[TH XVII / 003] Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen

  • Geschätzte Kollegen,


    folgender Antrag der Landesregierung wird nun zur Debatte gestellt. Die Debatte dauert 72 Stunden.

  • Geschätzte Kollegen,


    mit der Regelung des Artikels 54 Absatz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen über die jährliche Anpassung der Abgeordnetenentschädigung wurde ein Automatismus geschaffen, durch den das Parlament umgeht, über Erhöhungen der Entschädigung vor der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen. Dieser Automatismus wurde aus den Reihen diverser Parteien kritisiert, doch bei Abstimmungen fand sich nie eine Mehrheit zu seiner Abschaffung. Dabei hat auch das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit erklärt, dass kein Automatismus der Anpassung stattfinden darf. Es genügt nicht, per Gesetz die Faktoren festzulegen, nach denen sich Diäten laufend erhöhen. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch bezeichnete die aktuell im Freistaat geltende Regelung als verfassungswidrig, zumindest aber als problematisch. Eine Orientierung an der Einkommensentwicklung ist in Ordnung, aber um den Akt der Gesetzgebung und damit um die öffentliche Debatte darf sich das Parlament nicht drücken.


    Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1975 geurteilt, dass der parlamentarische Willensbildungsprozess, der zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung führt, für den Bürger durchschaubar sein und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen werden muss. Daher findet sich im Bundesgesetz zumindest eine dennoch fragwürdige Regelung, gemäß der der Automatismus nur in Kraft tritt, sofern er zu Beginn einer Legislaturperiode bestätigt wird. Joachim Gaucks Bedenken waren ungeachtet dieser Regelung groß, sodass vor der Verkündung des Bundesgesetzes eine langwierige Prüfung erfolgte. Er setzte zwar letztendlich seine Unterschrift unter das Gesetz, doch die Zweifel blieben. Denn 1995 hatte der Bundestag schon einmal versucht, einen Automatismus einzuführen. Damals hatte er die Verfassungswidrigkeit einer solchen Maßnahme aber eingeräumt und wollte diese durch Änderung des Grundgesetzes beheben. Doch der Bundesrat versagte die Zustimmung.


    Laut Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim ist das Bundesgesetz sogar gleich in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig. Bei Diätengesetzen entscheidet das Parlament in eigener Sache und ist somit befangen. Deshalb ist eine wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit besonders wichtig. Jede Veränderung der Höhe der Entschädigung ist gesondert im Plenum zu diskutieren und muss vom Parlament vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen werden. Dies ist neben der Kontrolle durch Gerichte - und auf Bundesebene durch den Bundespräsidenten - die einzige wirksame Kontrolle. So steht es im Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts. Zwar urteilte der Thüringer Verfassungsgerichtshof 1998, dass die Indexierung der Grundentschädigung verfassungsgemäß sei. Die entscheidende Frage, ob mit der Indexierungslösung die auch vom Bundesverfassungsgericht betonte Notwendigkeit der Entscheidungstransparenz gewährleistet wird, wird in dem Urteil jedoch nicht wirklich thematisiert. Die Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Indexierung von Diäten hat durch die damalige Entscheidung daher keinen Schlusspunkt gefunden. Neben der behandelten Frage der rechtlichen Zulässigkeit ist auch ungeklärt, ob eine verfassungsrechtlich gestützte Indexierung zu sachgerechten Ergebnissen führt. Problematisch ist hierbei, und damit setzt sich auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof auseinander, dass der Gesetzgeber bei der Auswahl der Indexierungsparameter nicht frei von faktischen Zwängen ist: Er kann nicht auf die seiner Ansicht nach treffendsten Parameter für die allgemeine Einkommensentwicklung zurückgreifen, sondern nur auf solche, zu denen das Statistische Landesamt auch über Erhebungsdaten verfügt. Dies hat hier im Freistaat dazu geführt, dass weder die Gruppe der Freiberufler, noch die der Rentner in die Feststellung der allgemeinen Entwicklung einbezogen wurde.


    Sämtliche Abgeordneten profitieren durch die automatische Bindung an die Einkommensentwicklung zudem überproportional, da sie keine Abgaben zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Der für den Diätenautomatismus gewählte Index ist nicht sachgerecht und gegenüber einem normalen Arbeitnehmer ungerecht. Mit der Streichung von Artikel 54 Absatz 2 erfordert jede zukünftige Anpassung der Entschädigung wieder den Beschluss des Plenums mit einer damit verbundenen Diskussion. Zur Abkehr von der automatischen Diätenerhöhung werbe ich daher nun um Zustimmung für den vorliegenden Antrag. Vielen Dank!