BMJ | Bundesminister DuMont: Klare Absage an verdachtsunabhängige Massenüberwachung in Form der EU-Chatkontrolle

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    – Pressemitteilung


    IIIIIIIII DuMont vor JI-Rat-Treffen: Klare Absage an verdachtsunabhängige Massenüberwachung in Form der EU-Chatkontrolle


    Bundesminister der Justiz Emmanuel Oswin DuMont positionierte sich anlässlich des für den 19. und 20. Oktober anberaumte Treffen des Rat der Justiz- und Innenminister zur geplanten Verabschiedung der Verordnung über die Prävention und Bekämpfung von CSAM-Inhalten ("Child Sexual Abuse Material") zum jüngsten Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft vom 10. Oktober 2023 deutlich:


    "Auch die aktuelle Iteration des Vorschlages zunächst die Kommunikation sämtlicher Unionsbürger "nur" nach Hashwerten von bekanntem Missbrauchsmaterial zu scannen und erst später die aktuell technologisch noch nicht ausgereifte Möglichkeit unbekanntes Bildmaterial und Unterhaltungen zu ermitteln erst in einem späteren Stadium einzuführen vermag die fundamentalen Probleme des Gesetzgebungsverfahrens nicht auszuräumen.


    In Absprache mit meinen Kollegen Bundesminister des Inneren Dr. Georg Gorski und Bundesminister für Digitales Ernst Haft ist die Position der Bundesregierung eine eindeutige Ablehnung des Entwurfes, insbesondere unter Berücksichtigung folgender Punkte:


    Zunächst einmal würde er die Integration von Überwachungsfunktionen und Schwachstellen in derzeit sicher verschlüsselten Messenger-Apps wie Whatsapp oder Signal erfordern. Dies hätte zur Folge, dass die bisherige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht mehr gewährleistet wäre. Dies wiederum würde unsere Sicherheit beeinträchtigen, da wir nicht mehr sicher sein könnten, dass unsere Nachrichten oder Fotos nicht an unbekannte und nicht vertrauenswürdige Dritte weitergeleitet werden. Dieses sogenannte "client-side scanning" würde entweder unsere Kommunikation erheblich unsicherer machen oder dazu führen, dass europäische Bürgerinnen und Bürger WhatsApp oder Signal überhaupt nicht mehr nutzen könnten.


    Zweitens würde die vorgeschlagene weitreichende Massenüberwachung der privaten Kommunikation von Millionen von unschuldigen Bürgern, die keinerlei Verbindung zu Straftaten haben, höchstwahrscheinlich vor Gericht scheitern. Dies würde die Hoffnungen von Kindern und Opfern zunichtemachen. Nicht nur die Einschätzung des BMJ, sondern auch unabhängige Rechtsexperten, sowie der juristische Dienst des EU-Rates selbst sind sich einig, dass eine willkürliche Überwachung privater Nachrichten nicht mit den Grundrechten der EU-Bürger und der Rechtsprechung des EuGH vereinbar ist. Dies bedeutet, dass wir erneut wertvolle zeitliche Ressourcen im Kampf gegen CSAM-Inhalte verschwenden, in dem wir über Entwürfe debattieren, welche technisch und rechtlich nicht tragbar sind und spätestens in Folge einer gerichtlichen Kontrolle wieder zurückgenommen werden müssen. Die befürchtete gesetzliche Lücke durch Auslaufen der bisherigen Regelungen lässt sich nur durch die Verabschiedung eines mit geltendem Recht zu vereinbarenden Entwurf verhindern.


    Drittens würde das willkürliche Scannen von Nachrichten dazu führen, dass Kinder in großem Umfang kriminalisiert werden. In Deutschland sind beispielsweise 40% der Tatverdächtigen im Zusammenhang mit "Kinderpornografie" minderjährig. Jugendliche sind sich oft nicht bewusst, dass sie für scheinbar harmlose Inhalte, die sie über Chat-Kanäle erhalten, strafrechtlich belangt werden könnten.


    Viertens wäre die Suche nach bereits bekannten, also älteren Materialien nicht hilfreich bei der Identifizierung und Rettung von Opfern oder der Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch. Es würde vielmehr die Strafverfolgung erschweren, da Kriminelle auf sichere, dezentralisierte Kommunikationskanäle ausweichen könnten, die selbst mit gerichtlicher Genehmigung nicht abgehört werden können. Obwohl einige US-amerikanische Unternehmen wie Meta heute bereits Nachrichten nur nach "bekanntem Material" scannen, werden bis zu 80 % der gemeldeten Nachrichten von der Polizei als nicht strafrechtlich relevant eingestuft. Dies bringt zunächst unschuldige Bürger in Verdacht. Die Kommission geht davon aus, dass die Zahl der gemeldeten Nachrichten aufgrund der zukünftig obligatorischen Chatkontrolle stark zunehmen wird. Unter der berücksichtigten Fehlerquote würde dies die Strafverfolgungsbehörden noch stärker überfordern, die bereits mit gezielten oder verdeckten Ermittlungen gegen die Hersteller solcher Materialien und den laufenden sexuellen Kindesmissbrauch zu kämpfen haben.


    Ebenso ist wie so häufig zu beobachten, dass derartige Maßnahmen zunächst zum Schutz von Kindern und der Bekämpfung von CSAM-Inhalten herangezogen wird. Die Bundesregierung sieht dieses Ziel im aktuellen Entwurf nicht im Ansatz verwirklicht. Nicht nur dies: Die Bundesregierung befürchtet, dass die Verabschiedung dieses Entwurfes einen Präzedenzfall darstellt, welcher in der anlasslosen Massenüberwachung von Millionen von deutschen und europäischen Bürgern zum Schutz von weitaus weniger relevanter Güter herangezogen wird. Hierzu wird auf die entsprechenden Vorschläge von Europol verwiesen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor nach denen die Prävention oder Strafverfolgung durch derartige Maßnahmen wesentlich erleichtert worden wäre.


    Die Verabschiedung dieser Verordnung würde nicht nur das Ende anonymer Kommunikation und die Möglichkeit anonymer Hinweise aufgrund der obligatorischen Altersüberprüfung bedeuten. Auch droht ein Verbot von gängigen Messenger-, Social-Networking-, Spiele- und Videokonferenz-Apps für Jugendliche unter 16 Jahren, selbst wenn deren Eltern der Nutzung zustimmen."


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    Bundesminister DuMont wird im Vorlauf der JI-Ratssitzung für die Ablehnung des gegenwärtigen Entwurfes werben. Gemeinsam mit Österreich, Schweden, Polen und den Niederlanden hält man eine Sperrminorität. Diese soll nach Möglichkeit durch weitere Mitgliedsstaaten ausgebaut werden. Das Bundesministerium der Jusitz strebt einen kompletten Neustart des Gesetzgebungsverfahren zum besseren Schutz von Kindern in der Online-Welt an. Dies kann nur unter Berücksichtigung von rechtlicher, technologischer und praktikablen Möglichkeiten geschehen.

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