Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es gibt viele Themen, die die Menschen in Bayern so wirklich bewegen. Schwierige Gesundheitsversorgung auf dem Land, Schutz von Wald und Wiesen, Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, die proaktive Gestaltung der Verkehrs- und Energiewende, beste Bedingungen für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, die Erholung der Kultur, nachhaltiger Tourismus, Förderung des Breitensports - die Menschen in Bayern politisieren sich an vielen Sachentscheidungen. Es gibt so viel, worüber wir hier diskutieren sollten, weil es den Menschen in Bayern wichtig ist. Die Antifa ist ganz sicher keines dieser Themen. Fragen wir die Menschen in den Landkreisen Rottal-Inn, Aichach-Friedberg oder Haßberge, was sie so wirklich umtreibt. Die Antifa? Ich weiß ja nicht. München, Nürnberg, Fürth - dann haben wir von den etwa 700 bekannten Linksextremisten wahrscheinlich schon einen ordentlichen Teil abgedeckt. Wir haben in Bayern viele Probleme, Linksextremismus zähle ich nur bedingt dazu.
Doch lassen Sie mich zunächst eine Unterscheidung treffen. Antifa und Linksextremismus können nicht synonym verwendet werden. Weil es Linksextremismus partiell verharmlosen würde. Wir müssen doch trennscharf in dieser Sache arbeiten. Ein antifaschistischer Lesekreis in Landshut ist keine Gefahr für die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung. Das möchte man vielleicht bei einigen Vertretern der Allianz nicht wahrhaben wollen, aber ja, auch ein antifaschistischer Lesekreis in Landshut ist die Antifa. Die Antifaschistische Aktion kann man nämlich nicht auf einen Nenner herunterbrechen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wurde mal gebeten, sich darum zu kümmern, weil gefragt wurde, ob die Antifa eine kriminelle oder terroristische Organisation im Sinne von §§ 129, 129a StGB sein kann. Es fehlt aber gerade an diesen klaren organisatorischen Strukturen. Daher sei es eben auch nur möglich einzelne Gruppen zu überwachen, zu verfolgen, zu bestrafen. Sehen Sie, hier sind wieder bei diesen ominösen Einzelfällen. In anderen Fällen sind bürgerlich-konservative Kommentatoren deutlich umsichtiger mit dem Phänomen "Einzelfall" umgegangen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Der antifaschistische Lesekreis in Landshut jedenfalls darf jetzt keine Sticker, Fahnen oder T-Shirts mit dem Logo der Antifa tragen. Das ist jetzt verboten. Findige antifaschistische Gastronomen sollten sich gut überlegen, ob sie ein Antifa-Café im unterfränkischen Miltenberg eröffnen sollten, oder ob sie das jetzt vielleicht doch eher im 30 Minuten entfernten südhessischen Erbach tun. Dort dürften sie sogar eine Antifa-Fahne aufhängen. Dieses Gedankenbeispiel krankt an zwei Variablen. Variable 1: Niemand käme auf die Idee im unterfränkischen Miltenberg ein Antifa-Café zu eröffnen, weil die Menschen dort ganz andere Sorgen haben, und sich ein Antifa-Café dort vermutlich nur bedingt rechnet. Variable 2: Was bringt uns dieser Erlass, wenn er nur in Bayern gilt? Er ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben wurde. Mensch mein Gott, dann überlegen die sich jetzt hier halt neue Symbole oder nehmen Symbole, die nicht verboten wurden. Das bringt uns zum nächsten Punkt.
Jetzt nehmen wir mal an, dieser Erlass trifft die Linksextremen in Bayern erheblich. Also erstens war dieser Erlass ja mal absolut kontraproduktiv. Manchmal muss man Geister nicht rufen, nur um zu zeigen, wie toll man dann durchgreifen kann, wenn man sie gerufen hat. Da ging es richtig zur Sache in München. Da wurden Sicherheitskräfte verletzt, da wurden Menschen beschimpft und bedroht, da entstand ein erheblicher Sachschaden. Warum entstand dieser Sachschaden? Ich sage mal ganz einfach: Dieser Sachschaden entstand, weil die Staatsregierung zeigen wollte, wie entschlossen sie gegen Linksextremismus vorgehen kann, wenn sie denn will. Kathrin Hirsch hat also die linksextremen Geister gerufen, die linksextremen Geister haben nicht auf sich warten lassen. Tolle Nummer, was machen wir als nächstes? Verbieten wir Moscheen in Bayern, weil es radikale Muslime gibt? Wie können wir Reichsbürger eigentlich am besten provozieren? Was hat die Staatsregierung für Querdenker und Neonazis in petto? Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Erlass hat uns in der Bekämpfung von Linksextremismus mal so überhaupt gar nicht nach vorne gebracht. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir müssen uns mit den Feinden unserer Demokratie anlegen und es ist auch absolut richtig unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Sie müssen aber doch gut begründet sein und sie müssen vor allem einem Sachzweck dienen! Es ist niemand linksextrem geworden, weil die Antifa-Rita aus Neu-Ulm ihren Antifa-Sweater trägt. Niemand wird dadurch zum Linksextremen. Mir ist auch noch nicht aufgefallen, dass Antifa-Socken jetzt bei C&A ein toller Renner wären. Sehen Sie, wenn wir Linksextremismus bekämpfen wollen, dann lassen Sie uns bitte woanders anfangen. Wir müssen die Aussteigerprogramme evaluieren, wir müssen schauen, wo die Landesmittel und die Bundesmittel hingehen. Herr Fürst, ich weiß nicht, ob das immer so super ist, wenn wir mit Bundesmitteln "lockere, organisatorische Strukturen" wie die der Antifa und ihren Einzelgruppen fördern. Da müssen wir jedenfalls gut dahinter sein. Wir müssen sensibilisieren und wir müssen ganz sicher auch noch mal in die Curricula gehen. Wir brauchen bessere und fundamentalere Aufklärung über Sowjetunion und DDR. Wir müssen kommunistische und sozialistische Ideologien im Unterricht stärker besprechen, genauso wie wir nationalsozialistische Ideologien besprechen. Wir müssen Denklogiken offenlegen und den allgemeinen Bildungsstand in dieser Hinsicht erhöhen. Wir müssen uns die Gewaltpotenziale und die Gewaltstrukturen genau anschauen, brauchen umfassende und gute Lagebilder und gut geschulte Sicherheitsbehörden. Wir brauchen aber keinen Provokationserlass. Wissen Sie, Konfrontation tut nicht immer Not. Wir hätten hier auch die Klügeren sein können. Müssen wir aber nicht, können wir jetzt auch nicht mehr. Ein brennendes Auto kann man nicht mehr löschen und wenn man es löscht, bleibt halt trotzdem ein kaputtes Auto. Das wissen wir als Landespolitik nach den Erlebnissen in München ganz sinnbildlich, die BMW- und Mercedes-Fahrerinnen in München wissen es jetzt vermutlich ganz praktisch. Das war jedenfalls keine gute Lösung.
Die nächste Kurve bringt mich jetzt zum Antrag. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel jetzt wieder heraus? Ich glaube, wir müssen diesen Erlass zurücknehmen. Ich halte ihn für grundfalsch. Spiritus kippt man schließlich nur auf Kohle, wenn man weiß, dass man die Flammen kontrollieren kann.
Um es mit Nico Santos zu sagen: Liebe Staatsregierung, This is what you get when you play with fire!
Dem Antrag ist zuzustimmen. Wir brauchen bessere Lösungen in der Extremismusbekämpfung.
Herzlichen Dank!