Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Deutschland und somit auch im Freistaat Bayern ist im europäischen Vergleich sehr gering. Dabei sind die Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretungen das wichtigste Glied in der Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Es ist dabei jedoch nicht davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer generell einfach kein Interesse an einer Vertretung hätten, dies gleich vorweg. Wie kommt es nun also zu einem solch geringen Organisationsgrad? Ich möchte drei Gründe hierfür aufzeigen.
1. Durch den Strukturwandel sind die Arbeitnehmerzahlen im traditionell stark gewerkschaftlich organisierten sekundären Sektor rückläufig. Zulauf erhält daher mittlerweile fast ausschließlich der tertiäre Sektor, der traditionell eine geringe gewerkschaftliche Organisation vorzuweisen hat. Abseits von großen Betrieben zählen hierzu nämlich auch viele kleinere Betriebe, die oft nicht mal über einen Betriebsrat verfügen. Die Anknüpfungspunkte sind also anders als im sekundären Sektor quasi nicht vorhanden.
2. Die finanzielle Situation darf auch nicht unbeachtet bleiben. So verlangt beispielsweise die größte Gewerkschaft des Dienstleistungssektors "ver.di" mittlerweile einen Mitgliedsbeitrag in Höhe von einem Prozent des Bruttoeinkommens. Legt man hier das deutsche durchschnittliche Bruttoeinkommen von 4.105 Euro brutto zu Grunde, käme man zu einem Mitgliedbeitrag von über 41 Euro. Selbstverständlich überlegen sich daher viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ob sie eine solchen Beitrag zahlen möchten oder doch lieber gewerkschaftslos bleiben.
3. Die Gewerkschaften sind mittlerweile schwer zugänglich. Sie bewegen sich in komplizierten Strukturen und wirken nach außen hin oft schlicht und ergreifen "alt", besonders auch wenn man sich die Gewerkschaftsfunktionäre ansieht. Viele junge Menschen zieht das nicht unbedingt an, wodurch gerade bei den Berufseinsteigern die Bereitschaft zu einem Beitritt in der Gewerkschaft deutlich geringer ist.
Nun könnte man sagen, dass diese Probleme im Grunde ja Probleme der Gewerkschaften sind. Wie eingangs erwähnt bilden die Gewerkschaften jedoch das wichtigste Glied in einem Streit um bessere Arbeitsbedingungen. Ein abfallender gewerkschaftlicher Organisationsgrad führt im Umkehrschluss dazu, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine angemessene Vertretung mehr erfahren. Das Saarland und die Freie Hansestadt Bremen haben dieser Entwicklung jedoch präventiv gegengesteuert und das, wie ich finde, sehr erfolgreich. Der vorliegende Entwurf übernimmt das bremische Modell einer Arbeitnehmerkammer zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen gegenüber politischen Entscheidungsträgern und stellt gleichzeitig sicher, dass den Gewerkschaften nicht "der Rang abgelaufen wird". Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich nun Sorgen über die finanzielle Belastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern machen, kann ich nur sagen, dass es ja in der Hand der Staatsregierung liegen wird, die Mitgliedsbeiträge zu beeinflussen. Die Erfahrungen aus dem Saarland und Bremen haben zumindest gezeigt, dass bereits ein minimaler Beitrag ausreicht, der sich auf der Abrechnung so gut wie überhaupt nicht bemerkbar macht.
Ich kann daher nur dazu aufrufen dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.
Vielen Dank!