird. Parteigröße Alex Regenborn, der zwei der drei besten Ergebnisse – darunter das einzige Ergebnis der SDP, das über 40,0 Prozent lag - in der Geschichte der SDP einfahren konnte, viermal Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewesen, tritt gegen Hamburgs Ersten Bürgermeister Lando Miller an. Beim ersten Wahlgang gab es einen Gleichstand, beim zweiten führt Miller nur knapp mit einer einzigen Stimme vor Regenborn. Für einen amtierenden Ersten Bürgermeister und einen amtierenden Generalsekretären sicher kein gutes Ergebnis. Nun geht es in die Stichwahl. Miller, so heißt es, steht für die Friedländer-SDP, die durch konservativ angehauchte Positionen wie das Nein zur Verurteilung der Assange-Auslieferung oder Forderungen nach einem Bundeswehr-Sondervermögen Positionen einnimmt, wie sie einst der Düsseldorfer Kreis, der das Anfang vom Ende von zehn Bundestagswahlen mit Ergebnissen über 20,0 Prozent bedeutet hat, vertreten hätte. Man munkelt, Lando Miller passe besser zur Allianz als zu einer Sozialdemokratischen Partei. Unabhängig von politischen Ansichten soll Miller, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, keinerlei Engagement für seine Partei als Generalsekretär gezeigt haben. Möglicherweise könnte eine Wahl von Lando Miller die Eskalation des schwelenden, latenten Konfliktes zwischen der unzufriedenen Gruppe um Alex Regenborn, der bei der Wahl zum Generalsekretären stets 40,0 Prozent oder mehr der Stimmen erhalten hat und die somit großen Einfluss auf die Chancen von Jan Friedländers Wahl zum Bundeskanzler hat, bedeuten.


Es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zur Spaltung in Folge der Wahl des Generalsekretärs kommt. Klar ist nur eines: Jan Friedländer wird Zugeständnisse machen müssen – und zwar erhebliche, wenn er wirklich von seiner Partei in das Kanzleramt getragen werden will.

    Kommentare 4

    • Die SDP ist nur noch der Düsseldorfer Kreis. Die linken Kräfte sind längst ausgetreten oder haben sich zurückgezogen.

    • Wir sind uns bei einem Thema nicht einig und daraus wird hier ein "Richtungsstreit" gesponnen? Lächerlich. Bei uns werden solche Dinge ausdiskutiert und dann zu den Akten gelegt. Das ist in einer demokratischen Partei Alltag.

    • Da muss ja wahrlich jemand einen Narren an mir oder der SDP gefressen haben. ;)