[Debatte] BR/179 - Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Religionsfreiheit im Arbeitsrecht

  • BR/179 - Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Religionsfreiheit im Arbeitsrecht


    Geschätzte Kollegen,


    der folgende Antrag steht nun zur Debatte. Es handelt sich bei dem 'Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Religionsfreiheit im Arbeitsrecht' um einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung, welcher nun im ersten Durchgang im Bundesrat behandelt wird. Die Debatte läuft bis zum Freitag, den 17. März 2023, um 20:10 Uhr.

  • Frau Präsidentin,

    werte Vertreter:innen der Bundesregierung,


    Das Kirchenarbeitsrecht enthält unter anderem Bestimmungen zur Einstellung, Entlassung, Bezahlung und Arbeitszeit von Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen. Es kann jedoch auch Einschränkungen hinsichtlich der Glaubenszugehörigkeit von Mitarbeitern geben, da kirchliche Einrichtungen in der Regel eine bestimmte Glaubensrichtung vertreten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch eine entsprechende Einstellung abverlangen.


    Wir leben in einer modernen Gesellschaft, in der die Grundrechte und die Gleichbehandlung aller Menschen unabhängig von ihrer Religion oder Weltanschauung von großer Bedeutung sind. Es ist daher sehr schwer zu erklären, warum wir in unserem Land Arbeitsrecht anstreben, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit diskriminiert.


    Das Kirchenarbeitsrecht, das für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen gilt, enthält Einschränkungen hinsichtlich der Glaubenszugehörigkeit von Mitarbeitern. Dies bedeutet, dass Menschen, die nicht der entsprechenden Glaubensrichtung angehören, oft benachteiligt werden und keine gleichen Chancen auf eine Anstellung oder Beförderung haben. Ein weiterer sehr kritischer Punkt des kirchlichen Arbeitsrechtes: die Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Kirche. Das bedeutet, kirchliche Angestellte müssen die katholischen Glaubens- und Moralvorstellungen auch im Privaten leben. Zum Beispiel: Keine erneute Heirat nach einer Scheidung, keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft und etwa eine rasche Hochzeit, wenn man als pastorale Mitarbeiterin mit einem Mann zusammenlebt. Das ist doch ein klarer Widerspruch zur freien Religionsausübung der Menschen. Wie wird hier im kirchlichen Arbeitsrecht eine freie Religionsausübung sichergestellt?


    Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu den Grundwerten unserer Gesellschaft und muss dringend reformiert werden. Wir müssen sicherstellen, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Glaubenszugehörigkeit gleich behandelt werden und dass sie die gleichen Chancen auf eine Anstellung oder Beförderung haben.

    Wir dürfen nicht zulassen, dass Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung in irgendeiner Form toleriert wird. Ich frage die Bundesregierung, wie dieser Antrag Diskriminierung durch Glaubenszugehörigkeit verhindern wird?


    Ferner bittet Hamburg um Verlängerung der Debatte, es besteht da vermutlich noch Redebedarf.


    Herzlichen Dank.

  • Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin,


    es wäre der Debatte förderlich, würde die Erste Bürgermeisterin nicht abstrakt über das kirchliche Arbeitsrecht referieren, sondern sich inhaltlich und in concreto mit dem vorliegenden Antrag auseinandersetzen. Der dem Gesetzentwurf beiliegenden Begründung ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung beabsichtigt, den gesetzlichen Zustand vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Säkularisierung des Arbeitsrechts wiederherzustellen.

    Anders als die Erste Bürgermeisterin suggeriert, war auch nach alter Rechtslage die Kündigung eines Mitarbeiters, der nach einer Scheidung wieder heiratete, unzulässig, wenn dieses Glaubensgebot keine im Hinblick auf die jeweilige Tätigkeit wesentliche berufliche Anforderung ist (vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2019, Az. 2 AZR 746/14). Ähnliches gilt bei einem Kirchenaustritt (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2021, 4 Sa 27/20). Homosexualität kann nach § 9 Abs. 2 AGG schon deshalb kein zulässiger Kündigungsgrund sein, weil nicht nur eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion in Rede steht, sondern auch eine Benachteiligung wegen der sexuellen Identität, die von § 9 Abs. 2 AGG von vornherein nicht erfasst wird.


    Die alte Regelung ermöglichte den Gerichten eine angemessene Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen im Einzelfall zu treffen. Nach dem Gesetz zur Stärkung der Säkularisierung des Arbeitsrechts sollen die Grundrechte der Arbeitnehmer - die im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht einmal unmittelbar gelten - pauschal höher zu gewichten sein. Das ist vor dem Hintergrund des durch das Grundgesetz gewährleisteten Rechts der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten eigenständig zu regeln ( Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG) nicht überzeugend.

    24. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

    Bundeskanzler a.D.