[BMZ] BM'in Lehmann zur Gegenwart und Zukunft deutscher Entwicklungshilfe

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    Statement der Bundesentwicklungsministerin zu Gegenwart und Zukunft deutscher Entwicklungshilfe



    Zum Ende der laufenden Legislatur äußerte sich Bundesentwicklungsministerin Lehmann mit ungewohnt selbstkritischen Worten hinsichtlich der grundsätzlichen, aktuellen Entwicklungshilfepolitik, speziell im Hinblick auf Afrika. Nach ihren Worten stecken neben Deutschland auch andere westliche Geberländer derzeit in einem "Dilemma", was -nach Meinung der Ministerin- in der Gesamtschau auch mit der Außenpolitik Russlands oder China auf dem afrikanischen Kontinent zu tun habe.


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    Bundesministerin Anja Lehmann


    Liebe Vertreter:innen der Presse,

    meine sehr verehrten Damen und Herren,

    liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hause,


    zum Ende der aktuellen Legislatur möchte ich keine große Rede halten über das, was wir, als BMZ, gemacht, geschafft, oder aber auch nicht, haben.

    Mit dieser Belegschaft hier im Hause, soviel Tatkraft, Fachwissen, Erfahrung und Engagement , hat es ein jeder/eine jede Minister/-in leicht, sich schnell einzufinden.

    Ich danke Ihnen, allen Mitarbeitern im BMZ, von ganzem Herzen. Es würde mich freuen, weiterhin mit Ihnen zusammenarbeiten zu können, auch nach der kommenden Bundestagswahl. Das Gute an unserer Demokratie ist aber, dass man dies vorher nicht weiß.


    Ich möchte das Ende der Legislatur dazu nutzen, um uns allen bewusst zu machen, dass meiner Meinung nach aufgrund der sich rasend verändernden Welt, die Entwicklungshilfe allgemein auf ein Legitimationsproblem zurast. Wir, aber auch andere Partner von uns stecken in einem entwicklungspolitischen Dilemma.

    Gemäß unseren Grundprinzipien unterstützen wir mit immensen Fördermitteln den Aufbau demokratischer Strukturen in Entwicklungsländern, engagieren uns bei der Armutsbekämpfung. Selbstverständlich auch mit dem Ziel, Fluchtursachen zu bekämpfen.


    Gleichzeitig aber nimmt die Anzahl der Staaten, die sich bewusst von uns/unseren westlichen Partnern abwenden, stetig zu. Mehr und mehr Länder scheinen eine andere Agenda zu haben, die nicht zwingend deckungsgleich mit unseren Grundsätzen sind.

    Wir alle wissen, dass Afrika der Schwerpunkt unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit ist. Gut die Hälfte aller Partnerländer liegt auf dem afrikanischen Kontinent, rund die Hälfte unserer Mittel fließen dorthin.

    Wenn man sich gleichzeitig aber das Abstimmungsverhalten bei den VN betrachtet, dann wird schnell deutlich: Ungefähr die Hälfte aller afrikanischen Regierungen haben sich geweigert, den brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine zu verurteilen.


    Schlimmer noch: Wie Sie der o.a. Karte entnehmen können, sind mittlerweile Wagner-Söldner, allesamt (mit-)finanziert aus Moskau, in den verschiedensten afrikanischen Ländern aktiv. Länder, in denen u.a. auch deutsche Entwicklungshilfe hinfließt. An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein:

    Ist es es überhaupt noch tragbar und dem eigenem Volk vermittelbar, dass ihre Steuergelder z.T. in Länder fließen, die den Westen, uns, unsere Werte ablehnen und sich zeitgleich Russland zuwenden?

    Wäre es nicht sinnvoller und eher in unserem Interesse, dass bspw. Kenia, das bei den VN stets mit uns gestimmt hat, dementsprechend anders behandelt wird, als Burkina Faso, Niger und Mali mit ihren dikatorischen, russlandfreundlichen Systemen?


    Hinzu kommt noch erschwerend, dass die anhaltenden Migrationsströme absolut nicht dafür sprechen, dass -mit Hilfe westlicher Entwicklungshilfe- sich die z.T. schlechten Lebensbedingungen im Süden nachhaltig von außen verbessern lassen. Entwicklungshilfe kann bekanntlich keine Kriege und politischen Konflikte beilegen.


    Die hohen Kosten müssen auch bei uns hinterfragt werden. Wir wissen, dass wir künftig hohe Mehrausgaben z.B. bei der Verteidigung oder beim Klimaschutz haben werden. Unsere alternde Bevölkerung lässt die Kosten wachsen.


    Wir sollten zudem anfangen, die durchaus positiven, wirtschaftlichen Entwicklungen jenseits der Sahelzone zu registrieren. Es gibt durchaus afrikanischer Länder, die sind nicht mehr zwingend auf Hilfe angewiesen oder wollen diese nicht mehr in bisheriger Form. Schon jetzt spielen Geldüberweisungen von Migranten im Ausland in ihre jeweiligen Heimatländer oft eine viel größere Rolle, als unsere Entwicklungshilfe. Zudem gibt es auf dem Kontinent eine ordentliche Dynamik. Wären da Direkttinvestitionen vor Ort nicht sinnvoller?

    Ist eine vollständige Integration in die Weltwirtschaft nicht die bessere Entwicklungshilfe? Ich denke schon! Und wir sollten künftig alles tun, was diesem Ziel dient. Weil dies letztenendes auch uns, als Geber, helfen würde.


    Ich wünsche Ihnen und diesem Haus alles Gute für die Zukunft.



    Vielen Dank und freundliche Grüße