4 BvQ 2/22 - Erfolgloser Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Sachen Lefévre ./. von Angern

  • OBERSTES GERICHT

    – 4 BvQ 2/22 –


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    Im Namen des Volkes



    In dem Verfahren
    über die Anträge,

    im Wege der einstweiligen Verfügung,


    1. es dem Antragsgegner – besonderer Dringlichkeit wegen, ohne mündliche Verhandlung – auf dem Wege der Einstweiligen Verfügung aufzugeben, die – bei Meidung ist für jeden Fall der Zuwiderhandlung durch das Gericht ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren festzusetzen – Behauptung und/oder Verbreitung der falschen Tatsache, der Antragssteller sei Nationalsozialist, zu unterlassen;


    2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahren aufzuerlegen;


    Antragsteller:
    - Herr Nathan Lefévre, vertreten durch die eigene Person;


    Antragsgegner:

    - Frau Ella von Angern, vertreten durch die eigene Person;



    hat das Oberste Gericht – Vierter Senat – unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsidentin Christ-Mazur,


    Vizepräsident Geissler,


    Neuheimer,


    Langenfeld


    am 03. Januar 2023 beschlossen:


    1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.


    2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.


    Gründe:


    I.


    1. Die Verfügungsbeklagte äußerte sich am 25. Dezember 2022 wie folgt auf der Social-Media-Plattform Twitter: "Was macht ein Nationalsozialist, der mit seiner Landesregierung Arbeitslager für Migranten schafft, in der LIBERAL-KONSERVATIVEN Allianz?" Daraufhin widersprach der Verfügungskläger noch am gleichen Tage, äußerte, es würden keine Arbeitslager für Migranten geschaffen und warf der Verfügungsbeklagten Verharmlosung des Nationalsozialismus' vor. Die Verfügungsbeklagte replizierte wie folgt: "Nö, ich merke nur an, das [sic!] Sie einer sind."


    2. Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte auf einstweilige Unterlassung in Anspruch und beantragt, "es dem Antragsgegner [...] auf dem Wege der Einstweiligen Verfügung aufzugeben, die – bei Meidung ist für jeden Fall der Zuwiderhandlung durch das Gericht ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren festzusetzen – Behauptung und/oder Verbreitung der falschen Tatsache, der Antragssteller sei Nationalsozialist, zu unterlassen". Die Bezeichnung des Verfügungsklägers als "Nationalsozialist" stelle eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die geeignet sei, ihm und seinem Ruf schweren Schaden zuzufügen.


    3. Die Verfügungsbeklagte rechtfertigt die Bezeichnung des Verfügungsklägers als "Nationalsozialist" mit Verweis auf sein Handeln und Wirken als Politiker und Mitglied der Bayerischen Staatsregierung sowie mit Verweis auf seine im Zuge dessen getätigten Äußerungen. Dies beträfe insbesondere seine Haltung zu Transsexualität und das behauptete Errichten von Arbeitslagern für Migranten.


    4. Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.


    II.


    Der zulässige Antrag ist unbegründet. Ein Verfügungsanspruch ist nach vorläufiger Prüfung der Sachlage gegeben (2.); jedoch ermangelt es an dem Verfügungsgrund (3.).


    1. Die Hauptsache wird durch den Antrag nicht vorweggenommen. Bei unterstelltem Bestehen des Unterlassungsanspruchs wäre die Verfügungsbeklagte verpflichtet, die streitgegenständliche Äußerung zu unterlassen. Dieser zukunftsbezogener Anspruch trägt den Charakter einer absoluten Fixschuld, weil ein Unterlassen per se nicht nachgeholt werden kann. Somit droht bei der Wiederholung der beanstandeten Äußerungen der Anspruch zeitanteilig unmöglich im Sinne von § 275 I BGB zu werden. Damit geht es vorliegend um die Sicherung eines Anspruchs und nicht dessen vorläufige Erfüllung; das Begehren ist somit als Sicherungsverfügung einzuordnen.


    2. Ein Verfügungsanspruch ist gegeben. Nach vorläufiger Prüfung der Sachlage steht dem Verfügungskläger möglicherweise ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004 I BGB, 823 II BGB, §§ 186 f. StGB zu. Der Verfügungskläger begehrt die Wahrung seines Persönlichkeitsrechtes. Ob eine tatsächliche Verletzung dieses Persönlichkeitsrechtes des Verfügungsklägers durch die Verfügungsbeklagte vorliegt, ist jedenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Eine solche Verletzung lässt sich jedoch nicht ex ante ausschließen. Insoweit ist ein strittiges Rechtsverhältnis gegeben und das Ergebnis im Hauptsacheverfahren als offen anzusehen. Der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedenfalls geeignet und statthaft, um die behauptet verletzten Rechte der Antragstellerin vorläufig zu sichern.


    3. Ein Verfügungsgrund ist jedoch nicht gegeben.


    a) Ein Verfügungsgrund ist nicht schon deshalb gegeben, weil die Gefahr besteht, dass die zu unterlassen beantragte Handlung wiederholt werden könnte. Ein Verfügungsgrund ist nur dann festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und es ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten, weil ansonsten die Verwirklichung des Rechts der verfügungsklagenden Partei wesentlich erschwert oder verunmöglicht würde (§ 935 ZPO). Es kann weiter an einem Verfügungsgrund fehlen, wenn die Verfügungsklägerin ihre Rechte einstweilen selbst gewahrt hat oder hätte wahren können. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ihm eine Gegenäußerung möglich ist oder war und er somit sein schutzwürdiges Interesse durch eine Gegenäußerung geltend machen kann oder hätte machen können.


    b) Nach diesen Maßgaben legt der Verfügungskläger das Vorliegen des für die Stattgabe des Antrages notwendigen Verfügungsgrund nicht hinreichend dar. Er zeigt nicht schlüssig auf, warum dieser gegeben sein soll, zumal nicht ersichtlich wird, dass durch den Nichterlass der einstweiligen Verfügung eine wesentliche Erschwerung oder Verunmöglichung des geltend gemachten Rechts folgen wird; die bloße Behauptung mit dem Verweis auf den evident ehrrührigen Charakter der Bezeichnung als "Nationalsozialist", dass ein Rufschaden irgendwann eintreten könne und der Verweis auf eine zeitliche Nähe zu irgendwelchen nicht näher bestimmten Wahlen ist jedenfalls nicht hinreichend geeignet zur Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes nach § 920, 935 ZPO. Die Notwendigkeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung wird nicht aus den Ausführungen des Verfügungsklägers ersichtlich. Dazu war es ihm nach Auffassung des Gerichts durch eine Gegenäußerung grundsätzlich möglich und zumutbar, seine Rechte in hinreichendem Umfang vorerst selbst zu wahren.


    III.


    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (Antrag zu 2.).


    2. Auf Antrag des Verfügungsklägers und der Dringlichkeit wegen wurde nach § 937 II ZPO auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.


    3. Gegen diesen Beschluss ist der Widerspruch nach § 18 III OGG zulässig. Dieser ist dem Gericht in schriftlicher Form zukommen zu lassen und soll eine Begründung unter Darlegung der Gründe, die für die Aufhebung geltend gemacht werden, enthalten. Eine Frist ist nicht einzuhalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.


    4. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.



    Christ-Mazur | Geissler | Neuheimer | Langenfeld

    Präsidentin des Obersten Gerichtes