Experiment GroKo - Nordrhein-Westfalen probiert's

Bielefeld. Bisher hatte sich die SDP vor einer Zusammenarbeit mit der Allianz gedrückt, nun wird es in Nordrhein-Westfalen eine Große Koalition mit der Allianz geben. Dass das gerade in der Heimat von Alex Regenborn, Parteichef und Bundeskanzler, passiert, dürfte ihn nicht allzu sehr freuen.


,,Ich kann nur dringend empfehlen, diesem Koalitionsvertrag zuzustimmen'', sagt Stefan Herzinger, Spitzenkandidat in NRW, zu seinen Genossinnen und Genossen bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Eine derartige Euphorie bei einer Zusammenarbeit mit der Allianz ist ungewöhnlich, vor allem in einer Partei, die beim jüngsten Bundestagswahlkampf hart und häufig gegen die Allianz schoss. Doch diese Koalition wird von einigen als Novum angesehen, als ein Experiment, dass man eingehen muss, um koalitionsfähig zu bleiben und alle Schichten der Bevölkerung abbilden zu können. Es sind die Worte des Düsseldorfer Kreises, deren Mitglieder, man mag es am Namen erahnen, vor allem in Nordrhein-Westfalen leben.


Doch der Weg zu der Koalition mit der Allianz war keiner, den alle im Landesverband so klar wollten. Es gab einige Stimmen aus dem Lager der Sozialistischen Plattform, die alternative Koalitionen mit Blick auf die reale Sitzverteilung forderten. Diese Stimmen wurden teilweise so ignoriert wie Martin Mondtods Frage, warum die SDP nicht mit den vPiraten sondieren wollte. Erst als der Landes- und Bundesvorsitzende sowie weitere Vorstandsmitglieder sich aktiv in die Diskussion einmischten, wurde darüber wirklich diskutiert. Da es eine Entscheidung des Landesverbands war, brachte das allerdings nicht viel. Dieser entschied sich klar und deutlich für Koalitionsverhandlungen mit der Allianz.


Der Umgang mit den Piraten führte bei einigen Landesverbandsmitgliedern ebenfalls zu Unmut. Kritisiert wird, dass man die Piraten, die in einer schwierigen Situation des Landesverbands - als praktisch niemand mit ihnen koalieren wollte - zur Hilfe kamen, nun einfach fallen lasse, wenn man sie nicht mehr wirklich brauche, um zu regieren. Die verhandelnden Personen hielten dagegen und erklärten, man habe mit den Piraten wenig umgesetzt und die letzte Regierung sei inaktiv gewesen - etwas, wofür die andere Seite wiederum Kai Baum und die Inaktivität der SDP als Gründe sieht.


Kritik kommt auch von außen


Heftige Kritik am Koalitionsvertrag kam dann auch von den Grünen, die verschiedene Aspekte kritisierten und die sozialpolitischen Vorhaben als zu schwach ansehen. Dr. Kerstin Siegmann fand dabei deutliche Worte. "[...] aber das ist kein Programm, welches das Leben hier in NRW besser oder gar gerechter machen wird", erklärt Siegmann in der Pressekonferenz der SDP NRW. Und auch Siegmann spielte in ihrer Kritik auf den Düsseldorfer Kreis an und vermutet vor allem ihn hinter dem Koalitionswillen.


Die Lage innerhalb des Landesverbands ist angespannt. Offiziell ist bisher nur ein Mitglied der Sozialistischen Plattform in Nordrhein-Westfalen beheimatet. Vom Düsseldorfer Kreis gibt es in Nordrhein-Westfalen gleich vier offizielle Mitglieder. Noch dazu ist das einzige Mitglied gleichzeitig auch Landes- und Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat der SDP. Regenborn kann es sich also nicht erlauben ein großes Fass aufzumachen und den Landesverband - der ihm nebenbei auch seine Direktmandate sichert - gegen sich aufbringen.


Die Sozialdemokratische Partei und ihre Flügel scheinen vor allem - vielleicht auch nur - in Nordrhein-Westfalen eine wirkliche Rolle zu spielen. Und dort sieht es so aus, als hätte der Düsseldorfer Kreis die Übermacht gewonnen. Die Frage die sich für die Zukunft stellt: Wird Regenborn es trotzdem schaffen, an der Spitze von der SDP Nordrhein-Westfalen zu bleiben?



Veröffentlicht am 02.11.2021 um 19:49 Uhr

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    Kommentare 1

    • Interessanter Artikel.

      Kleine Ergänzung allerdings. Der DK muss nirgendwo zur Übermacht werden. Vielmehr sind es die vielen Individuen mit ihren ganz eigenen Meinungen zu verschiedenen Sachen die innerparteilich für Mehrheiten gegen oder für eine Koalition sorgen. Natürlich kann es vorkommen dass sich viele dann in Strukturen organisieren, die Politiker und Politikerinnen mit ähnlichen Meinungen verbinden. So geschehen bei Sozialistischer Plattform und dem Düsseldorfer Kreis. Diese Tatsache ändert aber nichts daran, dass ob ein bestimmter Flügel irgendetwas möchte in erster Linie vollkommen egal ist, da es in der SDP wie in allen anderen demokratischen Parteien Mitgliedermehrheiten für Vorhaben, wie zum Beispiel einen Koalitionsvertrag, braucht.